In seiner Jugend ergeht es Patrick Zahn wie so vielen Teenagern seit Anbeginn der Schulzeit: „Ich habe mich für die schönen Dinge des Lebens mehr interessiert als für den Unterricht.“ Statt sich aufs Abitur zu konzentrieren, lässt er sich ablenken, von Feldhockey, Fußball, womöglich auch von hübschen Mädchen. „Ich war nicht der beste Schüler, um es vorsichtig zu formulieren.“
Zahn wird in Südafrika geboren, wo sein Vater eine Zeitlang arbeitet. Die Eltern lassen sich scheiden, im Alter von drei Jahren zieht er 1979 mit seiner Mutter nach Köln. Der Junge weiß nicht recht, was er mit seinem Leben anfangen möchte, als er sein mittelmäßiges Abitur schließlich in der Tasche hat. „Meine Eltern haben mich dann dazu gedrängt, eine kaufmännische Ausbildung zu beginnen“, erinnert sich Zahn. Die Erfahrung entpuppt sich für ihn als weniger dröge denn befürchtet. „Ich bin in dieser Zeit reifer geworden, menschlich gewachsen. Und mir wurde bewusst, dass ich etwas erreichen möchte in meinem Leben.“
Raus in die Welt
Zahn will die Karriereleiter erklimmen, auch wenn ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz klar ist, wohin die führen soll. Er weiß: „Ein Studium ist ein Türöffner. Das ist zwar schade, aber wahr. Später, bei meinen beruflichen Stationen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass nur die Leistung zählt, um weiterzukommen.“ Er entscheidet sich für ein BWL-Studium und wählt dafür eine Fachhochschule, weil dort der Praxisbezug zu den Lerninhalten größer ist.
„In den Semesterferien habe ich immer Praktika gemacht, um mich in verschiedenen Bereichen umzuschauen“, blickt Zahn zurück. Ein Praktikum bei John Deere in Mannheim etwa erschließt ihm die Welt der Landmaschinentechnik, der amerikanische Hersteller ermöglicht Zahn gar eine Stippvisite in die USA. „Es war eine interessante Erfahrung, auch wenn sie mit der Erkenntnis schloss, dass mir die Branche zu technisch ist.“ Wie wär’s mit Marketing? Zwei weitere Praktika führen Zahn nach Madrid, wo das französische Außenwerbungsunternehmen JCDecaux seine Spanien-Zentrale unterhält. Das Thema Stadtmöblierung vermag seine Aufmerksamkeit ebenfalls nicht dauerhaft zu binden, doch fürs Leben lernt er Spanisch.
Zahn, das ist eine Konstante in seinem Werdegang, zieht es hinaus in die Welt. Sein Vater lebt mittlerweile in Brasilien, darum bewirbt sich der Student bei Hugo Boss do Brasil, der Landesgesellschaft der Marke mit Sitz in São Paolo. „Bei Boss habe ich dann auch meine Diplomarbeit als Betriebswirt über das Kundenbeziehungsmanagement bei Unternehmen des Bekleidungsfachhandels geschrieben.“ Er arbeitet in der Vertriebssteuerung und als Assistent der Geschäftsführung, die ihm tiefe Einblicke in das Räderwerk der Branche gewährt. Wie nebenbei lernt Zahn Portugiesisch. „Das war eine tolle Zeit.“
Auf der harten Aldi-Schule
Knapp zwei Jahre bleibt er in Brasilien, dann möchte der Kosmopolit zurück in die Heimat. „Ich würde mich als Kölschen Jung bezeichnen“, sagt der Fan des Effzeh. Anfang der 2000er-Jahre ist der deutsche Arbeitsmarkt jedoch weit angespannter als heute, erinnert sich Zahn. „Vor der Agenda 2010 konnte man sich die Jobs nicht gerade aussuchen und viele Bewerber mussten mit zahlreichen Absagen umgehen.“ Doch der frischgebackene Absolvent lässt sich nicht entmutigen und zeigt sich flexibel: Statt in der Modebranche findet er schließlich eine Stelle bei Aldi Nord. Aldi hatte damals die Entscheidung getroffen, im Zuge der Internationalisierung Landesgesellschaften in Spanien und Portugal aufzubauen.
„Bei der Bewerbung kamen mir meine Sprachfähigkeiten zugute“, erzählt Zahn. Ihn reizte die neuerliche Auslandserfahrung bei Aldi in Spanien und die Unternehmenskultur des Discounters, jungen Talenten früh Verantwortung anzuvertrauen. „Ich wollte Entscheidungen treffen und war entschlossen, die nächsten Sprossen auf der Karriereleiter zu nehmen.“
Dafür durchläuft Zahn bei Aldi Nord die harte Discounterschule. In der Anfangsphase lernt er innerhalb von sechs Wochen die Abläufe in und um eine Filiale kennen. Er sitzt auch an der Kasse und muss Hunderte sogenannte PLU-Nummern auswendig lernen, denn Barcodescanner sind im Jahr 2003 noch nicht üblich. Danach leitet er als Verkaufsstellenverwalter eine kleine Filiale, anschließend eine größere. Im nächsten Schritt wird er Bezirksleiter, wird mit einem Dienstwagen belohnt und muss den Überblick über die Kennzahlen von zehn Märkten mit insgesamt fast hundert Mitarbeitern behalten. Das Erfolgsrezept der Discounter, das sich in der konsequenten Umsetzungsqualität hocheffizienter Standards ausdrückt, beeindruckt Zahn nachdrücklich. „Diese Erfahrung stählt fürs Leben.“
Ein Jahr später darf er für Aldi nach Spanien ziehen, in die „Traumstadt“ Sevilla, schwärmt Zahn. Beim Aufbau der Landesgesellschaften Spanien und Portugal lernt er auch die Nachteile eines hochstandardisierten Discounterkorsetts kennen. „Deutsche Sortimente und auch die deutsche Denke lassen sich nicht eins zu eins auf Auslandsgesellschaften übertragen“, sagt Zahn. „Das musste Aldi dort ein Stück weit lernen und das war auch für mich eine wichtige Erkenntnis auf meinem weiteren Karriereweg. Ich glaube, ein internationales Handelsunternehmen muss innerhalb seines Systems die Luft zum Atmen schaffen, die eine Auslandsgesellschaft für den Erfolg braucht.“
Nach zwei Jahren in Spanien wirbt Plus das aufstrebende Managertalent ab. Zahn wird Assistent des Vorstandsvorsitzenden der zu dieser Zeit stark ins Ausland expandierenden Supermarktkette mit Sitz in Mülheim an der Ruhr. „Damit war ich gewissermaßen an der Schaltstelle der Macht angesiedelt. Diese Position würde ich rückblickend als Karrierebooster beschreiben.“ Als die Tengelmann KG entscheidet, ihre Tochter Plus an die Edeka-Tochter Netto zu verkaufen, wird Zahn gefragt, ober er sich vorstellen könne, zum Schwesterunternehmen KiK zu wechseln. Der Textildiscounter war gerade im Begriff, sich neue Auslandsmärkte zu erobern. Mit seiner Erfahrung treibt Zahn die Internationalisierung erfolgreich voran – und wird 2016, mit gerade 39 Jahren, CEO. Im vergangenen Sommer eröffnete KiK übrigens seine ersten Filialen in Spanien und Portugal, so schließt sich ein Kreis.
„Der Einzelhandel ist extrem durchlässig bei der Karriere“, betont Zahn. „Akademische Meriten oder gute Schulnoten sind nicht vonnöten, um es in der Branche sehr weit zu bringen. Fleiß und die Offenheit für neue Erfahrungen und Ziele sind entscheidend.“ CEO Zahn sieht sich auch noch nicht angekommen – sein nächstes Ziel: „Ich möchte KiK zu einer Weltmarke entwickeln.“
Das Unternehmen
Die KiK Textilien und Non-Food GmbH mit Sitz im westfälischen Bönen wurde im Jahr 1994 von dem Unternehmer Stefan Heinig zusammen mit der Unternehmensgruppe Tengelmann gegründet. Das Akronym KiK steht für „Kunde ist König“. Der führende Textildiscounter betreibt rund 2 700 Filialen in Deutschland sowie etwa 13 000 weitere in 13 europäischen Ländern und beschäftigt insgesamt rund 29 000 Mitarbeiter. Hunderte junge Menschen beginnen Jahr für Jahr bei KiK eine Ausbildung in einem von insgesamt elf Ausbildungsberufen. Über ihre Erfahrungen berichten hier einige der Azubis im „Azubiblog“.
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