Aus einem Material, das aus gemahlenen Apfelschalenresten besteht, fertigt ein Start-up Handtaschen. Andere Labels stellen aus alten Airbags Rucksäcke her oder Turnschuhsohlen aus recycelten Autoreifen: Nachhaltigkeit liegt im Trend und die Ökomodemesse Neonyt in Berlin bietet insbesondere den Einkäufern mittelständischer Modehäuser Einblicke in die Ideenvielfalt von Brands, die sich dem Up- und Recyclinggedanken verpflichten.
Die Schwierigkeiten, die mit der Entwicklung nachhaltiger Lieferketten verbunden sind, kommen bei einer Diskussionsrunde zum Thema Nachhaltigkeit für den Massenmarkt zur Sprache. Mit der geplanten Einführung des Textilsiegels Grüner Knopf sollen sich Kunden sicher sein können, dass die von ihnen bezogene Ware garantiert unter ökologischen und sozial fairen Bedingungen hergestellt wird. Wann das Siegel kommt, welche Kriterien Unternehmen dafür erfüllen müssen und wie die Nachweisprüfung entlang der gesamten Lieferkette auch angesichts schwer veränderbarer politischer Bedingungen in den Lieferländern bewerkstelligt werden soll – das ist bislang alles noch unklar.
Einhaltung von Mindeststandards
Der Grüne Knopf soll ein staatliches Metasiegel sein, das sich in einer ersten Stufe auf die Kennzeichnung von Produkten bezieht, bei denen in der Textilherstellung (Konfektion) die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards gewährleistet ist. Unternehmen, die das Siegel nutzen wollen, müssen nachweisen, dass sie ihren unternehmerischen Sorgfaltspflichten nachkommen, wobei die Anerkennung einer Roadmap im Rahmen des Textilbündnisses als Nachweis akzeptiert werden soll (siehe Interview mit HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth auf Seite 28).
„Die Einführung des Siegels ist ein Prozess“, sagt Anna-Maria Schneider, Senior Policy Officer im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Schrittweise gehe es zunächst darum, Mindeststandards für glaubwürdige Produktsiegel zu erfüllen, die auf der vom BMZ betriebenen Vergleichsplattform „Siegelklarheit“ definiert sind. Aus einer Antwort des Ministeriums auf eine FDP-Anfrage, aus der das Handelsblatt zitiert, geht hervor, dass gegebenenfalls erst die Qualifikation für mehrere Siegel eine Basis für die Vergabe des Grünen Knopfs bildet.
„Kunden treffen ihre Kaufentscheidungen nicht nur aus Gewissensgründen“, sagt Elin Larsson, Nachhaltigkeitsdirektorin des schwedischen Modelabels Filippa K. Der Wettbewerb um die nachhaltigste Lieferkette lohnt sich für die Unternehmen nicht, wenn die vorgeblich ökosensiblen Millennials ihre Mode dann doch vom billigeren, weniger gewissenhaft und national reguliert handelnden Konkurrenten kaufen.
Laut einer neuen Studie der Economist Intelligence Unit im Auftrag von Llamasoft gibt auch die Mehrheit der befragten Führungskräfte von 250 Einzelhandels- und Industrieunternehmen an, dass ihnen Wirtschaftlichkeit wichtiger sei als Nachhaltigkeit. „Eine Zunahme der Bedeutung der Arbeitsbedingungen ist hauptsächlich im Einzelhandel festzustellen, wo sie von einer niedrigen Priorität zu einem Thema wurden, das in den nächsten fünf Jahren so hoch wie die Reduzierung der Betriebskosten rangiert“, heißt es in der Studie.
Die Studie "Nachhaltigkeit - das fehlende Glied in der Kette" steht hier zum Download bereit: bit.ly/2Du9wGC
Kommentare