Liquiditätsplanung

Stets flüssig bleiben

Der Shutdown zwingt Einzelhändler zur Liquiditäts­sicherung. Grundlage muss eine valide Vorausschau der Zahlungsbewegungen in den nächsten Monaten sein – auch als Insolvenzschutz. Wie Sie in unsicheren Zeiten professionell planen.

Von Eva Neuthinger 26.01.2021

© Getty Images, Yulia Reznikov

Vom Shutdown betroffene Händler sind jetzt besonders gefordert. Viele haben Probleme, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Der zweite Lockdown hat Georg Amling „nicht unvorbereitet getroffen“, wie er sagt. Der Unternehmer in Bad Dürkheim führt fünf Textilfachgeschäfte im gehobenen Sortimentsbereich. „Wir haben die Situation bereits im Sommer analysiert, entsprechend zurückhaltend orderten wir nur rund 70 Prozent der üblichen Winterware“, sagt Amling. Das verschafft ihm jetzt Luft, weil sich sein Lagerbestand in Grenzen hält. Seine Kunden konnten vor Weihnachten bei ihm noch per Click and Collect einkaufen, „womit wir allerdings nur einen Bruchteil vom avisierten Umsatz gerettet haben“, erklärt Amling. Nun spekuliert der Unternehmer darauf, liegen gebliebene Ware im neuen Jahr mit erträglichen Abschlägen noch verkaufen zu können.

Vorausschauend hat er sich auch über seine Liquiditätssicherung Gedanken gemacht. Im Frühjahr nahm er einen KfW-Kredit auf. Im Sommer leistete er private Einlagen. „Jetzt im Winter verhandeln wir mit unseren Vermietern, um die Verträge der aktuellen Lage anzupassen“, so Amling. Außerdem behält er seine Zahlungsbewegungen bewusst im Blick.

Banken erwarten Anstieg von Insolvenzen

Ein solches Verhalten dient dem Insolvenzschutz. Schließlich sind vom Shutdown betroffene Händler jetzt besonders gefordert. Viele haben Probleme, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Zwar wurde die Insolvenzantragspflicht Mitte Dezember noch in letzter Minute über Neujahr hinaus ausgesetzt, weil versprochene staatliche Hilfen wegen technischer Probleme nicht schnell genug gezahlt wurden. Dennoch stehen Händler diverser Branchen unter Druck. „Der stationäre Handel wird negativ von der Coronakrise beeinflusst, weil auch aufgrund der Frequenzrückgänge in den Innenstädten und der abgesagten Weihnachtsmärkte die Umsätze stark eingebrochen sind“, sagt Michael Reimann, Leiter des Branchen- und Wettbewerbsmonitorings des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in Berlin.

Entsprechend haben sich nach der letzten Bankenumfrage der Auskunftei Creditreform die Kreditinstitute als Gläubiger auf steigende Insolvenzzahlen eingestellt. Für Unternehmer bedeutet das: Sie agieren vorsichtig. „Die Firmenkundenbetreuer gehen nicht zwingend davon aus, dass bisher erfolgreiche Unternehmen dies auch künftig bleiben“, erklärt Johannes Müller, Vorstandsmitglied des Fachverbands Finanzierung und Geschäftsführer der Johannes Müller Wirtschaftsberatung in Bünde. Deshalb sollten sich Händler vorbereiten – zum Beispiel, indem sie ihre Liquiditätssituation kritisch prüfen und planen.

Auf Cashflow-Management setzen

Dabei wird eine Vorausschau der Liquidität im einfachsten Fall klassisch auf Papier gefragt sein. „In der Regel dürfte auch von kleinen und mittleren Unternehmen zumindest eine Übersicht per Excel-Tabellen zu erwarten sein“, sagt Müller. Er rät dazu, zwei Varianten zu erstellen – unter der Annahme einer besseren und einer schlechteren Entwicklung (siehe Interview unten).

Eine Software, die Zahlungsein- und -ausgänge automatisch abbildet, kann unterstützen. Diverse Anbieter haben Liquiditätsplanungen von drei Monaten oder mehreren Jahren im Programm – teilweise ausgerichtet auf kleine und mittlere Unternehmen.

Im Oktober 2019 ist zum Beispiel das Softwarehaus Agicap in den deutschen Markt eingestiegen. Agicap ist mit der Software des Kundenunternehmens – also zum Beispiel dem Rechnungstool und der Buchhaltung – sowie mit der Hausbank verbunden. „Zum einen spart der Unternehmer gegenüber der Planung anhand von Excel-Tabellen viel Zeit, da die Planung automatisch läuft. Überdies sinkt das Fehlerpotenzial, wenn Tabellen nicht mehr händisch aktualisiert werden müssen“, wirbt Clément Mauguet, Mitgründer und Co-CEO des IT-Spezialisten.

Noch wichtiger: Unternehmer können mehrere Cashflow-Szenarien erstellen. „Gerade während der Pandemie stehen die liquiden Mittel im Mittelpunkt jeder unternehmerischen Entscheidung. Daher ist es wichtig, hier frühzeitig Risiken zu erkennen“, erklärt Clément Mauguet. Dies gilt insbesondere, da die Banken in den kommenden Monaten bei Kreditanträgen noch mehr Unterlagen einfordern werden als bisher: Sie wollen sich absichern, wenn Kreditausfälle und Wertberichtigungen im Frühjahr steigen.

Insolvenzantragspflicht verschoben

Die Bundesregierung hat Lockerungen zum Insolvenzantrag bis ins neue Jahr verlängert. Was Händler beachten müssen.

Die Regel: Innerhalb von drei Wochen muss ein Unternehmen Insolvenz anmelden, wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen. Diese Maßgabe wurde für von der Pandemie betroffene Firmen ausgesetzt – und zuletzt verlängert bis mindestens Ende Januar 2021.

Die Voraussetzung: Die Firmen haben zwischen Anfang November und Ende Dezember einen Antrag auf staatliche Hilfsgelder gestellt. Alternativ sind sie dazu berechtigt, die Antragstellung war aber nicht möglich.

Prognose: Betroffene Unternehmen müssen für die nächsten vier statt sonst zwölf Monate eine positive Prognose respektive Finanzierung aufweisen.

„Konzepte auf die Probe stellen“

Johannes Müller ist Finanzierungsberater in Bünde und Mitglied des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU). Er empfiehlt Einzelhändlern, bei der Unternehmens- und Liquiditätsplanung zwei Szenarien durchzuspielen.

Stationäre Einzelhändler haben ein schweres Jahr hinter sich. Wie müssen sie nun reagieren, um nicht zum Insolvenz- oder Sanierungsfall zu werden?

Sie sollten ihr Geschäftskonzept auf die Probe stellen und gegebenenfalls Anpassungen einleiten. Gefragt wird eine Vorausschau der Liquidität und der Renta­bilität sein, der Bilanzentwicklung und insbesondere des Eigenkapitals. Der Unternehmer entwirft ein Modell für eine optimistischere sowie für eine pessimistische Entwicklung. Darauf aufbauend ermittelt er mögliche Gegenmaßnahmen.

Wie sichern die Unternehmen im Worst-Case-Szenario ihre Liquidität?

Die Banken entscheiden momentan bei Kreditanträgen restriktiver. Das gilt sogar bei Darlehen mit Haftungsfreistellungen. Im Zweifel sind immer Sicherheiten aus dem privaten Bereich gefragt. Unternehmer sollten sich darauf einstellen. Vielleicht ist auch eine weitere Verlängerung von Lieferantenkrediten möglich. Zusätzlich sollten sie sich fragen, ob es sinnvoll ist, weiteres Kapital in das Geschäft zu investieren. Bei der Bewertung von Chancen und Risiken helfen erfahrene Krisenberater.

Welche internen Maßnahmen können Einzelhändler einleiten?

Zur Zeit des Lockdowns verschieben sich erwartete Geldeingänge oder fallen aus. Einzelhändler sollten daher ihre Liquiditätsplanung rollierend anpassen und auch an fällige Versicherungsleistungen oder andere automatische Abbuchungen, wie Zins- und Tilgungsbelastungen sowie Leasingraten, denken. Ungenehmigte Überziehungen der Kreditlinien sind zu vermeiden.

Schlagworte: Coronakrise, Coronavirus, Lockdown, Liquidität

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