Payment

Nachfrage erzeugen statt Zwang

Braucht es eine Akzeptanzpflicht für die EU-Währungen digitaler Euro und Euro-Bargeld? Im Format Pro und Contra erläutern Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) und Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), ihre Meinungen.

Von Ramona Pop und Stefan Genth 27.09.2023

© Stocksy/BONNINSTUDIO

Ein Herz für das Bargeld: Solange es ein Wunsch der Kunden ist, mit Scheinen und Münzen zu bezahlen, wird der Handel auch die Barzahlung weiterhin akzeptieren.

Pro: Akzeptanzpflicht für EU-Währungen durchsetzen!

Cash, Karte oder digital – es gibt viele Möglichkeiten, zu bezahlen. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist und bleibt Bargeld zentral. Denn das gesetzliche Zahlungsmittel hat klare Vorteile: Es benötigt keine Technik oder private Daten. So war Bargeld zum Beispiel im Frühsommer 2022 in vielen Supermärkten die Rettung, nachdem Kartenterminals ausgefallen waren.

Bargeld bietet zudem Anonymität, während Zahlungsanbieter Daten über das Kaufverhalten der Menschen sammeln. Zudem nehmen die dominanten Anbieter teils hohe Gebühren für Transaktionen – zum Ärger der Händler, die die Kosten letztlich an die Konsumierenden weitergeben. Es wundert also nicht, dass eine große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht auf Münzen und Scheine verzichten möchte.

Mehr Klarheit gefordert

Doch das Bargeld ist unter Druck. Der Verbraucherzentrale Bundesverband beobachtet längst den Beginn einer Abwärtsspirale: Mit dem Verschwinden von Bankfilialen werden oft Geldautomaten abgebaut, was den Zugang zu Bargeld erschwert. Gleichzeitig verweigern immer mehr Händler und Gastronomen Barzahlungen. Je mehr Marktteilnehmer solch einer einseitigen Praxis folgen, desto mehr zwingt es die Menschen, elektronisch zu bezahlen. Können oder wollen sie das nicht, werden sie von der wirtschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen. Der Gesetzgeber muss also dringend klarstellen, in welchen Bereichen diese Praxis rechtswidrig und Bargeld zu akzeptieren ist.

Denn für Bargeld gilt längst eine sogenannte Akzeptanzpflicht. Dies hat zuletzt der Europäische Gerichtshof im Jahr 2021 geurteilt. Doch es muss klar werden, was das konkret bedeutet: Welche engen Ausnahmen kann es geben? Wo muss Bargeld ausnahmslos akzeptiert werden? Welche Sanktionen drohen bei Nichteinhaltung? Und wer beaufsichtigt die Pflicht, Bargeld anzunehmen? All dies ist bislang nicht geregelt.

Bekenntnis zum Bargeld

Die Vorschläge der EU-Kommission vom 28. Juni zur Akzeptanzpflicht des Euro geben die richtige Richtung vor. Sie enthalten ein klares Bekenntnis zum Bargeld. Nur sehr kleine Händler sollen von der Akzeptanzpflicht ausgenommen werden.

Neben dem Bargeld soll laut EU-Kommission der digitale Euro künftig ebenso gesetzliches und zu akzeptierendes Zahlungsmittel sein. Alle Banken sollen nach seiner Einführung den digitalen Euro bereitstellen. Anbieter und staatliche Stellen müssen das Zahlungsmittel dann verpflichtend akzeptieren. Das sind wichtige und richtige Vorschläge. Der Erfolg des digitalen Euro hängt davon ab, dass ihn Verbraucherinnen und Verbraucher überall nutzen können und er schnell breite Verwendung findet.

Europa würde verbraucherfreundlicher

Der digitale Euro bietet die Chance, die Menschen unabhängiger zu machen von kommerziellen Interessen internationaler Konzerne. Die jüngsten Verwerfungen bei den Zahlungskarten rund um das Auslaufen der Maestro-Funktion und neue Debitkarten von Visa und Mastercard zeigen die Probleme. Verbraucherinnen und Verbraucher sind häufig überfordert – was gilt, und wo kann ich mit welcher Karte zahlen? Nun kommt es bei der Ausgestaltung darauf an, dass der digitale Euro ähnliche Vorteile bietet wie das Bargeld: den Schutz der Privatsphäre, überall einsetzbar, einfach und kostenlos für Verbraucherinnen und Verbraucher. So wäre er eine gute Ergänzung zum Bargeld und Europa würde unabhängiger sowie verbraucherfreundlicher.

Doch was für den digitalen Euro gelten soll, muss zwingend auch fürs Bargeld Bestand haben. Ansonsten droht ein Zweiklassensystem beim Euro, das die Integrität unserer Währung und die Zustimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher zum digitalen Euro schon vor dessen Einführung zunichtemachen würde. Wer den Erfolg des digitalen Euro will, muss deshalb die Akzeptanzpflicht beim Bargeld durchsetzen.

Contra: Bargeld überzeugt ohne strikte Verpflichtung – und der digitale Euro muss es auch!
 

Überall im Handel kann man heute mit Bargeld bezahlen. Es ist eine Selbstverständlichkeit für jeden Händler und für jede Händlerin, ihren Kunden die jeweils gewünschten Zahlverfahren anzubieten. Genauso, wie in beinahe jedem stationären Handelsunternehmen heute selbstverständlich Kartenzahlung möglich ist, wird auch die Bar zahlung weiterhin akzeptiert, weil es ein Wunsch der Kunden ist. Und so wird es auch bleiben, solange eine signifikante Nachfrage besteht.

Unternehmen wissen zudem, welchen Wert Barzahlung hat, sollten elektronische Zahlungen einmal ausfallen. Das Vorhalten einer Barkasse ist also auch Notfallvorsorge. Es gibt somit eine natürliche Bereitschaft zur Bargeldakzeptanz – auch ohne gesetzliche Verpflichtung. Die strikte Durchsetzung einer unbedingten gesetzlichen Akzeptanzpflicht ist für die Bargeldakzeptanz daher ebenso unnötig und hinderlich, wie sie es für den digitalen Euro sein würde.

Kosten etwa durch Sicherung gegen Diebstahl

Händler müssen in der Lage sein, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit alle angebotenen Zahlarten selbst festzulegen und dies auf handhabbare Weise auch kommunizieren zu dürfen, etwa durch Aushänge. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Akzeptanz würde im schlechtesten Fall – wenn nämlich keine Nachfrage besteht – nutzlose Kosten verursachen, die dann auf alle Kunden umgelegt werden müssten. Denn Bargeldtransaktionen verursachen für Geschäftsinhaber bestimmte Kosten, beispielsweise durch den Wechselgeldbedarf, Geldtransporte, Einzahlungsgebühren oder die Sicherung gegen Diebstahl.

Zudem gibt es neue Ladengestaltungen, bei denen eine Bargeldakzeptanz schwierig umsetzbar ist. Automatisierte Geschäfte, die künftig die Handelslandschaft ergänzen, sind tendenziell ungeeignet für die Bargeldakzeptanz und würden Angriffsflächen für Zerstörung und Diebstahl bieten. Bargeldmodule an Automaten könnten Waren unverhältnismäßig teuer machen.

Kundennachfrage fördern

Statt durch eine umfassende, zwangsweise Akzeptanzpflicht sollten staatliche Zahlungsmittel durch Nachfrage, Funktionalität sowie Effizienz überzeugen. Dadurch würde sich eine breite Akzeptanz und Nutzung von selbst ergeben. Das gilt für Bargeld ebenso wie für den möglicherweise kommenden digitalen Euro.

Zwar mag es bei der Einführung eines neuen Zahlungsmittels nützlich sein, eine breite Akzeptanz sicherzustellen, damit auch die Kundennachfrage entsteht. Schließlich würde sich niemand für ein Zahlungsmittel interessieren, das er nicht einsetzen kann. Dennoch sollte eine allgemeine Akzeptanzpflicht das letzte Mittel sein, um dem digitalen Euro zum Durchbruch zu verhelfen. Denn ebenso wie bei Noten und Münzen kann auch die Akzeptanz des digitalen Euro zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.

Akzeptanz auf natürliche Weise entwickeln

Dies gilt umso mehr angesichts einer bislang unkalkulierbaren Wettbewerbssituation seitens der notwendigen Dienstleister und Banken. Der digitale Euro soll für Zahler kostenlos sein, eine Weiterleitung von Kosten an den Handel gesetzlich geregelt werden. Sollte die neue Währung floppen, droht  eglicher Mehrwert wegzufallen, die Kosten aber bleiben. Daher muss auch die digitale Euro-Variante für sich selbst sprechen, überzeugen und ihre Akzeptanz auf natürliche Weise entwickeln. Ohne Zwang.

Schlagworte: Payment, Bargeld, Währung, Bargeldlos bezahlen

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