Testfahrt

Powerhybrid mit veritablem Durst

Mit seinen beiden Elektromotoren kommt der Grandland X Hybrid 4 von Opel auf 300 PS, ist also eine echte Kraftmaschine. Doch da der Verbrauch bei sportlicher Fahrweise weit über den Herstellerangaben liegt, ist es mit seiner Umweltfreundlichkeit nicht allzu weit her.

Von Frank Heide 08.06.2020

© Opel

SUV mit Sprinterherz: Wer im neuen Grandland X Hybrid 4 aufs Gaspedal tritt, wird kräftig in den Sitz gedrückt. Die Zweifarb-Lackierung unterstreicht die dynamische Linien­führung. Fünf Personen können die rasante Fahrt genießen, ohne in Platznot zu geraten.

Die Zahlen der Zulassungsstatistik zeigen eine klare Entwicklung: Alternative Antriebe sind seit Monaten die Gewinner bei den Neuwagen. Vor allem Hybride, also Fahrzeuge mit Verbrenner plus E-Motor, profitieren davon, dass staatliche Förderung und steuerliche Vergünstigung in Deutschland ausgeweitet wurden. Bei den Karosserieformen sind nach wie vor SUV am beliebtesten.

Was liegt also näher, als beides zu verbinden? Opel macht das und bedient sich dabei kräftig im Regal der Konzernmutter PSA. Das Ergebnis heißt Grandland X Hybrid 4. Der Antrieb mit zwei zusätzlichen Elektromotoren und Allradantrieb stammt aus Citroën C5 Aircross und Peugeot 3008, der Opel steht außerdem auf der gleichen Plattform wie die beiden französischen Modelle.

Schneller als ein Golf GTI

Auf dem Papier wartet das erste Opel-Modell, das überhaupt als Plug-in-Hybrid angeboten wird, mit einigen überraschenden Zahlen auf: 300 Pferdestärken oder 221 kW Systemleistung bietet das Motorentrio, satte 520 Newtonmeter Drehmoment sorgen dafür, dass die Passagiere beim Beschleunigen in die Sitze gepresst werden, die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 235 km/h und der Normverbrauch soll bei nur 1,5 Litern Super pro 100 Kilometer liegen. So weit die Theorie. In der Praxis erfreut sich der Grandland-Tester vor der Überprüfung der Zahlen an einem modern, leicht athletisch geformten Fünftürer mit einer ganzen Palette an schicken Zweifarb-Lackierungen.

Mit 1,61 Metern Höhe und 2,10 Metern Breite streift der 4,48 Meter lange Mittelklasse-Opel die obere Grenze des Kompaktsegments, bietet im Gegenzug innen ein großzügiges Raumgefühl, ausreichend Platz für fünf Personen und mindestens 390 Liter Stauraum. Vor allem das klar gegliederte Cockpit mit großem Touch-Display bereitet Freude, weil fast alle Funktionen intuitiv zu bedienen sind und es in der getesteten Innovation-Ausstattung kaum Zubehörwünsche offenlässt.

Nach dem Praxistest muss ich jedoch einige der eindrucksvollen Zahlen und Leistungsversprechen geraderücken, insbesondere in Sachen reale Fahrleistungen und tatsächlicher Verbrauch. Die rein elektrische Reichweite des 13,2 kWh starken Akkus reicht für maximal 59 Kilometer; spätestens dann muss der 1,6-Liter-Turbobenziner ran. Und der 200-PS-Vierzylinder entwickelt aufgrund der 1,9 Tonnen Leergewicht veritablen Durst.

Die angegebenen Höchstwerte beim Sprint und bei der Spitzengeschwindigkeit erreicht der Plug-in-Grandland überdies nur, wenn beide Elektromotoren den Benziner voll unterstützen: mit 110 PS vorn und 113 PS hinten. Mit ökologisch einwandfreier Fortbewegung hat das dann zwar rein gar nichts mehr zu tun, andererseits ist das SUV beim Sprint von 0 auf 100 km/h zwei Zehntelsekunden schneller als ein VW Golf GTI VII. Die rein elektrische Höchstgeschwindigkeit ist aber zugunsten der Reichweite auf 135 km/h limitiert.

Schleichmodus für die letzte Meile

Abstriche macht der Plug-in-Käufer beim Grandland X für einen höheren Preis nicht nur beim höheren Gewicht: Der Laderaum sowie der Tank fallen aufgrund des Platzbedarfs für die moderne Technik zudem kleiner aus als beim reinen Verbrenner-Grandland. Absolut tadellos, nämlich zeitgemäß und ohne jegliche negativen Auffälligkeiten präsentiert sich sowohl das Angebot an Sicherheits-, Konnektivitäts- und Komfortfeatures als auch das Ladeverhalten an der heimischen Steckdose respektive der Schnellladesäule.

Was bleibt vom Alltagstest in Erinnerung? Der Sitzkomfort auf der optionalen AGR-Bestuhlung ist absolute Spitze. Wer hier keine ermüdungsfreie Position findet, muss zum Orthopäden. Eine nette Idee der Entwickler ist zudem der einstellbare Schleichmodus für das Fahrtende: Über das große mittlere Display lässt sich eine individuelle Batteriereserve einstellen, etwa um die letzten Kilometer in der Stadt auf jeden Fall elektrisch zurücklegen zu können oder um lautlos ins ­(Home-)Office zu rollen.

Zwar betont Opel in der Werbung die Sportlichkeit des Grandland X. Für mich ist aber das entspannte Cruisen seine Paradedisziplin. Das passt am besten zum recht trocken abfedernden Fahrwerk des SUV, dass sich ebenso wie Getriebeabstimmung und Motorenleistung mittels vier verschiedener Fahrmodi ansteuern lässt. In Erinnerung bleibt aber auch, dass der Grandland nicht nur das kraftvollste, sondern aktuell auch das teuerste Opel-Modell ist. In der Vollausstattung Ultimate sind 53.830 Euro fällig – was preislich schon eher der Premium- als der Mittelklasse entspricht.

Günstigere Dienstwagenvariante

Möglicherweise kommt auch deshalb die als Dienstwagen besser geeignete Variante ebenfalls von Opel: Den Grandland X gibt es auch als kleineren Plug-in ohne elektrischen Allradantrieb und mit nur einem E-Motor statt zweien. Diese 224 PS starke Variante lässt sich ab 44.190 Euro erwerben. Mit einem Netto-Einstiegspreis unterhalb von 40.000 Euro qualifiziert sich dieser „kleine“ Grandland X Plug-in-Hybrid für den erhöhten Umweltbonus, der für Plug-in-Hybrid-Modelle 4.500 statt 3.000 Euro beträgt.

Heides Testurteil

Opels größtes SUV mit Ladekabel profitiert stark von französischer Unterstützung bei der Technik. Zwar braucht im Alltag wohl kaum jemand 300 PS und elektrischen Allradantrieb, aber der aktuell stärkste und teuerste Opel soll Kunden von Premiummarken ködern. Da ist es nur konsequent, dass der Grandland trotz Ladekabel und zwei E-Motoren auch kein Sparmobil in puncto Verbrauch ist.

Steckbrief

Antrieb: 1,6-Liter-Turbobenziner-Frontmotor mit 147 kW (200 PS), 2 Elektro­motoren mit 81 kW/110 PS (vorn) plus 83 kW/113 PS (hinten)

Leistung: 221 kW/300 PS

Beschleunigung: 0–100 km/h: 6,1 Sek.

Höchstgeschwindigkeit: 235 km/h (rein elektrisch: 135 km/h)

Normverbrauch: 1,5–1,6 Liter/100 Kilometer

elektrische Reichweite: 57–59 km (WLTP)

CO2-Ausstoß: 34–36 g/km

Preis: ab 51.165 Euro  (Ausstattung Innovation)

Schlagworte: Auto

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