Testfahrt

Neunsitzer in Leder

Elektronutzfahrzeuge erobern auf stille und umweltfreundliche Weise die Innenstädte. So auch der Peugeot E-Traveller, der mit neuer alternativer Motorisierung gegen Modelle wie Mercedes eVito Tourer, Ford Galaxy, Seat Alhambra und Citroën C4 Spacetourer antritt.

Von Frank Heide 13.06.2021

© Peugeot

Peugeot hat den E-Traveller gemeinsam mit Opel und Toyota entwickelt.

Um Verwechselungen auszuschließen, gilt es zunächst, Herkunft und den Namen des Fahrzeugs kurz zu beleuchten: Peugeot hat es gemeinsam mit Opel und Toyota entwickelt. Sein Vorgänger hieß bis 2016 bei den Franzosen Expert Tepee, die Mitentwickler verkaufen ihn als Toyota Proace Verso respektive Opel Zafira-e Life, zudem ist er baugleich mit dem Citroën Spacetourer. So ein Wirrwarr entsteht, wenn Fahrzeuge auf Konzernplattformen aufbauen und mithilfe von Markenkooperationen Entwicklungskosten gedrückt werden.

Wie seine Geschwister läuft auch der Traveller in drei unterschiedlichen Längen vom Band. Mein Testwagen entspricht der mittleren Ausführung (L2) mit 4,96 Metern. Sie gilt als das „Business“-Modell und ist in der Variante „VIP Combispace“ für professionelle Personenbeförderer, Shuttledienste und Großfamilien gedacht. Noch familien- und zuladungsfreundlicher ist die Variante L3 mit 5,31 Metern Länge, kompakter ist der 4,61 Meter messende L1.

Viel Platz für sperrige Güter

Der Radstand bleibt bei allen Varianten mit 3,28 Meter stets gleich, das Längenwachstum findet beim hinteren Überhang statt, also am Kofferraum. Und da sind die Unterschiede gewaltig: Passen in die L1-Variante 798 Liter hinein, fasst die L3-Variante bis zu 3 300 Liter. Zudem lassen sich beide hintere Sitzreihen relativ leicht über ein Schienensystem ausbauen, was die Ladekapazität vervielfacht – im L3 auf bis zu 4 500 Liter. Auch sperrige Güter von bis zu 3,5 Meter Länge finden Platz. Da die Batterie unter dem Innenraum sitzt, verfügt das E-Modell über das gleiche Ladevolumen wie der Verbrenner.

Maximale Variabilität

Gut gefallen hat mir, dass man über einen Grip-Control-Knopf zwischen mehreren Traktionsmodi auswählen kann, je nach Untergrund. Über den Drive-Mode-Schalter in der Mittelkonsole lassen sich zudem drei Fahrmodi auswählen, bei denen der Antrieb unterschiedliche Leistungen zur Verfügung stellt. Maximal sind 100 kW (136 PS) und 260 Newtonmeter Drehmoment drin, der Sprint von null auf 100 km/h gelingt bestenfalls in 13,1 Sekunden.

Eher mager fällt der Kofferraum aus, wenn alle Sitze an Bord sind: Dann passen gerade mal drei Einkaufstaschen nebeneinander, und die stehen noch auf den beiden Ladekabeln. Das ist wenig Platz für so ein großes Auto. Wer mehr will, greift also zur längeren Variante oder verschiebt Sitze oder baut sie gleich ganz aus. Beides geht aber erstaunlich leicht, weil das üppig belederte und langstreckentaugliche Gestühl auf Schienen gleitet. Die Variabilität lässt also nichts zu wünschen übrig.

Geschmeidiges Fahrerlebnis

Besondere Freude macht der Blick in die erste Reihe: Das Raumangebot ist großzügig, die Sitze sind nicht nur bequem, sondern sie bieten je nach Ausstattung auch eine Massagefunktion und sehr gute individuelle Verstellmöglichkeiten. Zudem ist die Übersicht sehr gut. Selbst in der letzten Sitzreihe gibt es keine billigen Plätze. Das große Glasdach lässt viel Licht ins Innere, und man sieht sofort, dass die Passagiere hinten ebenfalls alle bequem Platz nehmen können.

Nicht alle Materialien strahlen eine gehobene Pkw-Anmutung aus: Es gibt reichlich grauen Kunststoff im Traveller-Innenraum, der nicht zuletzt deswegen eher nutzfahrzeugartig rüberkommt. Zwar sind ein Zentraldisplay, ein Head-up-Display sowie einige Assistenten, Infotainment und Sicherheitssysteme an Bord. Aber nichts davon bewegt sich am oberen Ende des Leistungsspektrums, es geht eher volkstümlich zu.

Einen Schalthebel klassischer Art braucht ein E-Auto natürlich nicht, aber der winzige Kippschalter, den der Traveller besitzt, ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Sehr durchdacht wirkt neben der Sitzvariabilität und dem großen Platzangebot hingegen die Vielzahl von großen und kleinen Ablageflächen, Stauräumen, Klappen und Netzen.

Das Fahrerlebnis ist ebenfalls eher unspektakulär, aber im positiven Sinne, weil hauptsächlich geschmeidig und leise. Die Ruhe, Gelassenheit und das sofortige Drehmoment des E-Antriebs entfalten vor allem im Stadtverkehr ihre entspannende Wirkung. Dass der Reisebus einen Powermodus bietet, sollte man nicht mit einem Sport-Fahrprogramm verwechseln. Der so aktivierte Schub von 100 kW und 260 Newtonmeter Drehmoment auf die Vorderräder ist für schwere Beladung, Steigungen und Überholvorgänge gedacht.

Auf Landstraße und Autobahn kommt es noch mehr auf den Akku an. Wer hier regelmäßig unterwegs ist, sollte zum stärkeren Batteriepack greifen. Den E-Transporter gibt es nämlich – für knapp 5.000 Euro mehr – mit 75-kWh- statt mit 50-kWh-Akku. Damit schafft der E-Traveller beachtliche 322 Kilometer nach WLTP-Norm, sonst bleibt es bei maximal 227 Kilometern.

Hoher Bruttopreis

Aufgeladen werden beide Akkuversionen mit bis zu elf kW Wechselstrom oder mit bis zu 100 kW Gleichstrom. An der Schnellladestation dauert der Ladevorgang von null bis 80 Prozent 30 Minuten bei der kleinen Batterie und 45 Minuten bei der großen. Mit elf kW Wechselstrom dauert es gut viereinhalb respektive knapp sieben Stunden.

Für eine angehobene Augenbraue sorgt bei diesem Van wohl vor allem sein hoher Bruttopreis: Greift man zum L2 mit großem Motor und Business-VIP-Ausstattung, sind 65.610 Euro fällig. Dank des E im Namen darf man davon allerdings die übliche Förderung abziehen, außerdem sind bereits jetzt zahlreiche Rabattangebote im Markt.

Heides Testurteil

Käufer sollten genau planen, welche der drei angebotenen Fahrzeuglängen sie benötigen – die Unterschiede sind gewaltig. Viel Platz gibt es in allen dreien. Bei der täglichen Routine spielt der Peugeot seine Stärken im City-Verkehr aus. Ob er den Namen „Traveller“ mit einer Reichweite von höchstens 330 Kilometern verdient hat, muss jeder selbst entscheiden

Schlagworte: Automobile, Elektroautos, Mobilität, Auto

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