Personalpraxis

Alle für einen, einer für alle

Wie im Sport, so sollten auch in Firmen Spielregeln gelten. Denn Fairness ist mehr als ein Gefühl – sie schweißt ein Team zusammen.

Von Ruth Lemmer 06.01.2020

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Chef und Team sollten die Werte der Zusammenarbeit gemeinsam definieren.

Und Mütter zuerst: Wer mit Kitakindern lebt oder für schulpflichtigen Nachwuchs sorgt, hat auf den Urlaubskalender des Verkaufsteams das Recht des ersten Zugriffs. Kinderlose Kollegen gruppieren sich um die Elternwochen herum. Das mag nicht jedem gefallen, doch die Reihenfolge ist sachlich begründet und somit einsichtig. Anders sieht es aus, wenn der Liebling des Chefs immer den Vortritt erhält. Dann wird mehr oder weniger laut gemurrt. Und das zu Recht. Denn Bauchgefühl und Nasenprämien haben im fairen Umgang miteinander nichts zu suchen.

Dienstpläne und Gehalt, Urlaubsplanung und die Kaffeekasse sind die Klassiker unter den Themen, die anfällig sind für gefühlte oder tatsächliche Ungerechtigkeiten. Da kann das Team aus fünf oder 50 Verkäufern bestehen: Emotionale Rangeleien, beißende Konkurrenz und gemeines Getuschel drücken nicht allein auf die Stimmung, sondern auch – und da geht es an den Gewinn – auf die Leistung. Die gegenseitige Hilfsbereitschaft nimmt ab. Wenn dann auf einen Verkäufer zwei Kunden gleichzeitig einreden, gucken die Kollegen beschäftigt zur Seite, statt einzuspringen, oder sie verziehen sich gleich ins Lager. Und wenn das Preisschild an der Ware fehlt, läuft keiner schnell mal für die Kassiererin zum Regal. Das bleibt von Kunden nicht unbeobachtet.

Solche Nickeligkeiten wieder einzufangen, ist Aufgabe des Teamleiters. Der sollte zum einen in sich gehen und seine Rolle in dem unerquicklichen Spiel beleuchten: Entscheidet er auf der Basis von Fakten oder schüttelt er so manches aus dem Ärmel, weil die Zeit knapp ist und der Druck groß? Passen seine diversen Beschlüsse und Beurteilungen zusammen oder sind sie eher widersprüchlich, da stark von der eigenen Tagesform abhängig? Überdies sollten der Chef und das Team die Werte der Zusammenarbeit gemeinsam definieren: Anständiges Verhalten, eine gerechte und ehrliche Haltung sowie offene Debatten sind die sportlichen Spielregeln, die für alle gelten sollten. Reihum Kaffee kaufen, den Frühdienst schieben und die Spülmaschine füllen sind die praktischen Folgen. Man kann die Regeln an die Wand kleben. Vor allem aber muss die Einhaltung der Spielregeln eingefordert werden. Ein guter Vorsatz fürs neue Jahr – und über Silvester hinaus ein Erfolgsfaktor fürs Geschäft.

„Andere Sichtweisen mitdenken“

Wie es Führungskräften gelingen kann, faire Entscheidungen zu treffen, erklärt Veronika Hucke, Buchautorin und Inhaberin der Unternehmensberatung D&I Strategy and Solutions.

Wann treffen Menschen besonders oft ungerechte Entscheidungen?

Wenn sie erschöpft sind. Denn dann wird es zu anstrengend, unterschied­liche Perspektiven einzunehmen. Deshalb sollten Chefs Entscheidungen über komplizierte Sachverhalte verschieben und sich in Ruhe fragen, ob sie alle Informationen beisammen haben.

Aber wenn der Chef doch genau weiß, was richtig ist?

Das ist ein Glücksfall. Vor allem, wenn sein Team das auch so sieht. Doch oft ist eine Sache nicht so klar, weil verschiedene Erwartungen bestehen. Erfolgreicher ist, wer unterschiedliche Menschen zu Wort kommen lässt, zuhört und dann entscheidet. Denn andere Sichtweisen sind nicht bloß Meinungen, Dinge stellen sich aus ungleichen Blickwinkeln heraus tatsächlich anders da.

Trotzdem können Chefs nicht jeden harten Entschluss ausdiskutieren …

Nein, aber sie können immer fair bleiben. Eine Entlassung oder die Streichung des Weihnachtsgeldes müssen auf schlüssigen Kriterien basieren. Persönliche Sympathie und Bauchgefühl sind schlechte Ratgeber.

Schlagworte: Personal, Personalpraxis

Kommentare

  • Tomasz Gresicki

    Schöner, kurzweiliger Artikel, Frau Lemmer. Ich finde, dass Ihre Vorschläge eigentlich Grundvoraussetzung für einen vernünftigen Umgang miteinander sind und selbstverständlich sein sollten. Eigentlich schade, dass man meistens wirklich jemanden braucht, der die Regeln aufschreibt und an sie erinnert...
    Antworten
    14.01.2020, 11:16 Uhr
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