Mister Sermon, vor knapp zwei Jahren wurden Sie Chef von Ebay Deutschland und wohnen seither mit Ihrer Familie in Berlin. Wie nehmen Sie die Stadt wahr?
Ich habe mit meiner Familie schon an vielen Orten auf der ganzen Welt gewohnt. Zuletzt lebten wir für einige Jahre in Zürich, wo meine Kinder auf einer bilingualen Schule Deutsch gelernt haben. Deshalb beherrschen sie die Sprache viel besser als ich (lacht). Wir alle mögen die Stadt, Berlin ist großartig. Ich habe meine Zeit hier bislang sehr genossen. Und für Ebay ist Deutschland ein extrem wichtiger und zugleich auch besonderer Markt.
Inwiefern?
Mit einem jährlichen Umsatzpotenzial von mehr als 50 Milliarden Euro ist Deutschland der zweitgrößte E-Commerce-Markt in Europa und einer der wichtigsten Märkte für Ebay weltweit. Es ist einer der Märkte, auf den Ebay strategisch stark fokussiert. Das tun jedoch auch die Mitbewerber – der Markt ist sehr wettbewerbsintensiv. Gleichzeitig sind die deutschen Verbraucher besonders anspruchsvoll.
Zugleich gelten sie als ausgesprochene Schnäppchenjäger …
Einer der ersten Aussprüche, den ich hier gelernt habe, war: „Geiz ist geil!“ Und in der Tat: Einen guten Preis zu bekommen, ist für die deutschen Konsumenten wichtiger als für jene in anderen EU-Märkten, was erklärt, warum Preisvergleichsshopping hierzulande so relevant ist. Die Menschen lieben Plattformen wie Idealo. Für Händler ist es jedoch problematisch, allein über den Preis bestehen zu wollen. Außer auf Wettbewerbsfähigkeit beim Preis setzen wir ebenso auf ein qualitativ hochwertiges Shoppingerlebnis. Und wir investieren in unsere Marke, weil für die deutschen Verbraucher Vertrauen ein Schlüsselfaktor ist. Das hat sich als sehr effektiv erwiesen.
Welche wesentlichen E-Commerce-Trends werden die kommenden Jahre prägen?
Zwei Trends zeigen sich sehr klar: Erstens werden durch Angebote wie Ebay Plus und Amazon Prime die Erwartungen an den Lieferkomfort in Deutschland weiter rasant wachsen. Ebenso erwarten die Konsumenten im Sinne des Convenience Shopping eine zunehmend personalisierte Einkaufserfahrung sowie die Möglichkeit, bestimmte Produkte automatisiert nachbestellen zu können. Zweitens avanciert ein inspirierendes Kauferlebnis zu einem immer bedeutsameren Faktor. Die mobilen Zugriffe auf Shopping-Websites wachsen stärker als die Kaufabschlüsse auf diesem Kanal. Vor diesem Hintergrund werden die Anbieter immer stärker neue inspirierende Shopping-Apps in den Markt bringen, die beispielsweise mit Gamification-Elementen arbeiten, um Käufer an sich zu ziehen und zu binden. Einige solcher Anwendungen sind bereits live.
Axa, Flixbus, Idealo oder Thalia – Sie setzen vermehrt auf die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. Was erhoffen Sie sich von diesen strategischen Kooperationen?
Ich glaube sehr an die Stärke von Partnerschaften, die darauf abzielen, unsere Vision zu verwirklichen, das Einkaufserlebnis für unsere Kunden sowohl komfortabel als auch inspirierend zu gestalten. 2018 lag der Fokus unserer Partnerschaften auf dem Bereich Komfort – zum Beispiel mit Blick auf den neuen Service Ebay Fulfillment in Zusammenarbeit mit Fiege Logistik, Hermes und Plentymarkets. 2019 werden wir einen stärkeren Fokus auf Partnerschaften legen, die noch mehr Inspiration beim Einkaufen bieten.
Was treibt Sie an, gemeinsam mit Fiege nun auch Fulfillment-Services anzubieten?
Deutschland ist geprägt von einem starken Mittelstand und vielen kleinen Händlern – von denen zwei Drittel noch immer nicht online verkaufen. Mit Ebay Fulfillment möchten wir es mehr Unternehmen ermöglichen, diesen Schritt zu gehen, und zugleich Bestandshändlern helfen, noch schneller liefern zu können. 60 Prozent der Deutschen erwarten mittlerweile eine Lieferung innerhalb von zwei Tagen. Mit dem neuen Service ermöglichen wir es den Händlern zudem, die Standards unseres Ebay-Plus-Programms zu erreichen. Dieses ist ein zentraler Punkt in unserem Bestreben, für die Kunden ein noch komfortableres Einkaufserlebnis zu schaffen.
Bei 80 Prozent der bei Ebay verkauften Artikel handelt es sich mittlerweile um Neuware. Das entspricht dem strategischen Wunsch, das alte Flohmarktimage abzustreifen. Andererseits hat die zunehmende Händlerdurchdringung dazu geführt, dass Ebay nun in direktem Wettbewerb mit Amazon und zunehmend auch mit Alibaba steht. Fühlen Sie sich gerüstet?
Der Online-Shoppingmarkt ist sehr umkämpft. Aber es wird nicht den einen Gewinner über alle Zielgruppen hinweg geben. Weil sich diese beispielsweise je nach Alter, Interessen und Kaufkraft unterscheiden, trägt der Markt locker mehrere Wettbewerber. Wir haben uns entschieden, unser Angebot stärker entsprechend unterschiedlichen Zielgruppen zu differenzieren. Für jüngere, preisorientiertere Verbraucher, die gerne browsen, haben wir die Off-Ebay-Plattform Catch gestartet. Unser Ebay-Plus-Programm hingegen zielt auf Kunden, die sich ein besonders komfortables Einkaufserlebnis wünschen. Doch wissen viele Verbraucher noch immer nicht, dass 80 Prozent der Produkte bei Ebay brandneu sind. Hier müssen wir noch mehr tun, um dies bekannt zu machen. Gleichzeitig möchte ich unsere Wurzeln im Verkauf von privat an privat nicht aus den Augen verlieren. Etwa 20 Prozent der Artikel bei Ebay sind nach wie vor Einzelstücke und Sammlerobjekte, die nirgendwo sonst zu finden sind und zur großen Breite des Ebay-Angebots beitragen.
Welche Vorteile sehen Sie für einen Händler, wenn er Ebay anstelle von Amazon als Plattform wählt?
Händler sollten sich immer bewusst sein, dass Ebay – anders als viele Wettbewerber – nicht selbst Verkäufer, sondern ein reiner Marktplatz ist, der Händler und Käufer zusammenbringt. Das bedeutet, dass wir niemals mit den Händlern auf unserer Plattform in Konkurrenz treten, sondern ausschließlich als Partner agieren. Gleichzeitig sind wir natürlich permanent bestrebt, den Verkäufern noch bessere Insights und Tools für den Verkauf bei Ebay an die Hand zu geben.
Ebay Kleinanzeigen hat Ebay mittlerweile bei der Anzahl der Visits überholt. Kannibalisieren sich Ihre Angebote?
In der Vergangenheit ähnelte die Beziehung zwischen Ebay.de und Ebay Kleinanzeigen manchmal der eines etablierten Champions zu seinem Herausforderer. Aber das hilft beiden Plattformen und auch dem Unternehmen nicht weiter. Wir unterhalten einen erfolgreichen nationalen Marktplatz und einen erfolgreichen lokalen Marktplatz. Zu einem bestimmten Prozentsatz überlappen sie sich. Doch gemeinsam belegen sie etwa 42 Prozent der Minuten, die deutsche Verbraucher beim Onlineshoppen verbringen. Daraus ergibt sich die wundervolle Möglichkeit, es den Nutzern ebenso einfach zu ermöglichen, Artikel zu kaufen, die fünf Kilometer entfernt sind, wie solche, die 5 000 Kilometer entfernt sind. Entsprechend zeigen wir den Nutzern bei Ebay Kleinanzeigen ausgewählte Angebote von
Ebay.de oder von Catch by Ebay. Außerdem bieten die datenbasierten Targeting-Möglichkeiten, die wir über die verschiedenen Plattformen hinweg anbieten können, Marken und Händlern die Chance, große Reichweiten zu erzielen.
Gleichwohl drängt der US-Investor Elliott zur Aufspaltung: Der Hedgefonds fordert Ebay auf, sich von Stubhub und der Ebay Classifieds Group zu trennen. Dazu zählen in Deutschland Ebay Kleinanzeigen und auch Mobile.de. 2014 setzte sich der Investor Carl Icahn durch, als er von Ebay die Abspaltung von Paypal forderte. Werden Sie sich doch stärker aufs Kerngeschäft fokussieren müssen?
Es ist im heutigen Markt nicht ungewöhnlich, dass ein Investor öffentlich zur Unternehmensstrategie Stellung nimmt. Unser Aufsichtsrat und unser globales Führungsteam stehen regelmäßig mit unseren Aktionären in Kontakt und schätzen deren Input. Sie werden die Vorschläge von Elliott sorgfältig prüfen und bewerten.
Douglas, Rossmann und dm forderten jüngst in einem Brief an die Bundesregierung stärkere Kontrollen der Onlineplattformen Ebay und Amazon, weil diese Artikel ausländischer Anbieter ohne Kontrolle an deutsche Kunden verkauften. Häufig handelt es sich um Plagiate, die nicht den Anforderungen der hiesigen Produktsicherheit entsprechen. Zudem entrichten viele der Anbieter keine Umsatzsteuer. Verstehen Sie den Ruf der Mitbewerber nach fairen Marktbedingungen?
Absolut. Deshalb arbeiten wir intensiv daran, gefälschte oder unzulässige Produkte aufzuspüren, und gehen jedem Hinweis nach. Doch bei 1,1 Milliarden verfügbarer Produkte ist die Kontrolle nicht immer einfach. Deshalb sind wir auch auf die Zusammenarbeit mit Behörden und Markenrechtinhabern angewiesen. Zum Thema Umsatzsteuer gibt es einen Beschluss der EU, der ab 2021 alle Marktplätze verpflichtet, die Umsatzsteuer einzubehalten. Die deutsche Regierung will schon in diesem Jahr eine gesetzliche Änderung einführen. Wir halten dieses Vorgehen für vollständig berechtigt, sind jedoch beunruhigt, was die geplante Durchführung angeht. Denn Beantragung und Ausgabe der entsprechenden Bescheinigungen sollen nicht zentral, sondern in den einzelnen Bundesländern und in Papierform geschehen – und das zwei Jahre, bevor ein europäisches Verfahren einsetzt, das darauf abzielt, dasselbe Problem zu lösen. Es werden Hunderttausende Händler sein, die 2019 diesen Prozess durchlaufen müssen, was einen großen Verwaltungsaufwand mit sich bringen wird. Wir würden es sehr begrüßen, wenn es ein digitales Verfahren hierfür geben würde – so wie es das deutsche Gesetz für einen späteren Zeitpunkt bereits vorsieht.
Mit Ebay City Velbert geht nun die dritte deutsche Stadt mithilfe von Ebay online. Warum sind nur so wenige Kommunen an diesem Kooperationsmodell interessiert?
Es gibt durchaus Interesse und wir haben neue Kooperationen in Großbritannien und den USA gestartet, die von den deutschen City-Projekten inspiriert wurden. Allerdings haben viele deutsche Städte und Kommunen tatsächlich noch nicht realisiert, dass der Verkauf über Marktplätze wie Ebay lokale Händler signifikant dabei unterstützen kann, ihr Offlinegeschäft zu ergänzen und aufrechtzuerhalten. Dabei sind deutsche Produkte im Ausland sehr gefragt. Doch nur etwa zehn Prozent der kleineren Händler nutzen die Chance, ihre Waren über Onlinekanäle wie Ebay zu exportieren. Mittlerweile lassen sich jedoch erste Veränderungen ausmanchen. Händler erkennen zunehmend die Notwendigkeit, sich breiter aufzustellen. Zugleich sind wir bestrebt, die Handhabung unserer Plattform immer bequemer zu gestalten, sodass kleine Anbieter so einfach wie möglich darüber verkaufen können.
Jüngst verkündete Ebay eine Zusammenarbeit mit dem niederländischen Payment Service Provider Adyen. Das heißt zum einen, dass Ihr früherer Partner Paypal sich ab 2020 auf dem Onlinemarktplatz als eine Zahlmethode unter vielen wird behaupten müssen. Zudem tritt Ebay künftig auf der Plattform selbst als Mittelsmann bei Zahlungen auf. Was versprechen Sie sich davon?
Unsere Pläne, die Abwicklung der Zahlungen auf der Ebay-Plattform selbst zu übernehmen, sind eine unserer wichtigsten strategischen Initiativen weltweit. Die Käufer werden dadurch eine größere Auswahl an Zahlungsoptionen haben. Verkäufer profitieren von einer einfacheren Preisstruktur und einer größeren Transparenz hinsichtlich ihrer Verkäufe und ihrer Zahlungen. Wir haben mit der Umstellung in den USA begonnen und werden unsere Kunden hierzulande informieren, sobald wir mehr Klarheit bezüglich der Umstellung in Deutschland haben.
Nach schwierigen Jahren überraschte Ebay jüngst mit guten Zahlen. So summierten sich die Einnahmen im dritten Quartal 2018 auf 2,6 Milliarden US-Dollar, was einem Plus von sechs Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum entspricht. Der Gewinn stieg um 38 Prozent auf 720 Millionen Dollar an. Welchen Anteil hatte Ebay Deutschland daran?
Wir veröffentlichen zwar keine länderspezifischen Zahlen, doch grundsätzlich ist das deutsche Geschäft wichtig für das Gesamtunternehmen. Wir sind der drittgrößte Markt und konnten in den vergangenen Monaten eine starke Beschleunigung bei der Akquirierung neuer Käufer verzeichnen. 2018 stieg das Wachstum im Vergleich zu 2017 um 16 Prozentpunkte. Dieser Zuwachs gelang zu einer Zeit, in der sich das Wachstum der Zahl der Onlinekäufer in Deutschland insgesamt verlangsamte – im Jahr 2018 auf etwa ein Prozent. Dies konnten wir unter anderem dadurch erzielen, dass wir an der Inventarverfügbarkeit und an Einkaufserlebnissen hart gearbeitet haben, die den Bedürfnissen unterschiedlicher Zielgruppen entsprechen, zum Beispiel denen der jüngeren Value Shopper.
Denken Sie über die Kooperation mit Thalia hinaus darüber nach, wie Amazon weitere mediale Inhalte anzubieten oder diese sogar selbst zu produzieren?
Wir sehen in ganz unterschiedlichen Richtungen Potenzial für Partnerschaften und sind an Kooperationen in verschiedenen Bereichen interessiert – inklusive solcher im Bereich digitaler Dienstleistungen. Aber wir haben keine Pläne, selbst Content zu produzieren.
Kommentare