Finanzierung

Engpässe überbrücken

Wer als Händler Ware bestellt, muss sofort zahlen. Doch erst wenn sie verkauft ist, fließt Geld zurück. Gerade bei langen Lieferzeiten und für Händler, die neu im Geschäft sind, kann die Zeit dazwischen schwierig sein. Das Fintech-Start-up Myos verspricht Abhilfe.

Von Jens Gräber 28.01.2020

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Der warenbasierte Kredit von Myos soll Einzelhändlern unter die Arme greifen.

Die Idee zur Gründung von Myos kommt Nikolaus Hilgenfeldt, als ein Freund von ihm einen Onlineshop aufbaut. „Er machte das ohne Investoren, die Waren kommen aus Fernost, also sind die Lieferzeiten recht lang“, so Hilgenfeldt. Das Problem: Solange die Ware nicht verkauft ist, fehlt das investierte Geld. Der Shopbetreiber geht zu seiner Hausbank, aber die gibt ihm keinen Kredit. Bei einer anderen Bank bekommt er schließlich einen, aber auch das nur unter Schwierigkeiten. Kein Wunder, schließlich ist das Geschäft gerade erst im Aufbau.

Selbst wenn es klappt: Ein klassischer Kredit ist unflexibel, starre monatliche Raten sind für die Rückzahlung üblich. „Das wird im volatilen Handelsgeschäft schnell zum Problem. Stell dir vor, du verkaufst Regenschirme – und dann schlägt das Wetter um“, sagt Hilgenfeldt. Er und seine Mitgründer Frane Bandov und Benjamin Schickert überlegen also, wie sich die Warenfinanzierung flexibler gestalten lässt.

Das Ergebnis: ein warenbasierter Kredit mit einer Maximallaufzeit von neun Monaten. Die Beziehung des Händlers zum Lieferanten bleibt dabei unangetastet, weil Myos nicht als Zwischenhändler auftritt (siehe Kasten). Das Geld fließt an den Händler, ein Großteil der Produkte dient als Sicherheit. Wenn der Händler zusätzliche Ware auslösen will, zahlt er einen Teil des Kredites zurück. Verkauft er die Produkte schneller als erwartet, kann er den Kredit schneller zurückzahlen – ohne Extrakosten.

Algorithmus bewertet Ausfallrisiko

Wichtigstes Vorbild für das Myos-Konzept sei die Immobilienbranche, erklärt Hilgenfeldt. Wie beim Kauf eines Hauses oder einer Wohnung spielt das finanzierte Objekt, hier also die Ware, eine wesentlich größere Rolle als der Kreditnehmer. Ein Algorithmus – das eigentliche Herz des Start-ups – prüft auf Onlinemarktplätzen wie Ebay, Amazon und Alibaba, wie gut ein Produkt bewertet wird, wie es sich verkauft und wie das Marktumfeld aussieht. Daran orientieren sich die Konditionen, zu denen Myos den Kredit für den Einkauf der Ware gewährt. Kann der Kreditnehmer das Geld nicht zurückzahlen, verkauft Myos die Ware einfach selbst.

Eigene Banklizenz angestrebt

Für ein erstes Angebot muss der Händler nur wenige Angaben machen. „Wir müssen lediglich wissen, wie viel Ware er bestellen will und wiev iel davon er etwa pro Monat zu verkaufen plant“, erklärt Hilgenfeldt. Auf dieser Basis entscheidet das Unternehmen, wie viel Geld es gegen eine Einheit dieses Produktes verleihen kann. Als Faustregel gelte, dass ein Kredit in Höhe von 20 bis 30 Prozent des Bruttoverkaufswertes möglich sei. Erst wenn sich tatsächlich ein Geschäftsabschluss anbahnt, folgt eine einfache Bonitätsprüfung des Händlers selbst, etwa über die Schufa. Geschäftszahlen offenlegen muss er nicht.

Auch wenn der Wert der Produkte online geprüft wird, will Myos nicht nur den Einkauf reiner Onlinehändler finanzieren, sondern in Zukunft auch stationäre Händler. Voraussetzung: Die Produkte, um die es geht, müssen auf den genannten Marktplätzen zu finden sein. Wer sie dort anbietet, ist sekundär – jedenfalls muss es nicht der Händler selbst sein, der die Finanzierung anstrebt. Hilgenfeldt erklärt: „Wir können fast alle Waren finanzieren, die online angeboten werden. Alles, was wir brauchen, ist eine gewisse Markttransparenz, sodass unser Algorithmus die Risiken einschätzen kann.“

Ein paar grundsätzliche Einschränkungen allerdings gibt es: Verderbliche Güter, die nicht mindestens zwölf Monate haltbar sind, finanziert Myos nicht. Ebenfalls ausgeschlossen sind Elektronikprodukte mit kurzem Lebenszyklus, wie etwa Mobiltelefone. Warengruppen, die laut Hilgenfeldt gut gehen, sind Küche und Haushalt, Sport und Freizeit, Reisebedarf, Babybedarf, Beautyartikel.

Myos, benannt nach einem antiken Handelshafen im Roten Meer, hat seinen Betrieb Anfang März 2018 aufgenommen und beschäftigt derzeit rund 30 Mitarbeiter. Nach eigenen Angaben hat das Start-up bisher rund 200 Finanzierungen für etwa 100 Kunden abgeschlossen – mit einem Gesamtvolumen im mittleren achtstelligen Bereich. Große Kunden sind zum Beispiel die vegane Supermarktkette Veganz sowie Springlane, ein Onlineshop rund um das Thema Kochen. Marius Till Fritzsche, Gründer und CEO von Springlane, ist zufrieden mit der Zusammenarbeit: „Myos hat ein intelligentes Modell, den wirklichen Wert unserer Ware zu ermitteln, und dadurch das Risiko für alle Parteien zu optimieren.“

Das Start-up wartet nicht nur auf Kundenanfragen, sondern bietet auch von sich aus Händlern eine Finanzierung an, die geeignete Produkte verkaufen. Die Hälfte der Kunden ist laut Hilgenfeldt bisher auf diesem Weg gewonnen worden. Wächst die Kundenzahl weiter, will er eine Banklizenz beantragen. Bisher vergeben rein formell Partnerbanken wie die Deutsche Handelsbank die Kredite. Für eine Vollbanklizenz benötigt Myos allerdings unter anderem fünf Millionen Euro Eigenkapital. Hilgenfeldt ist optimistisch: „Das ist aus meiner Sicht in absehbarer Zukunft absolut vorstellbar.“ ●

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„Wir können fast alle Waren finanzieren, die online ange­boten werden. Alles, was wir brauchen, ist eine gewisse Markttransparenz.“

 

 

Nikolaus Hilgenfeldt, Geschäftsführer Myos

Gängige Finanzierungsmodelle für Händler

Kredit

Dieses klassische Instrument zur Finanzierung von Einkäufen oder anderen Ausgaben bieten unter anderem Banken an. Bei entsprechender Bonität zahlt die Bank das Darlehen an den Händler aus. Die Laufzeit ist fest vereinbart, eine frühere Rückzahlung kostet extra. Zahlt er nicht, haftet der Händler mit seinem Kapital.

Finetrading

Ein Zwischenhändler kauft die Ware, zahlt die Rechnung für den Wareneinkauf direkt an den Lieferanten und stellt seinerseits dem Händler eine Rechnung mit verlängertem Zahlungsziel – dafür verlangt er einen Aufschlag. Zahlt der Händler nicht, haftet er mit seinem Kapital.

Fördermittel

Der Staat unterstützt gerade junge Unternehmen bei der Expansion, etwa durch eine günstige Eigenkapitalerhöhung im Rahmen des ERP-Programmes. Die staatliche KfW-Bank zum Beispiel bietet Kredite mit tilgungsfreien Jahren, um so einen finanziellen Puffer zu ermöglichen. Auch Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, sind möglich

Schlagworte: Finanzierung, FinTech, Start-up

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