Die Politik sucht händeringend nach hochwertigen Qualifizierungswegen für die Berufliche Bildung – der Handel hat sie längst. Mit den Abiturientenprogrammen verfügt die Branche über ein Qualifizierungsangebot, das sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt hat und für Arbeitgeber und Bewerber ein gleichermaßen attraktives wie leistungsgerechtes Angebot darstellt. Seit Mitte der 1970er-Jahre bietet der Einzelhandel das spezielle Qualifizierungskonzept an, um aufstiegsorientierte Hochschulzugangsberechtigte, zumeist Abiturienten und Studienabbrecher, für sich zu gewinnen.
Binnen drei Jahren qualifizieren sich die Teilnehmer zur Führungskraft im Einzelhandel und erlangen in dieser Zeit bis zu drei IHK-Abschlüsse. Kein anderer Wirtschaftszweig bietet Hochschulzugangsberechtigten die Chance, innerhalb einer vergleichbar kurzen Zeitspanne auch ohne Hochschulstudium eine Führungsposition zu erreichen.
„Während meines Fachabiturs war ich bei Tedi als Aushilfe tätig. Dort hörte ich von dem Abiturientenprogramm und erfuhr, dass die Absolventen bereits nach drei Jahren eine Filiale leiten können. Zudem versprach dieser Weg ein gutes Gehalt und die Option, den Ausbilderschein zu machen“, erinnert sich Tedi-Filialleiterin Alexandra Große aus Gröbzig. Vollends überzeugte die heute 30-Jährige schließlich, dass sie nach drei Jahren einen Abschluss erwerben konnte, der einem Bachelor entspricht. Denn nach dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) ist der Abschluss als Fachwirt dem Bachelor gleichwertig (DQR-Niveau 6).
Wettbewerb um die Besten
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen deutlich, dass die enorm steigende Zahl der Abiturienten wiederum eine starke Zunahme an Studierenden nach sich zieht. Hierfür bedarf es neben leistungsfähiger Hochschulen vor allem auch konkurrenzfähiger betrieblicher Bildungsformate, wie die Abiturentenprogramme des Handels.
Der nicht zuletzt durch den demografischen Wandel bedingte, deutliche Anstieg des Angebots wird auch bei der Bundesagentur für Arbeit sichtbar, die die Programme in ihrer Ausbildungsmarktstatistik erfasst: Im Berichtsjahr 2015/2016 boten Handelsunternehmen knapp 7.650 Stellen für die Abiturientenprogramme an, für 2017/2018 sind bereits über 11.100 Stellen registriert. Das zeigt, dass Abiturienten und Studienabbrecher immer mehr in den Fokus der Personalverantwortlichen rücken und der Wettbewerb um die Besten stetig zunimmt.
„Mit den Abiturientenprogrammen zum Handelsfachwirt und Fachwirt für Vertrieb im Einzelhandel unterstützen die Bildungseinrichtungen des Handels die Betriebe bei der Entwicklung ihres Führungsnachwuchses“, erklärt Raphaela Schuster, Geschäftsführerin der Akademie Handel, die seit 45 Jahren Abiturientenprogramme anbietet. Durch die enge Verzahnung zwischen intensiven Studienphasen in den Bildungseinrichtungen und praktischen Umsetzungsphasen in den Partnerbetrieben lernten die jungen Menschen die Branche Handel von der Pike auf kennen. Gleichzeitig bereitet sie das Programm passgenau auf die Übernahme von Fach- und Führungsverantwortung vor.
Umfassendes Handels-Know-how
„Wir wissen, dass der intensive Lern- und Praxisprozess in homogenen Lerngruppen für die jungen und leistungsbereiten Menschen hilfreich ist, um den Ausbildungsabschluss nach 18 Monaten und nach weiteren 18 Monaten den Fortbildungsabschluss zu erreichen und dabei überdurchschnittlich gute Ergebnisse zu erzielen“, führt Schuster weiter aus. Konkret kombinieren die Abiturientenprogramme eine Ausbildung, beispielsweise zum/zur Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel, mit der Fortbildung zum/zur Handelsfachwirt/-in oder zum/zur Fachwirt/-in für Vertrieb im Einzelhandel. Überdies besteht die Option, die Ausbilder-Eignungsprüfung nach der Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) abzulegen. Im Unternehmen und in den Bildungszentren des Handels erarbeiten sich die Teilnehmer umfassendes Handels-Know-how.
Kurzum: Das Abiturientenprogramm ist ein Rundumpaket, das vielseitiges Wissen bereithält und den Weg zur Führungskraft ebnet. Zugleich erfordert es Anstrengung und Disziplin von den Teilnehmern, das hohe Lernpensum zu bewältigen. Für Alexandra Große hat es sich gleichwohl gelohnt: „Dank meiner Ausbildung kann ich zahlreiche Führungsfunktionen in Gruppen oder Teams übernehmen, aber auch Abteilungen oder sogar Filialen leiten. Ich könnte auch im Management tätig sein, im Ein- und Verkauf sowie in der Personalverwaltung.“ Überdies sind die Absolventen mit ihren Abschlüssen nicht auf ein Handelsunternehmen beschränkt, sondern sind frei, innerhalb der Branche zu wechseln.
Aussicht auf Aufsteigerkarriere
Die praxisorientierte Vermittlung der Inhalte von Ausbildungs- und Fortbildungsberuf, verbunden mit der berechtigten Aussicht auf eine Aufstiegskarriere, führen jedoch zu einer hohen Betriebstreue. Schnelle Wechsel im Anschluss an die erfolgreiche formale Qualifizierung sind die Ausnahme. So war es auch bei Alexandra Große, die zwischen 2012 und 2013 bereits aushilfsweise im Unternehmen arbeitete und sich dann für das Abiturientenprogramm entschied: Im vergangenen Jahr schloss die Mutter eines vierjährigen Sohnes das Abiturientenprogramm zur Fachwirtin für Vertrieb im Einzelhandel ab und leitet nun bei Tedi ein Team von elf Mitarbeitern in der Stadt Köthen.
Eine Erfolgsgeschichte des Handels, die für viele steht: Ob Lebensmittel- oder Textilunternehmen, Einrichtungshäuser, Baumärkte, Drogerien oder Parfümerien – Händlern aller Branchen machen gute Erfahrungen mit dem kombinierten Qualifizierungsprogramm. Und wenn im kommenden Jahr die neue Fortbildung Fachwirt/-in im E-Commercean den Start geht, wird die Erfolgsgeschichte der Abiturientenprogramme im stetig wachsenden E-Commerce-Segment fortgeschrieben werden.
Karrieresprungbrett Berufsausbildung
Der Handel setzt auf qualifizierte und motivierte Fach- und Führungskräfte. In höherer Zahl als die meisten anderen Wirtschaftsbereiche rekrutiert er seine Führungskräfte aus der internen beruflichen Aus- und Weiterbildung. So haben 80 Prozent der Fach- und Führungskräfte im Handel ihre Karriere mit einer Ausbildung begonnen und sich entweder später durch Fortbildungsangebote für Beschäftigte weiterqualifiziert oder sind mit dualen ausbildungsintegrierten Studienangeboten oder den Abiturientenprogrammen gestartet.
Abiturientenprogramm Handelsfachwirt/-in
Staatlich anerkannte Abschlüsse:
– Kaufmann/-frau im Einzelhandel
– Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel
– Ausbildung der Ausbilder (AdA)
– Geprüfte/-r Handelsfachwirt/-in
Übliche Einstiegspositionen:
– Abteilungs- oder Filialleitung
– Gruppen-, Bereichs- oder Teamleitung
– Sales- oder Marketing-Manager
– Key-Account-Manager
– Führungskraft in den Bereichen Einkauf, Personal oder Verwaltung
Qualifizierung für folgende Aufgaben:
– Ein- und Verkauf
– Verwaltung
– Personalmanagement
– Finanz- und Rechnungswesen
– Marketing
– Projektmanagement
– Revision, Controlling etc.
Abiturientenprogramm Fachwirt/-in für Vertrieb im Einzelhandel
Staatlich anerkannte Abschlüsse:
– Kaufmann/-frau im Einzelhandel
– Ausbildung der Ausbilder (AdA)
– Geprüfte/-r Fachwirt/-in für Vertrieb im Einzelhandel
Übliche Einstiegspositionen:
– Abteilungs- oder Filialleitung
– Gruppen-, Bereichs- oder Teamleitung
– Sales- oder Marketing-Manager
– Key-Account-Manager
– Führungskraft in den Bereichen Vertrieb, Visual Merchandising oder Marketing
Qualifizierung für folgende Aufgaben:
– Verkaufsprofi am Point of Sale
– Warenbeschaffung
– Verkauf
– Führung und Koordination des Personals
– Kundenorientierung und Servicequalität
– Abwicklung des Beschwerdemanagements
– Planung und Steuerung von Marketingmaßnahmen
(Quellen: Akademie Handel e. V., Bildungszentrum des Einzelhandels Niedersachsen)
Weitere Informationen finden Sie hier: einzelhandel.de/abiturientenprogramme
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