Wie steht es um deutsche Innenstädte? Was motiviert Besucherinnen und Besucher zu einem Innenstadtbesuch – insbesondere nach dem Einschnitt durch die Coronapandemie? Diese und weitere Fragen stellt das IFH Köln in der alle zwei Jahre erscheinenden Untersuchung „Vitale Innenstädte“, für die im vergangenen Herbst rund 69.000 Passanten in 111 deutschen Innenstädten aller Größenordnungen interviewt wurden.
In ihren Ortsgrößenklassen schneiden Leipzig, Erfurt, Göttingen, Goslar und Warburg am besten ab, durchschnittlich kommen die Städte aber knapp auf eine gute Bewertung (2,5). Insgesamt hat sich die Bewertung im Laufe der letzten Jahre damit stetig verbessert: So lag die Durchschnittsnote für die Gesamtattraktivität deutscher Innenstädte 2016 noch bei 2,7 – im Jahr 2018 bei 2,6.
Shopping bleibt Hauptbesuchsgrund
Die Besucherfrequenzen in den Citys konnten nach den Einbußen in den ersten Jahren der Coronapandemie wieder zulegen, erreichen aber noch nicht wieder das Niveau von 2019. Einkaufen ist dabei weiter Besuchsmotiv Nummer eins. Doch rücken zunehmend auch andere Besuchsgründe in den Vordergrund – in besonderer Weise gilt dies für gastronomische Angebote. Das zeigt sich auch an den Verbesserungswünschen der Passanten: Innenstädte sollen ein Begegnungsort sein und zum Verweilen einladen (45 Prozent), aber auch Shoppingangebote (43 Prozent) und Kunst- und Kultur (36 Prozent) sowie Gastronomie (35 Prozent) sind laut der Befragten wichtige Ansatzpunkte, um Städte attraktiver zu gestalten.
„In Zeiten von Inflation und wachsendem Onlinehandel brauchen wir eine neue Währung zur Bewertung und Einordnung deutscher Innenstädte – und zwar die Bereitschaft, den Besuch einer Innenstadt als Gesamterlebnis weiterzuempfehlen. Leider sehen wir das aktuell zu selten. Die Weiterempfehlung ist die härteste und natürlichste Wertschätzung einer Stadt und muss zunehmen – deutschlandweit,“ appelliert Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln.
Die Mehrzahl der deutschen Städte schneidet beim Faktor Weiterempfehlung schlecht ab: In rund jeder zweiten Stadt (53 Prozent) überwiegt die Anzahl derer, die die Innenstadt nicht weiterempfehlen würden. Nur jede vierte Stadt (24 Prozent) kann sich über eine hohe Weiterempfehlungsrate ihrer Innenstadt freuen. Tendenziell empfehlen Ältere die von ihnen besuchten Innenstädte eher als Jüngere. Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Weiterempfehlung von Innenstädten sind an erster Stelle Aufenthaltsqualität, Ambiente und Flair sowie Stadtgestaltung und touristische Attraktivität. Es folgen der Erlebniswert und das Einzelhandelsangebot.
Besorgniserregendes Signal
„Die Einflussfaktoren auf die Weiterempfehlung müssen konsequent in den Blick genommen und Maßnahmen aktiv abgeleitet werden. Um unsere Cities lebendig und zukunftsfit zu machen, gilt es, Besuchsanlässe für jegliche Altersklassen und Besuchergruppen – sowohl für die lokale Bevölkerung als auch für auswärtige Besucher – zu schaffen. Erfreulicherweise unterscheiden sich die Erwartungshaltungen der verschiedenen Zielgruppen nicht grundlegend, müssen aber dennoch mit anderen Schwerpunkten ausgestaltet werden,“ resümiert Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter am IFH Köln.
"Der Einkauf ist nach wie vor der mit Abstand wichtigste Grund für einen Innenstadtbesuch. Das macht deutlich, dass der Einzelhandel bei Bemühungen zur Belebung von Stadtzentren immer als ganz wesentlicher Akteur vor Ort einbezogen sein muss. Gleichzeitig ist die niedrige Weiterempfehlungsrate bei Innenstädten ein besorgniserregendes Signal", so Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). "Daraus folgt, dass dringend mehr und zielgenauere Maßnahmen für attraktive Innenstädte notwendig sind. Hierzu ist es entscheidend, endlich die in den Ministerien verteilten Kompetenzen zur Innenstadtentwicklung zu bündeln und eine eigens für die Innenstadtentwicklung verantwortliche Bundesstiftung Allianz für Innenstädte e.V. aufzubauen. Diese Institution wäre dann auch der Garant dafür, dass die Mittel für die Innenstadtentwicklung punktgenau verwendet werden. Hier braucht es in den kommenden fünf Jahren 500 Millionen Euro, um deutlich voranzukommen. Die Probleme drängen, es braucht zeitnah Lösungen. Die Wiederbelebung von verödeten Stadtzentren ist immer teurer als rechtzeitiges Gegensteuern."
Die zusammenfassende Studie „Vitale Innenstädte 2022“ ist im Shop des IFH Köln verfügbar.
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