Konnten Käufer bei dem bereits im Jahr 2011 entwickelten Gran Turismo noch zwischen verschiedenen Ausstattungen und Motorisierungen wählen, läuft der aktuelle Stinger („Stachel“) nun ausschließlich als Topversion GT mit Allradantrieb und Vollausstattung zum Preis von 56.440 Euro vom Band. Die kurze Liste der hinzubuchbaren Extras beinhaltet lediglich noch ein elektrisches Glas-Schiebedach sowie eine Sportabgasanlage
Herzstück des 4,83 Meter langen Viertürer-Coupés ist der 366 PS (269 kW) starke 3,3-Liter-V6-Twinturbo-Benzinmotor, der das Fahrzeug mit Allradantrieb und maximal 510 Newtonmetern Drehmoment in 5,4 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt. Und da es sich bei der Sportlimousine vom Ursprung her um einen Hecktriebler handelt, arbeitet der mit mechanischem Sperrdifferenzial ausgerüstete Allradantrieb eher heckbetont.
Natürlich ist man mit dem Stinger GT in allen Alltagssituationen souverän motorisiert. Gänzlich ohne Hybridtechnik unterwegs, muss man dem unzeitgemäß durstigen Gefährt aber im Durchschnitt stets mehr als zehn Liter Super je 100 Kilometer gönnen. Eine turbotypische Verzögerung in der Gasannahme war zu spüren, und ab Tempo 140 reißt die bis dahin gute Beschleunigung spürbar ab. In der Spitze sind aber 270 km/h möglich.
Stilvolles Reisen
Im tadellos verarbeiteten und hochwertig ausgestatteten Nappaleder-Innenraum des Testwagens sitzen die Insassen auf klimatisierten Komfort-Sportsitzen, die sehr gut zu justieren sind und die ohnehin herausragenden Langstrecken-Qualitäten des Kia unterstreichen. Basis des hohen Reisekomforts ist eine Kombination aus langem Radstand, ausgezeichnetem Fahrwerksverhalten und ruhigem Gleiten im siebten und achten Gang des Komfortmodus. Wer das Gegenteil von Ruhe bevorzugt, wählt den brummigen Sportmodus oder genießt den basslastigen Sound aus 15 Lautsprechern der Harman/Kardon-Audioanlage.
Dank des langen Radstands und der breiten Karosserie bieten alle Plätze überraschend großzügige Bein- und Schulterfreiheit. Eine betont tiefe Sitzposition sorgt für angenehme Kopffreiheit und beim Fahrer zudem für ein sportliches Fahrgefühl.
Neben dem ausgezeichneten Sitzkomfort und den ruhigen Gleiterqualitäten überzeugt das Fassungsvermögen des riesigen Kofferraums, in dem ohne Umklappen der Rückbank problemlos sechs Getränkekästen verschwinden. Maximal passen hinter die elektrische Heckklappe 1 114 Liter Zuladung.
Assistent für Assistenten gesucht
Zu den technischen Neuerungen beim Facelift zählen unter anderem das tadellose Navigationssystem mit 26-cm-Touchscreen, Bluetooth-Mehrfachverbindungen, Split-Screen-Funktion und Echtzeit-Verkehrsinformationen. Zudem hat Kia den Stinger mit zahlreichen Assistenten aufgerüstet oder vorhandene Sicherheitsfeatures um neue Funktionen ergänzt. Ein aktiver Totwinkelassistent mit Monitoranzeige etwa gibt per Kamera Einblick in tote Winkel und aktiviert bei Bedarf eigenständig die Bremsen.
Das funktionierte im Testwagen prinzipiell alles – nicht jede Funktion allerdings bereitete Freude. Das liegt einerseits an der schieren Menge von Helferlein, andererseits an ihrer Hyperaktivität. So gibt es beispielsweise eine sensible Fahrerüberwachung, die selbst im stehenden Verkehr zu erkennen glaubt, wann ich müde oder unaufmerksam bin. Sie produzierte aber gefühlt so viele falsche wie wichtige Alarmmeldungen.
Weitere Neuheiten an Bord: Der Frontkollisionswarner hat beim Linksabbiegen an Kreuzungen auch den Gegenverkehr im Blick, der aktive Spurhalteassistent erkennt neben Fahrbahnmarkierungen auch Straßenränder, ein spezieller Autobahnassistent ergänzt den Stauassistenten und kann mithilfe eines ebenfalls neuen intelligenten Geschwindigkeitsassistenten registrierte Tempolimits automatisch miteinbeziehen.
Wer all diese emsigen Assistenten gerne im Zaum halten möchte, hofft vergebens auf das eigens erstellte Fahrerprofil im Kia-Bedienmenü, das persönliche Vorlieben abspeichert. Denn dieses bezieht sich leider nicht auf Sicherheitsfunktionen – und so beginnt die Einweisung der Gehilfen bei jeder Fahrt von vorn.
So wird der Stinger seinem Namen nur optisch gerecht. Die Entwickler haben ein „Sowohl-als-auch-Auto“ gebaut, einen Allradler mit Driftmodus. Das mag Kias Image guttun, und schlecht ist das Auto gewiss nicht. Aber mutig eben auch nicht.
Der Kia Stinger bleibt auch nach seinem Facelift ein Exot. Er sieht aus wie ein Maserati aus Korea, ist aber kein echter Sportwagen. Als komfortabler Gran Turismo überzeugt er mit ausgewogenem Fahrwerk und ruhigen Langstreckenqualitäten. Trotz Kampfpreis und sieben Jahren Garantie wird er es aber wegen einiger unstimmiger Details und seines unscharfen Profils weiterhin schwer haben gegen etablierte Premium-Konkurrenten.
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