Obwohl sich mehr und mehr Staaten darüber einig sind, dass das 1,5-Grad-Ziel nur mit drastischen Maßnahmen zu erreichen ist, bleiben die in Glasgow vereinbarten Beschlüsse hinter dieser Einsicht zurück.
Paul Polman, Ex-Chef von Unilever, inzwischen ein entschiedener Kämpfer gegen den Klimawandel, brachte die Stimmung nach dem Ende des Gipfels auf den Punkt. „Ich kann nur zu gut verstehen, dass Wissenschaftler und Aktivisten von den Ergebnissen der Klimakonferenz enttäuscht sind. Die bedauerliche Unverbindlichkeit, mit der die Erklärungen zum Ausstieg aus Kohle und fossilen Brennstoffen in letzter Minute verwässert wurden, ging auf das Betreiben einiger weniger Groß-Emittenten zurück“, sagt er. Und er bekennt, dass diese wenig zufriedenstellende Abschlusserklärung angesichts der vehement durchgepaukten Interessen einiger Schlüsselstaaten sowie großer Unternehmen keine Überraschung war.
Doch wie sieht es im Handel aus, in Sachen Umweltbelastungen sicher eine der größten und zugleich am schärfsten kritisierten Branchen? Wie kann die Branche auf das in Glasgow demonstrierte politische Unvermögen zu harten Entscheidungen reagieren? Soll der Handel überhaupt handeln?
Es ist tatsächlich so, dass uns in dieser Situation die Möglichkeit zuwächst, uns der Herausforderung aktiv zu stellen. Kurz vor dem Klimagipfel in Glasgow befragte Edelman, ein weltweit tätiges PR- und Kommunikationsunternehmen, für sein „Global Trust Barometer“ Verbraucher weltweit zu ihrer Haltung zu Klimafragen. Zu den erstaunlichsten Ergebnissen dieser an überraschenden Erkenntnissen reichen Umfrage gehört zweifellos der Umstand, dass 49 Prozent der Befragten der Überzeugung sind, der Kampf gegen den Klimawandel sei längst verloren. Nicht weniger bestürzend auch die Antwort auf die Frage, welcher Institution die Menschen am ehesten zutrauen, „das Richtige zu tun“. Die Befragten bekannten im Allgemeinen, dass sie weniger die Regierungen, sondern am ehesten die Wirtschaftsunternehmen in der Lage sähen, „das Richtige“ zu tun.
Geht es allerdings darum, welcher Institution ein wirksamer Kampf gegen den Klimawandel zuzutrauen wäre, stehen die Unternehmen aus Sicht der Verbraucher an letzter Stelle. Die Befragten waren der Ansicht, dass die Wirtschaft nur mit verschärften Gesetzen dazu zu bringen sei, sich dem Kampf gegen die Erderwärmung anzuschließen. Es besteht also eine Wahrnehmungslücke zwischen dem, was Verbraucher der Wirtschaft und dem Handel potenziell zutrauen, und dem, was Letztere tatsächlich tun.
In der Tat nimmt die Zahl der Handelsunternehmen zu, die sich selbst ein Null-Emissions-Ziel gesetzt haben – und zwar entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette. Viele Firmen, darunter einige der weltgrößten Fashion-Marken, stehen mit Leidenschaft und Engagement für ihre Umweltverantwortung ein, weil sie die Notwendigkeit nachvollziehen und wissen, dass ihre Kunden diese Frage umtreibt.
Wenn sich schon die führenden Köpfe der Weltpolitik nicht auf Maßnahmen verständigen konnten, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, sollte der Handel sich davon nicht aufhalten lassen, seine eigenen ehrgeizigen Ziele weiterzuverfolgen. Die Branche startet gerade durch: über die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zur Entwicklung innovativer Lösungen bis hin zur Kooperation mit Start-ups. Paul Polman spricht von der beschleunigten Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit. Und sagt: „Wir brauchen Lösungen, die größer sind als wir selbst.“
Hier geht es zum Autoren-Profil von Ian McGarrigle.
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