Kreditkartengebühren

„Zahlungslösungen sind immer ein Volumenspiel“

Seit der EU-Verordnung über Interbankenentgelte nahmen europäische Händler Erhöhungen von Scheme Fees und Interchange-Gebühren für nicht regulierte Karten hin. Wie sich Europa unabhängiger von Visa und Co. machen könnte, sagt Atze Faas, Paymentberater bei EuroCommerce.

Von Mirko Hackmann 27.09.2023

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Möglichst ohne Karten-Tricks: Europa will sich unabhängiger von Visa und Mstercard machen.

Herr Faas, ist es richtig, dass die von der EU veranlasste Senkung der Interchange Fees durch den Anstieg der Scheme Fees inzwischen weitgehend zunichtegemacht wurde?
Atze Faas: Das stimmt. Da die EU-Kommission mit den Interchange-Gebühren lediglich einen Teil der Gesamtgebühren gedeckelt hat und diese Deckelung ausschließlich für Privatkundenkarten gilt, konnten Issuer und Card Schemes durch die Anhebung anderer Gebühren ihre Interchange-Verluste wettmachen. Es sind aber nicht allein die erhöhten Scheme Fees, die für höhere Einnahmen sorgen. Hinzu kommt die deutliche Zunahme der Geschäftskarten: Bis 2017 lag deren Anteil an allen Kartenzahlungen in Europa noch zwischen ein und 1,2 Prozent, mittlerweile sind es um die vier Prozent. Weltweit liegt der Anteil jedoch bei rund zehn Prozent. Deshalb erwarten wir, dass der europäische Vier-Prozent-Wert noch erheblich ansteigen wird. Unserer Überzeugung nach sollten Geschäftskundenkarten nicht anders betrachtet werden als Privatkundenkarten.

Eine von EuroCommerce in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass Händlern in Europa seit Inkrafttreten der Verordnung mehr als 1,46 Milliarden Euro zusätzliche Kosten durch Erhöhung der Scheme Fees entstanden sind. Weitere für 2021 angekündigte Erhöhungen sollen nochmals 100 Millionen Euro betragen haben. Wie reagiert die EUKommission darauf?
Faas: Wir stehen zu diesem Thema mit der EU-Kommission im ständigen Austausch und versuchen anhand von Daten und Rechtsgutachten die Kommission zu überzeugen, dass die Deckelung der Interchange Fee Regulation (IFR) nicht dauerhaft wirksam war und der Handel weiterhin mit steigenden Kosten konfrontiert ist. Die Kommission antwortet, dass sie zwar das Problem verstehe, aber die Beweise nicht eindeutig genug seien, um ein Klageverfahren einzuleiten. Ende vergangenen Jahres hat die Kommission dann ein IFR-Review gestartet, das im weitesten Sinne Scheme Fees einbeziehen soll – also sämtliche Gebühren inklusive Interchange und vermehrt Acquirer Fees. Diese Überprüfung soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein. Parallel untersucht die Kommission auf unser Betreiben hin die sogenannten Incentives. Das sind Beträge, die vorwiegend an Issuer bezahlt werden. Bei Mastercard beträgt der Anteil der Incentives rund 50 Prozent des weltweiten Bruttoumsatzes, bei Visa 27 Prozent. Die Kommission befragt gerade beide Kreditkartensysteme, welche Anteile davon in der EU landen und wie viel bei den Kartenherausgebern.

Welche Änderungen müssten denn Ihrer Meinung nach vorgenommen werden, um die Gebühren für Händler einzudämmen?
Faas: Wir plädieren dafür, dass die IFR aktualisiert wird und dann alle Formen von Gebühren abdeckt. Ob die Regelung in die Payment Service Regulation (PSR) integriert wird oder separat steht, ist relativ unwichtig.

Wäre die Situation eine andere, wenn die European Payment Initiative (EPI) der ursprünglich geplante große Wurf geworden wäre?
Faas: Dass die EPI auf eine Kartenherausgabe verzichtet hat, können wir sehr gut nachvollziehen. Und wir sehen große Chancen für den SCT Inst Standard, ein auf der SEPA-Überweisung basierendes europäisches Zahlungssystem in Echtzeit. Das wird für mehr Wettbewerb gegenüber Playern außerhalb der EU sorgen, auch wenn wir sicherlich immer noch wesentliche Umsatzanteile über Karten abwickeln werden.

Teilen Sie die Hoffnung der EU-Kommission, dass ein stärkerer Wettbewerb im Zahlungsverkehr sich dämpfend auf die Kosten für die Zahlungsakzeptanten auswirkte?
Faas: Ja, die teilen wir – aber ausschließlich, sofern ein Gebühr-pro-Transaktion-Modell implementiert wird. Da Kunden vermehrt digitale Zahlungsmethoden nutzen, sollten die Kosten pro Transaktion sinken. Nur dann profitiert auch der Handel von Skaleneffekten. Bei umsatzabhängigen Gebühren ist der Handel von diesen Vorteilen ausgeschlossen. Darüber hinaus ist der Aufwand für das Zahlungsökosystem derselbe, unabhängig davon, ob es sich um eine Transaktion in Höhe von einem Euro oder von 1.000 Euro handelt. Durch die starke Kundenauthentifizierung ist auch das Betrugsrisiko am Point of Sale kaum vorhanden. Dadurch entfällt ein weiterer Grund für prozentuale Gebühren.

Können die geplanten Innovationen bei der European Payment Initiative dazu führen, dass mehr Wettbewerb entsteht?
Faas: Die Frage ist weniger ob, sondern eher wie schnell. Wie bei allen europäischen Projekten ist viel Abstimmung vonnöten. Der für dieses Jahr vorgesehene Start der Peer-to-Peer-Lösung wird offenbar auf Anfang 2024 verschoben. Das dauert zu lange. Wichtig ist, dass zügig eine flächendeckende europäische Lösung entsteht, um eine kritische Masse zu erreichen. Zahlungslösungen sind immer ein Volumenspiel.

Wird die angekündigte Einführung des digitalen Euro die Gewichte zwischen den US-Anbietern und europäischen Mitbewerbern zugunsten Letzterer verschieben?
Faas: Der digitale Euro wird die US-Schemes sicherlich nicht ersetzen können. Aber schon, wenn der Anteil von Mastercard und Visa von aktuell 70 bis 80 Prozent auf rund 50 Prozent sänke, könnten wir das als Erfolg feiern.

 

KURZ ERKLÄRT

Interchange Fee: auch Interbankenentgelt genannt, ist das Entgelt, das bei einem Zahlungsvorgang (zum Beispiel bei der Zahlung mit einer Kreditkarte) für jede Transaktion zwischen dem Zahlungsdienstleister des Zahlers (zum Beispiel dem Issuer) und dem Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers (zum Beispiel dem Acquirer) gezahlt wird.

Scheme Fee: auch Kartenorganisationsgebühr genannt, ist die Gebühr, die vom Acquirer an die Schemes (Kartenorganisationen) zu entrichten ist.

Acquirer: Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers (in der Regel Einzelhändler), der für den Zahlungsempfänger Zahlungen mittels Zahlungskarten oder anderen Zahlungsinstrumenten einzieht.

Issuer: Das Gegenstück zum Acquirer ist der Issuer, der als Zahlungsdienstleister des Zahlers (Karteninhaber) auftritt und Zahlungskarten oder andere Zahlungsinstrumente an den Zahler herausgibt.


Quellen: Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München, Gabler Bankenlexikon,
Kreditkarte.net

Schlagworte: Europa, Kreditwirtschaft, Payment

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