HDE-Konjunkturprognose

Großbaustelle Internet

Für Einzel­händler wird 2019 abermals ein gutes Jahr. Der HDE prophezeit ein Umsatzplus von zwei Prozent. Doch das positive Gesamt­bild überstrahlt einen besorgniserregenden Trend: Vor allem mittelständische Unternehmen drohen den Anschluss an die Digitalisierung zu verlieren.

Von Florian Flicke 09.10.2019

© Thorsten Futh

HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth

Wenn es läuft, dann läuft’s: Ungeachtet von Brexit, der Gefahr weiterer Handelskriege und einer sich eintrübenden Binnenkonjunktur geht es dem deutschen Einzelhandel im Schnitt weiter rosig. „Der Konsum trotzt der Lage, die Verbraucherstimmung ist gut“, konstatiert HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth auf der Herbstpressekonferenz des Verbands in Düsseldorf. Für das laufende Jahr erwarten die Statistiker des HDE ein Umsatzplus von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf dann rund 537 Milliarden Euro. Preisbereinigt liegt der Umsatz-​anstieg bei rund 0,5 Prozent.

Multichannel-Händler optimistisch

Die Stimmung unter Deutschlands Einzelhändlern hat sich weiter verbessert. Die 850 repräsentativ ausgewählten Betriebe aller Größen, Standorte und Vertriebskanäle, die für die Konjunkturumfrage um ihre Meinung gebeten wurden, sind unter dem Strich optimistischer als im Vorjahr: Erwarteten im ersten Halbjahr 2018 nur 27 Prozent aller befragten Unternehmen eine verbesserte Geschäftsentwicklung, waren es im ersten Halbjahr 2019 schon 31 Prozent. Umgekehrt sank der Anteil der pessimistischen Chefs von 44 Prozent im ersten Geschäftshalbjahr 2018 auf nun nur noch 33 Prozent.

Besonders zuversichtlich blicken aktuell Händler aus dem Nahrungs- und Genussmittelsegment in die Zukunft. „Gegessen wird zwar immer. Doch zurzeit offenbar besser und anders“, schlussfolgert HDE-Hauptgeschäftsführer Genth. Wesentlich schlechter ist dagegen die Stimmung unter Händlern elektronischer Erzeugnisse. Hier konstatiert Genth, um im Bild zu bleiben, „gewisse Sättigungseffekte“ bei den Verbrauchern.

Den weitaus größten Teil vom Umsatz macht weiterhin der stationäre Einzelhandel aus. Doch während er nominal um 1,3 Prozent zulegt von 473,5 Milliarden Euro im Vorjahr auf geschätzte 479,6 Milliarden Euro am Jahresende 2019, wächst der Onlinehandel abermals rasanter. Der gesamte Händlerumsatz in eigenen Webshops oder auf großen Marktplätzen klettert nach HDE-Prognose von 53,3 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf voraussichtlich 57,8 Milliarden Euro Ende 2019 – ein Anstieg um 8,5 Prozent. Damit steht der E-Commerce für fast die Hälfte des absoluten Jahreszuwachses im deutschen Einzelhandel.

Bürokratische Last beklagt

Multichannel-Händler – auch das ist eine Lehre aus der jüngsten Konjunkturumfrage – sind deutlich optimistischer: 55 Prozent der befragten Multichannel-Händler rechnen 2019 mit höheren Online-Umsätzen, 34 Prozent erwarten ein stagnierendes Geschäft, nur elf Prozent gehen von einem Umsatzrückgang aus. Im Gegensatz dazu stehen die entsprechenden Zahlen für den gesamten Einzelhandel: 40 Prozent der Unternehmen erwarten steigende Umsätze, 24 Prozent sehen eine Stagnation und immerhin 36 Prozent gehen von einem Umsatzrückgang aus.

Vom großen, lukrativen Kuchen Internetgeschäft bekommen mittelständische Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten allerdings nur kleine bis gar keine Stücke ab. Genth: „Der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre geht am mittelständischen Einzelhandel in vielen Fällen vorbei. Die kleineren Unternehmen haben Schwierigkeiten, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern.“ So nutzten zwei Drittel der vom HDE Befragten den Vertriebsweg Internet nicht. „Wer heutzutage nicht im Internet vertreten ist, existiert für viele Kunden gar nicht mehr. Die Kunden erwarten, dass sie den Händler aus der Fußgängerzone auch im Internet finden“, meint der HDE-Hauptgeschäftsführer.

In diesem Zusammenhang begrüßte Genth Initiativen der Bundesregierung, die Händler beim weiteren Weg ins digitale Zeitalter zu unterstützen – allen voran das Netzwerk der Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren. Tätig werden müssten Bund, Länder und Kommunen aber auch beim Bürokratieabbau. Hauptsorge des Mittelstands sind laut der HDE-Umfrage die bürokratischen Lasten. Viele Händler lassen sich danach besonders von den komplexen Vorschriften beim Datenschutz abschrecken.

Da nationale Regelungen im globalisierten Onlinehandel wirkungslos seien, fordert der HDE Schritte auf europäischer Ebene. „Die neue EU-Kommission muss die Regelungen praxisnah gestalten und nicht weiter verkomplizieren.“ Wichtig ist dem HDE dabei die Fairness: Für Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben, aber in der EU tätig sind, müssten dieselben Regeln und Pflichten angewendet werden wie für Unternehmen aus EU-Mitgliedsstaaten. Bei Daten- und Verbraucherschutz sowie beim Thema Produktsicherheit sei das derzeit nicht der Fall.

Schlagworte: Digitalisierung, Konjunkturprognose

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