Herr Schmalzl, wie sehen Sie kleine und mittlere deutsche Handelsunternehmen beim Thema Payment aufgestellt?
Joachim Schmalzl: Sowohl das Bezahlverhalten der Kunden als auch die Adaptionsbereitschaft im Handel haben im Zuge der Pandemie einen Sprung um mindestens fünf Jahre nach vorn gemacht. Die Verbraucher wollen vermehrt unterschiedliche Zahlungsmethoden situativ verwenden, einige gehen inzwischen sogar vornehmlich allein mit ihren mobilen Endgeräten shoppen. In der Vergangenheit war der Handel nicht immer optimal aufgestellt, hat nun aber auf die Vielfalt der Kundenbedürfnisse reagiert und hält ein entsprechend breites Angebot an Zahlungsverfahren vor. Die Akzeptanz im Handel wächst also mit den Bedürfnissen der Kunden. Das gilt dezidiert auch für kleine und mittlere Unternehmen, für die wir als Sparkassen- und Giroverband hochwertige und gleichwohl bezahlbare Geräte und Softwarelösungen anbieten.
Herr Genth, im Zuge der Pandemie haben viele der zum Teil bis dato digital rückständigen KMU aus dem stationären Handel einigen Boden wettgemacht. Wie schauen Sie auf diese Entwicklung mit Blick auf das laufende Jahr: Reichen die finanziellen Rücklagen, um weitere notwendige Innovationen voranzutreiben?
Stefan Genth: Die Pandemie hat gezeigt, dass kleine und mittlere Handelsunternehmen in der Lage sind, schnell auf neue Kundengewohnheiten zu reagieren. So haben viele ihre Onlineservices erweitert, beispielsweise Click-&-Collect-Angebote und Onlinepräsenzen aufgebaut. Um die Beziehung zu den Kunden zu pflegen, nutzen sie zudem vermehrt Social-Media-Kanäle. Dieser Innovationsprozess darf nicht stoppen. So ist beispielsweise die Digitalisierung des PoS unumgänglich. Insbesondere gilt es, das Bezahlen und den Check-out-Prozess neu zu definieren: Mobile Payment, Self-Check-out, Payment-Apps mit Bonusprogrammen – solche Features werden Kunden künftig erwarten. All das muss jedoch finanziert werden. Weil das Eigenkapital vieler KMU durch die Pandemie aufgezehrt ist und die Wirtschaftshilfen lediglich einen Bruchteil der tatsächlichen Verluste abdecken konnten, gibt es in dieser Frage Handlungsbedarf in Form entsprechender Förderprogramme des Bundes.
Die örtlichen Sparkassen sind nah dran an ihren Geschäftskunden. Wie bewerten Sie gegenwärtig Stimmung und finanzielle Lage bei den kleinen und mittleren Einzelhandelsbetrieben?
Schmalzl: Die Rückmeldungen, die wir bekommen, unterscheiden sich je nach Branche sehr. Einigen, wie den Fahrradhändlern, geht es hervorragend. Andere hat es so hart getroffen, dass sie auch perspektivisch zu kämpfen haben werden. Insgesamt erwarte ich, dass wir im stationären Handel wieder ein Umsatzplus erleben werden, 2022 schätzungsweise in Höhe von drei bis vier Prozent. Viele der Kunden, die in den vergangenen zwei Jahren in den E-Commerce abgewandert waren, entwickeln wieder Lust auf den Einkauf im stationären Handel. Jene Händler, die durchgehalten haben, werden von diesem Rückschwung profitieren und wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. Wegen der zu erwartenden Nachholeffekte sehe ich die Entwicklung für stationäre KMU optimistisch.
Herr Genth, wo sehen Sie primär Unterstützungsbedarf: beim Digitalisierungs-Know-how oder bei den notwendigen finanziellen Mitteln?
Genth: Beides muss Hand in Hand gehen. Zum einen gilt es, mittels Wissenstransfer die Händler vor Ort zu unterstützen. Dies gelingt mithilfe von Initiativen wie unserem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel, das seit drei Jahren kleine und mittlere Handelsunternehmen bei der Digitalisierung ihrer Prozesse unterstützt und aus der unternehmerischen Praxis heraus in Fragestellungen rund um den Handel der Zukunft berät. Wo die eigenen finanziellen Mittel nicht ausreichen, bedarf es der Finanzierung – beispielsweise über die bestehenden Partnerschaften mit den Sparkassen.
HDE und S-Payment streben eine Kooperation zur Digitalisierung von KMU an. Welche Idee steckt dahinter?
Schmalzl: Als Sparkasse sind wir von Haus aus regional aufgestellt und zudem sowohl verpflichtet wie auch von der Idee überzeugt, kleine und mittlere Handelsunternehmen zu unterstützen. Ich finde es erschreckend, zu sehen, was in anderen Ländern passiert, wo diese Strukturen bereits weggebrochen sind. Umso mehr ist es unser Anliegen, unternehmerische Vielfalt in Deutschland zu erhalten. Die Kooperation mit dem HDE verfolgt das Ziel, KMU dabei zu helfen, den Anforderungen der Digitalisierung und dem veränderten Kundenverhalten Rechnung zu tragen. Wir verstehen uns als Digitalisierungspartner des Handels, der nicht allein Paymenttechnologie anbietet, sondern auch gemeinsam mit dem HDE Handlungsbedarfe und Lösungsmöglichkeiten in weitergehenden Digitalisierungsbereichen aufzeigt. Denn nur mit einem funktionierenden Handel bleibt das Leben in den Städten und Gemeinden lebenswert.
Genth: KMU, die von der Digitalisierung noch nicht ausreichend erfasst wurden, wollen wir ganz konkret mit Webinaren und lokalen Veranstaltungsreihen erreichen. Sowohl persönliche Ansprechpartner unserer Landesverbände als auch der regionalen Sparkassen werden Händlern Impulse geben, wie sie ihr Geschäft neu aufstellen können. Dabei geht es nicht allein um technische Infrastrukturen, sondern auch um Prozessbegleitung. Gemeinsam wollen wir aufzeigen, dass die Digitalisierung kein Hexenwerk ist – und zudem den Austausch zwischen den Beteiligten vor Ort anregen. Letztlich sitzen wir in einem Boot: Sparkassen und Handel müssen beide weiterhin ihre Kunden erreichen – auch wenn sie weitaus seltener als früher in die jeweiligen Filialen kommen. Dazu braucht es lebendige Zentren.
Multi Use ist im Zusammenhang mit der Umnutzung von Handelsimmobilien ein oft gehörtes Schlagwort. Sehen Sie es als Option, künftig kleine Sparkassenfilialen in Einzelhandelsgeschäfte zu integrieren?
Schmalzl: In großen Einkaufszentren ist ja schon heute häufig eine Sparkassenfiliale zu finden. Wenn wir dieses System weiterentwickeln und modern interpretieren, öffnet das den Weg für neue kreative Lösungen. Letztlich geht es darum, Dinge ohne Scheu auszuprobieren und zu schauen, ob sie beim Kunden Anklang finden. In Thüringen und Sachsen beispielsweise teilen wir uns bereits Geschäftsstellen mit Physiotherapeuten und Masseuren. Bevor wir eine Filiale schließen, gilt es, alle Möglichkeiten auszuloten.
Genth: Ich kann mir sehr gut vorstellen, eine Filiale der Sparkasse in ein Kaufhaus oder Textilwarengeschäft zu integrieren. Wir reden häufig über multifunktionale Angebote. Warum sollte man diese beiden nicht kombinieren? Beide würden davon profitieren, zusätzliche Frequenz zu erzeugen.
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