Best Practice

Von wegen altes Eisen

Der Handel klagt über Personalmangel – ein Problem, das der ­Renteneintritt geburtenstarker Jahrgänge verschärfen wird. Möbelriese Ikea nimmt erfahrene Arbeitskräfte in den Blick, um dem demografischen Wandel zu trotzen.

Von Jens Gräber 02.01.2023

© Ikea

Ruhige Hand: Ikea setzt auf altersgemischte Teams, rund ein Drittel der Beschäftigten des Möbelhauses hierzulande sind über 50 Jahre alt.

Die Prognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fällt düster aus: Bis zum Jahr 2035 wird die Zahl der Erwerbstätigen hierzulande um rund drei Millionen sinken (siehe Grafik unten). Dabei spüren viele Handelsunternehmen schon heute den demografischen Wandel, wenn Babyboomer in Rente gehen und Lücken hinterlassen, die nur schwierig zu füllen sind. Nicht umsonst versucht der Handelsverband Deutschland mit einer Kampagne, junge Menschen für eine Karriere im Handel zu begeistern.

Auch beim Möbelriesen Ikea sieht man das Problem: „Wenn wir uns nicht vorbereiten, wird uns der Fachkräftemangel einholen“, konstatiert Karin Reuchlen, Projektmanagerin im Bereich People and Culture bei Ikea Deutschland. Das Möbelhaus setzt indessen nicht allein auf den Nachwuchs, sondern auch auf die Arbeitskraft älterer Mitarbeiter: Ein knappes Drittel seiner rund 19 000 Beschäftigten hierzulande sind über 50 Jahre alt.

Zwar sieht die Managerin ihr Unternehmen bei der Rekrutierung solcher älteren Arbeitskräfte bereits gut aufgestellt. „Wir schauen im Bewerbungsprozess nicht auf das Alter eines Menschen, sondern vor allem darauf, ob seine oder ihre Werte zu unseren passen“, erklärt sie. Doch Einstellungen garantieren noch keine erfolgreiche Zusammenarbeit. Ein Ziel des von Reuchlen geleiteten Projektes „All Generations at Ikea“ lautet daher: Angehörige der Generation 50 plus in die Lage versetzen, in altersgemischten Teams erfolgreich mit jüngeren Kollegen zu kooperieren.

Ein Fokus: der Abbau oft unbewusster Vorurteile gegenüber älteren Beschäftigten bei Führungskräften und Kollegen – etwa die laut Reuchlen unzutreffende Annahme, dass ältere Kollegen häufiger krank seien. Um für dieses und andere Ressentiments zu sensibilisieren, bietet Ikea im Rahmen des Projektes interne Trainings an.

Kompromissloser Abbau von Vorurteilen

Ein Thema, bei dem die Projektleiterin keine Kompromisse eingeht. Nachdem das Feedback zu den Veranstaltungen ergeben hat, dass Kollegen die Aufbereitung der Inhalte als zu akademisch empfanden, läuft derzeit die Suche nach zielgruppengerechten Alternativen. Reuchlen stellt klar: „Wir brauchen Formate, bei denen wir alle mitnehmen.“

Zum Projektauftakt im April dieses Jahres gehörten zudem Workshops, in denen Kolleginnen und Kollegen verschiedenen Alters gemeinsam über ihre spezifischen Wünsche sprachen. Sie sollten das gegenseitige Verständnis fördern und dem Unternehmen zugleich helfen, seine Mitarbeiter besser kennenzulernen. Ein Ergebnis: Ältere Beschäftigte sind bereit, viel zu arbeiten, erwarten im Gegenzug aber Anerkennung etwa in Form von Lob. Ein Kontrast zur jüngeren Generation Y, für die Work-Life-Balance im Vordergrund steht. „Wissen, das für Führungskräfte eine große Bedeutung besitzt“, erklärt Reuchlen.

Letztlich soll das Ikea-Projekt helfen, die Bedürfnisse Beschäftigter in allen Phasen des Arbeitslebens besser zu erfüllen, um sie an den Möbelriesen zu binden. Ein möglichst breiter Altersmix in der Belegschaft hilft nämlich nicht nur gegen den Fachkräftemangel: Unter passenden Rahmenbedingungen erzielten altersdiverse Teams bessere Ergebnisse als solche mit homogener Altersstruktur, berichtet Reuchlen. 

Schlagworte: Mitarbeiter, Fachkräftemangel, Ikea Deutschland

Kommentare

Ihr Kommentar