Testfahrt

Eleganter Beau mit Alltagsmängeln

Die größte Stärke des Peugeot 508 SW ist zugleich seine größte Schwäche: das tolle Design. Es zwingt schon beim Einstieg zu einer tiefen Verbeugung. Auch sonst macht die PSA-Tochter bei dem Kombi vieles anders, aber leider nicht durchweg alles besser.

Von Frank Heide 12.11.2019

© Peugeot

Flott und sparsam unterwegs: Der Peugeot 508 SW ist ein Kombi mit vielen Talenten.

Die Zeiten, in denen ein Kombi nur praktisch sein musste, sind lange vorbei. Vor allem in der Mittelklasse herrscht ein harter Wettbewerb um die Favoriten viel fahrender Außendienstler, Familienväter, Freizeitsportler und Hundebesitzer. Dieser Kampf um die Kunden wird verstärkt über Leasingraten, Ausstattungspakete, Lifestyle-Accessoires und das Design ausgetragen.

Einen Hingucker besonderer Art schickt nun Peugeot mit dem 508 SW ins Rennen, einem Passat-Herausforderer à la française, wobei sein Namenskürzel für „Sportswagon“ steht. Und ja: Selten war eine Bezeichnung treffender als bei diesem Fünftürer, der so betont lang, flach und breit gestaltet daherkommt.

Schon im Stand sieht er mit nur 1,42 Metern Fahrzeughöhe und seinem eleganten Panoramaglasdach dynamischer aus als etliche Wettbewerber. Eine nette Spielerei sind LED-Rückleuchten, die hinter schwarz getöntem Kunststoff liegen und wild aufflackern, wenn man das Fahrzeug entriegelt. Nötig hat er das eigentlich nicht. Der 508 erntete in zwei Wochen Alltagstest auch ohne Leuchtreklame ständig bewundernde Blicke von Nachbarn, Bekannten und Kollegen.

Form vor Funktion

Zu der sportlich-eleganten Erscheinung passt die getestete GT-Ausstattung. Sie bietet Holzintarsien und schwarzes Leder, kombiniert mit Klavierlack, sowie gut konturierte AGR-Sitze. Allerdings komme ich mir als Fahrer darin etwas eingeengt vor; das Raumgefühl ist eher sportlich als großzügig.

Dazu passt das Peugeot-typische Cockpit. Die volldigitalen Instrumente liegen betont hoch, das sehr kleine, fast eckige Lenkrad recht tief. Das ist anders als bei allen anderen Herstellern und für viele Fahrer zunächst ungewohnt. Für mich hat es auf Anhieb perfekt gepasst, vor allem in Kombination mit einer niedrigen Sitzposition. Drehzahlmesser, Tacho und ein frei belegbarer Instrumentenplatz sind fast beliebig in verschiedenen Ansichten kombinierbar, was teilweise übertrieben verspielt wirkt. Andererseits funktioniert es sehr gut, sich die Routenführung direkt vor dem Lenkrad anzeigen zu lassen, ein Head-up-Display wird damit überflüssig.

Peugeot macht halt vieles anders, leider nicht immer besser. Diverse verborgene Ablagen in der Mittelkonsole – mit induktiver Smartphone-Ladeschale – erfordern die Fingerakrobatik eines Pianisten. Auch die großen Tasten vor dem zentralen Display erinnern an eine Klaviatur: Alles wirkt formschön und gediegen, die Bedienung aber ist bisweilen wenig intuitiv. Im Alltag habe ich zudem Haltegriffe vermisst, im ganzen Fahrzeug gibt es keinen einzigen. Das DAB-Radio verlor immer wieder die Sender, ohne nach Alternativfrequenzen zu suchen, die Bluetoothverbindung machte aus Streamingversuchen ein nerviges Musikstakkato. Und die TomTom-Navigation fiel vor allem mit ihrer verzögerten Darstellung auf.

Die größte Stärke des 508 ist auch seine größte Schwäche: das tolle Design. Es zwingt schon beim Einstieg zu einer tiefen Verbeugung, um der Kollision mit dem massiven Türrahmen zu entgehen. Beifahrerinnen sollten auf Hochsteckfrisuren verzichten. Auf den Vordersitzen zählt schon ab 1,80 Meter Körpergröße jeder Millimeter. Beinfreiheit ist hingegen reichlich vorhanden, allerdings nur vorn. Fondpassagiere sind im 508 SW auf die Gnade ihrer Vorderleute angewiesen.

Hinter den Rücksitzen ist die Welt dann wieder in Ordnung. Ordentliche 530 Liter passen standardmäßig ins Heck. Legt man die Rückbank per Knopfdruck vom Kofferraum aus um, ist Platz für 1 780 Liter, was im Wettbewerbsvergleich ein guter Wert ist.

Heides Testurteil

Einen schöneren Kombi als den 508 SW zu finden, halte ich zurzeit für unmöglich. Die flache, breite Form verbreitet pure Dynamik. Leider bewältigt der französische Beau nicht alle Alltagsaufgaben mit Bravour. Aber bewundernde Blicke sind ihm allemal sicher.

 

Sicheres und direktes Fahrgefühl

Ebenfalls gute Noten bekommt der Sportswagon in der gefahrenen Zwei-Liter-Turbodiesel-Variante für Motor, Getriebe und Fahrwerk. Im Alltag war der Wagen dank 177 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment schon bei niedriger Motordrehzahl stets souverän unterwegs. Mit einer Einschränkung: Wer ihn im Sportmodus auf Tempo 190 beschleunigt hat, der wird nicht glauben, dass der 508 die im Fahrzeugschein verbrieften 231 km/h jemals erreicht. Hier klaffen beim Diesel Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Am überraschend straffen Fahrwerk liegt es nicht. Auf der Autobahn erzeugt es zusammen mit dem langen Radstand von 2,79 Metern ein wunderbar sicheres und direktes Fahrgefühl.

Die Achtstufenautomatik verwaltet die Kraft des Vierzylinders absolut unauffällig und in verschiedenen Fahrmodi, von denen vor allem Komfort und Eco sofort überzeugen. Letzterer machte sich in sehr guten Verbrauchswerten bemerkbar. Der Hersteller nennt einen Wert von 4,7 Litern auf 100 Kilometer. Ich konnte den 508 SW trotz zwischenzeitig sportlicher Fahrt und langen Autobahnetappen immerhin problemlos mit Verbräuchen um die sechs Liter bewegen. Wem das nicht reicht, der wartet ab bis Mitte 2020: Dann hat Peugeot auch die Modellreihe 508 komplett hybridisiert.

Antrieb: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel, Frontantrieb mit Achtgang-Automatik

Leistung: 130 kW/177 PS

Beschleunigung: 0–100 km/h: 8,4 Sek., max. 231 km/h

CO2-Ausstoß: 124 g/km

Abgasnorm: Euro 6d-temp, Effizienzklasse A

Verbrauch: Herstellerangabe 4,7 l/100 km, Testverbrauch 5,8 l/100 km

Kofferraum: 530–1 780 Liter

Preis: ab 47.950 Euro

Schlagworte: Fuhrpark, Auto, Automobile

Kommentare

  • Ralph Gutschmidt

    Guter Test, kann ich nur bestätigen.

    Wirklich ein Beau. Aber das sind schon alle Vorteile. Einsteigen ist einfach eine Quälerei. Der Spurassistent funktioniert nur auf der Autobahn. Gelbe Linien von Baustellen erkennt er nicht und auf der Landstraße reißt er nur nach dem Zufallsprinzip am Lenkrad.

    Kurven und Verkehrszeichen erkennt er, aber kommt nicht auf die Idee, langsamer zu fahren.

    Zum Glück nur ein Mietwagen
    Antworten
    12.01.2021, 21:11 Uhr
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