Insolvenzrecht

Sanierung ohne Stigma

Die Coronapandemie hat vor allem Unternehmen im stationären Handel hart getroffen. Seit Jahresbeginn bietet ihnen ein neues Gesetz die Chance, ohne Insolvenz wieder auf die Beine zu kommen – in manchen Fällen allerdings bleibt diese die bessere Wahl.

Von Dr. Frank Schäffler, Partner der Kanzlei Menold Bezler und Spezialist für Restrukturierungen 04.05.2021

© Frank Hoermann/Sven Simon/Picture-Alliance

Wer vorhersieht, dass die in der Pandemie aufgehäuften Schulden dem Unternehmen künftig die Luft abschnüren, sollte ein StaRUG-Verfahren zumindest prüfen.

Das zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) können diese nutzen, wenn sie aktuell zwar noch zahlungsfähig sind, aber voraussichtlich innerhalb der kommenden zwei Jahre zahlungsunfähig werden (sogenannte drohende Zahlungsunfähigkeit). Zeigen sie ein Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG an, ruht die Insolvenzantragspflicht.

Mit der Anzeige müssen sich Unternehmen allerdings beeilen: Denn zeichnet sich ab, dass die Zahlungsunfähigkeit weniger als ein Jahr entfernt ist, entfällt die nötige positive Fortbestehensprognose. Dann gilt das Unternehmen regelmäßig als überschuldet und muss einen Insolvenzantrag stellen.

Das wichtigste Sanierungsinstrument des neuen Gesetzes ist der Restrukturierungsplan, den das Unternehmen eigenverantwortlich gestalten kann. Er bietet zudem weitere gewichtige Vorteile: Das Unternehmen vermeidet zunächst das Stigma einer Insolvenz. Es hat außerdem mehr Möglichkeiten als bei einer außergerichtlichen Sanierung – denn für den Plan braucht es nicht die Zustimmung aller Gläubiger, sondern nur von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe. Das bedeutet: Es müssen etwa nur 75 Prozent der Vermieter dem Plan zustimmen.

Auch kann der Plan auf ausgewählte Gläubiger beschränkt werden. So ist es beispielsweise denkbar, dass Lieferanten ihre üblichen Zahlungen erhalten. Schließlich kann der Händler gegenüber seinen Gläubigern durch das Gericht eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre verhängen lassen. Hierdurch stellt er sicher, dass eine Sanierung nicht gleich dadurch vereitelt wird, dass einzelne Gläubiger weiter auf ihren Forderungen bestehen.

Liquiditätsplanung ist essenziell

Ein Verfahren nach dem StaRUG bietet sich vor allem dann an, wenn die Geschäftsführung das Vertrauen der wesentlichen Gläubiger genießt. Hat der Betrieb etwa durch Coronahilfen in Form von Krediten erhebliche Schulden aufgehäuft, hilft das im Gesetz vorgesehene Mehrheitsprinzip dabei, mit Unterstützung der wohlgesonnenen Gläubiger konstruktive Lösungen zu finden.

Wer also vorhersieht, dass die in der Pandemie aufgehäuften Schulden dem Unternehmen künftig die Luft abschnüren, sollte ein StaRUG-Verfahren zumindest prüfen. Die Geschäftsführung muss dazu allerdings die Liquiditätsentwicklung des Unternehmens für die kommenden 24 Monate planen und genau im Auge behalten. Keine leichte Aufgabe in der Pandemie, aber essenziell: Denn ansonsten droht der Vorwurf der Insolvenzverschleppung, schlimmstenfalls muss ein Händler zudem mit Haftungsansprüchen rechnen.

Von vornherein nicht geeignet ist das StaRUG jedoch für Betriebe, die trotz Kurzarbeitergeld kaum die Gehälter zahlen können – sie finden im Rahmen eines Insolvenzverfahrens die nötige spürbare Entlastung durch das staatliche Insolvenzgeld. Auch wer krisenbedingt Mitarbeiter entlassen muss, kann das in der Insolvenz deutlich leichter umsetzen. 

Schlagworte: Insolvenzrecht, Coronakrise, Coronavirus, Lockdown

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