Das Unternehmen „Voischee“ (bayrisch für „voll schön“) ist erst wenige Monate am Start, als an einem Vormittag plötzlich zwei Finanzbeamte im Geschäft stehen. „Sie gaben an, die Kasse kontrollieren zu wollen“, erinnert sich Firmenchefin Lisa Eichner. Sie führt in Erding bei München einen Concept Store mit rund 100 Quadratmetern Geschäftsfläche.
„Unser Sortiment umfasst überwiegend skandinavische Einrichtungen, Geschenkideen und Lifestyleprodukte. Außerdem betreiben wir eine kleine Kaffeebar mit frisch gebrühten Heißgetränken“, erläutert Eichner ihr Geschäftskonzept. Die Kontrolleure zeigen ihre Ausweise und erklären, was genau sie vorhaben. „Sie fragten auch, ob ich meinen Steuerberater hinzuziehen wolle“, sagt die Jungunternehmerin.
Darauf verzichtet sie – und die Kassennachschau beginnt. Zuerst erfolgt ein Kassensturz. Die Männer prüfen also, ob der gezählte Istbestand mit dem Sollbestand übereinstimmt. Dann checken sie die Z-Bons. Sie dienen dazu, die vollständigen Tageseinnahmen in Summe ins Kassenbuch zu übertragen, anstatt jede Buchung einzeln zu vermerken. „Sie wollten wissen, ob wir tatsächlich täglich unseren Pflichten nachkommen und die Kassenführung sauber abwickeln“, erläutert Eichner.
Nach einer halben Stunde verlassen die Fiskaldiener das Geschäft. „Sie waren sehr freundlich und wollten den Geschäftsablauf nicht stören. Aber da keiner meiner beiden Mitarbeiter im Geschäft war, konnte ich mich kaum um die Kunden kümmern. Das war schon etwas ungünstig“, ärgert sich Eichner. Ansonsten aber verlief die Kassennachschau reibungslos: Wenige Tage später erhält sie den Bescheid, dass alles in Ordnung war.
Seit ziemlich genau vier Jahren dürfen Finanzbeamte unangemeldet eine Kassennachschau durchführen. Die Prüfer verschaffen sich Einblick in die Kassenbücher, in die elektronischen Kassendaten, die Dokumentationen. „Die Unternehmer dürfen sich nicht verweigern, sondern müssen das an Ort und Stelle zulassen“, erklärt Monika Huber, Steuerberaterin der Kanzleigruppe Ecovis in Erding. Sie betreut auch Einzelhändlerin Eichner.
„Unternehmer dürfen sich nicht verweigern, sondern müssen die Nachschau an Ort und Stelle zulassen.“
Monika Huber, Steuerberaterin der Kanzleigruppe Ecovis
Kassenpersonal vorab instruieren
Aus Erfahrung weiß Huber: „In Bayern sind die Finanzämter recht aktiv. Einzelhändler jeder Branche sind von Kassennachschauen betroffen“, so Huber. In anderen Bundesländern, wie etwa Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen und Sachsen-Anhalt, sieht es ähnlich aus. „Die Finanzämter haben ihre Mitarbeiter geschult. Seither sind sie häufig unterwegs“, weiß Huber. Unternehmer sollten sich daher rechtzeitig informieren, was auf sie zukommen kann – um spontan richtig reagieren zu können.
Morgens und abends kurz vor Geschäftsschluss dürfte das Risiko am größten sein. Zu diesen Zeiten kommen die Finanzbeamten am liebsten, denn mitten am Tag ist eine Kassenprüfung aufwendiger. „Der Einzelhändler darf in der Regel seinen Steuerberater ins Boot holen. Die Beamten warten zumindest ein paar Minuten, bis er dazu kommt“, erklärt Huber. Das muss aber nicht unbedingt sein. Sind die Mitarbeiter allein, sollten sie umgehend den Chef anrufen, rät die Steuerexpertin. „Wichtig ist es, das Kassenpersonal im Vorfeld zu instruieren und zu schulen, wie sie sich im Fall des Falles verhalten sollen.“ Dazu zählt auch, sich vor Betrügern in Acht zu nehmen: In Brandenburg gaben sich zwei Kriminelle gegenüber einem Unternehmer als Finanzbeamte aus und wollten die Kassennachschau durchführen. Das Finanzministerium weist deshalb darauf hin, dass die Prüfer stets eine vom Vorgesetzten unterschriebene Prüfungsmitteilung vorzeigen und einen Dienstausweis parat haben.
Prüfer tarnen sich als Kunden
„Wir wissen auch, dass die Mitarbeiter des Finanzamts manchmal zunächst als normale Kunden im Geschäft einkaufen, rausgehen und zeitnah wieder hereinkommen. Sie weisen sich erst dann aus und kontrollieren, ob der eben getätigte Bon registriert wurde“, berichtet Huber. Sind die Kontrolleure echt, kann sich der Unternehmer nicht gegen die Prüfung wehren: Eine Terminverschiebung ist bei der Kassennachschau nicht vorgesehen.
Die Betriebsprüfer sehen sich die Kassenführung vollständig an. „Es muss sichergestellt sein, dass nichts manipuliert wurde und die Kassendaten sauber in der EDV verarbeitet werden“, erklärt Dirk Hubl, Steuerberater und Partner der Kanzlei Hubl & Partner in Alfter bei Bonn. Dazu verschaffen sich die Beamten Zugriff auf die elektronischen Daten des Kassensystems. „Sie nehmen sich entweder die Kassenberichte sowie die Kassenbuchführung vom Vortag oder die täglichen Kassenaufzeichnungen vor“, weiß Hubl.
Nach seiner Erfahrung wollen die Prüfer zudem eine genaue Gebrauchsanweisung der Kasse sehen – mit allen technischen und formalen Details. Das beinhaltet etwa auch Programmier-anleitungen, Datenerfassungsprotokolle, Programmänderungen sowie Anweisungen zum Umgang mit der Kasse. „Liegen diese Unterlagen nicht vor, darf der Prüfer umstandslos zu einer regulären Betriebsprüfung übergehen“, warnt Hubl. Einzelhändlerin Eichner fühlt sich bei ihrer Überprüfung gewappnet, alle geforderten Unterlagen liegen griffbereit vor: „Mit meiner Steuerberaterin hatte ich schon bei der Unternehmensgründung alles besprochen.“ Den Termin nimmt sie entsprechend gelassen.
Perfekt vorbereitet
Im Umgang mit Prüfern vom Finanzamt gilt es für Einzelhändler, diese zehn Hinweise und Regeln zur Kassennachschau unbedingt zu beachten:
1. Eine Kassennachschau bezieht sich auf elektronische oder computergestützte Kassensysteme sowie auf Registrierkassen, App-Systeme, Waagen mit Registrierkassenfunktion oder auch offene Ladenkassen.
2. Die Prüfer dürfen die Geschäftsräume betreten, sie dürfen diese aber nicht durchsuchen.
3. Die Kassennachschau passiert ohne vorherige Ankündigung, in der Regel innerhalb der Ladenöffnungszeiten. Sie kann aber auch außerhalb der offiziellen Geschäftszeiten erfolgen, wenn in der Firma noch oder schon gearbeitet wird.
4. Die Beamten sollten nicht allein gelassen werden. Der Unternehmer oder einer seiner Mitarbeiter sollten vielmehr für Fragen und Erläuterungen verfügbar sein. Das ist wichtig, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.
5. Der Unternehmer sollte sich genau erklären lassen, was die Prüfer vorhaben.
6. Erläuterungen und Erklärungen sollten Firmenchefs aber nur auf konkrete Fragen geben. Ebenso besteht kein Anlass, in mehr Unterlagen Einsicht zu geben, als gefordert wird.
7. Am besten notieren sich Einzelhändler, welche Angaben sie gegenüber den Mitarbeitern des Fiskus gemacht haben. Gleiches gilt, wenn Unterlagen oder Daten mitgegeben werden.
8. Da der Chef auch einmal krank oder im Urlaub sein kann, sollte ein Mitarbeiter bestimmt werden, der als Ansprechpartner für die Kollegen wie auch für die Finanzbeamten fungiert. Alle anderen im Team sagen besser nichts, sondern leiten sämtliche Anfragen an ihn weiter.
9. Kunden sollten durch die Prüfung nicht gestört oder irritiert werden. Im Zweifel kann der Firmenchef darauf hinweisen, wenn im vollen Laden beispielsweise ein Kassensturz erfolgen soll. Grundsätzlich kann der Finanzbeamte das Geschäft sogar für die Zeit der Kassennachschau schließen, das sollte aber nicht das Ziel sein.
10. Die Nachschau läuft nicht willkürlich ab, sondern nach Standards. Diese regelt ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums, zu finden unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2018/08/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-5-Neues-BMF-Schreiben-zur-Kassen-Nachschau.html
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Finanzamt,
Steuern
Kommentare
Bei uns wurde bereits im September 2019 eine Kassennachschau durchgeführt. Die beiden Beamtinnen kamen so gegen 11 Uhr in den Laden und wollten die Kasse überprüfen. Es war eine Mitarbeiterin im Laden, die mich gleich telefonisch informierte. Auf den Hinweis, dass ich selbst in 30 Minuten vor Ort sein könnte, wurde nicht eingegangen.
So wurde sofort damit begonnen die Daten unserer Kassensoftware, welche wir bereits seit Jahren im Einsatz haben, auf einen USB-Stick zu überspielen. Allerdings vorerst ohne Erfolg, da die Damen die Daten auf unsere Sicherungsfestplatte kopierten!
Nach etwa einer halben Stunde war die „Nachschau“ dann beendet. Das Kassengeld war nicht überprüft worden. Eine vorhandene Bedienungsanleitung der Kassensoftware in gedruckter, sowie in digitaler Form war ohne Interesse. Mittels Fernsteuerung auf meinen Kassen-PC konnte ich beobachten, dass scheinbar aus Unkenntnis immer wieder „wie wild“ auf die Menüpunkte des Kassenprogramms geklickt wurde, obwohl die Schnittstelle klar und deutlich ersichtlich ist.
In der Zeit der „Kassennachschau“ konnte sich meine Mitarbeiterin nicht um Kunden kümmern. Diese beobachteten die Angelegenheit in sicherer Entfernung und verließen wieder den Laden. Dass gerade in einem kleineren Ort dann die Gerüchteküche brodelt, ist ohnehin klar!
Obwohl es bei unseren Kassendaten ganz sicher nichts auszusetzen gibt, wären angeblich Mängel festgestellt, und eine Außenprüfung angeordnet worden. Die Außenprüfung wurde dann im November in den Räumen meines Steuerberaters durchgeführt. Von angeblichen Mängeln an der Kassenführung wurde bei der Außenprüfung nichts berichtet.
Es wurden noch wenige Unterlagen vom Prüfer angefordert, welche nichts mit der Kasse selbst zu tun hatten. Diese waren sehr kurzfristig vorgelegt worden. Bis heute haben wir noch keine abschließende Beurteilung der Prüfung erhalten. (Dies nur nebenbei)
Ich persönlich halte es für indiskutabel, dass so eine „Kassennachschau“ im laufenden Betrieb stattfinden kann. Wären die Prüfer(innen) gleich zu Geschäftsbeginn oder kurz vor Geschäftsschluss eingetroffen, hätte es mit ziemlicher Sicherheit für uns weder Umsatzverluste, noch ein schlechtes Image auf Grund von Kundenbeobachtungen gegeben.
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