Pro und Contra

Wider die Wegwerfgesellschaft

In der EU fallen pro Jahr vier Millionen Tonnen Elektroschrott an. Nun will die Politik, dass Geräte länger genutzt und leichter repariert werden können. Erzielen zusätzliche Aufklärungs- und Gewährleistungspflichten tatsächlich diesen Effekt?

Von Elke Salzmann und Georg Grünhoff 09.11.2022

© Getty Images/Malte Müller

Reparaturbedürftig: Bisher werden weniger als 40 Prozent des in der EU anfallenden Elektroschrotts recycelt.

Pro 

Viele Produkte, insbesondere elektrische Geräte, halten nicht mehr so lange wie früher. Ein Ärgernis für Verbraucher, insbesondere in Zeiten starker Inflation und hoher Energiepreise. Zudem läuft diese Entwicklung gesellschaftlich anerkannten politischen Zielen zuwider: der Begrenzung des Klimawandels und dem Schutz begrenzter Ressourcen.

Das Problem: Nachhaltige Produkte sind oft nicht leicht zu erkennen. Leider stehen Verbrauchern beim Kauf bisher kaum Informationen darüber zur Verfügung, wie lange sie ein Gerät nutzen können, ob es reparaturfähig ist – und wenn ja, in welchem Umfang. Eine aktuelle Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) zeigt aber, dass Konsumenten wissen wollen, was sie kaufen. Neun von zehn Menschen sind demnach der Meinung, dass Produkte eine verbindliche und leicht verständliche Nachhaltigkeitskennzeichnung haben sollten. Doch solange der Preis die einzige zuverlässige Information bleibt, werden sich Verbraucher weiter eher für vermeintlich günstigere statt für langlebigere Produkte entscheiden.

Handel muss etwas beitragen

Aus Sicht des VZBV sollten deshalb nicht nur Hersteller, sondern dann auch der Händler verpflichtet werden, vorhandene Informationen zur Lebensdauer der Produkte sowie die umfassende Information zur Reparierbarkeit anzugeben. Nur so können sich Kunden für nachhaltige und damit umweltfreundliche Produkte entscheiden. Der Handel muss seinen Beitrag leisten, damit wir einen stärkeren Wettbewerb um die Herstellung von haltbaren Produkten erreichen.

Die Angabe einer Produktle­bensdauer ist außerdem wichtig für die ­Entscheidung, ob ein Gerät repariert oder ein gebrauchtes Gerät gekauft wird. Nur wenn Konsumenten die wahrscheinlich verbleibende Restnutzungszeit kennen, können sie eine ökonomisch sinnvolle Entscheidung treffen. Reparaturkosten dürfen kein Risikoinvestment darstellen.

Die Gewährleistungsfrist und der Zeitpunkt der Beweislastumkehr – der Moment, ab dem der Verbraucher beweisen muss, dass ein Mangel schon beim Kauf bestand – sollten sich aus Sicht des VZBV zudem konsequent an der zu erwartenden Lebensdauer des jeweiligen Produkts orientieren. Damit würden für bestimmte Produkte deutlich längere Fristen als zwei Jahre gelten. Denn wenn sich zukünftig überwiegend langlebige Produkte auf dem Markt etablieren sollen, muss die Angabe der Lebensdauer für Verbraucher auch rechtlich abgesichert werden. 

Contra

Der Handel trägt bereits heute auf vielfäl­tige Weise zur Steigerung der Nachhaltigkeit bei, unter anderem bei den Produkten selbst. Weder neue Informationspflichten noch die Verlängerung der Gewährleistungs- und Beweislastumkehrfrist sind jedoch zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen geeignet.

Verpflichtende Angaben zur Nutzungsdauer sollen längere Produktlebensdauern erzwingen. Eine Untersuchung des Öko-Instituts im Auftrag des Umweltbundesamts hat jedoch bereits vor Jahren ergeben, dass kürzere Nutzungsdauern von Waren vielfach durch die Präferenzen der Verbraucher bestimmt werden. Gründe für Neuanschaffungen können demnach etwa neue Funktionen, ein geringerer Energieverbrauch oder ein moderneres Design sein. Sogar bei ausgetauschten Haushaltsgroßgeräten lag in einem Drittel der Fälle kein Defekt vor. Da längere Haltbarkeit oft mit einem höheren Materialeinsatz einhergeht, kann es sogar negative ökologische Auswirkungen haben, wenn Produkte auf Langlebigkeit ausgelegt sind, dann aber vorzeitig ersetzt werden.

Ersatzteilvorhaltung mit Maß

Neue Informationspflichten über Ersatzteile und Reparaturoptionen sollen zu längerer Ersatzteilvorhaltung führen und Reparaturen durch Verbraucher fördern. Nicht immer ist die langfristige Vorhaltung von Ersatzteilen jedoch sinnvoll, weil sie etwa kostenintensiv ist und selbst negative Umweltauswirkungen durch Produktion, Lagerung und – wenn der Bedarf am Ende fehlt – Entsorgung haben kann. Von Reparaturen elektrischer Geräte durch Verbraucher selbst ist wegen möglicher Einbußen bei der Produktsicherheit ebenfalls abzuraten.

Verlängerte Gewährleistungs- und Beweislastumkehrfristen würden dazu führen, dass Händler zunehmend auch für Defekte haften, die gar nicht auf einem Produktmangel beruhen, sondern in der Sphäre des Verbrauchers entstanden sind. Die Wahrscheinlichkeit solcher Ursachen nimmt mit zunehmender Zeitspanne nach dem Kauf zu. Da sich die Ursache eines Defekts meist jedoch nicht mit vertretbarem Aufwand ermitteln lässt, gäbe es auch dann immer kostenlosen Ersatz. Damit bestünde kein Anreiz mehr, sorgsam mit Waren und somit auch den eingesetzten Ressourcen umzugehen – auch das wäre kein Nachhaltigkeitsbeitrag.

Nach pandemiebedingten Geschäftsschließungen, Frequenzverlusten in den Innenstädten und gestörten Lieferketten kämpfen viele Einzelhändler wegen der Energiekrise erneut um ihre Existenz. Gerade jetzt bedarf es statt neuer regulatorischer Belastungen dringend einer Belastungspause für den Handel! 

Schlagworte: Elektroschrott, Elektronikbranche

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