Personal

Mangelwirtschaft Arbeitsmarkt

Fünf Personalverantwortliche schildern, wie sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt aktuell für sie darstellt, welche Stellen besonders schwierig zu be­setzen sind und mit welchen Stra­tegien sie dem Mangel begegnen.

15.02.2023

© iStock.com/caracterdesign

Auf der Suche nach jungen Talenten stehen die Unternehmen im harten Wettbewerb.

1. Kreative Lösungen in schwierigen Zeiten

„Die Coronakrise, der Ukrainekrieg sowie die steigende Inflation haben den Fachkräftemangel auch im Einzelhandel noch einmal verstärkt. Wie für viele Unternehmen im Dienstleistungssektor ist es auch für uns eine größere Herausforderung als früher, passende Fachkräfte und Auszubildende zu finden. Das gilt besonders für den Verkauf, aber auch für die Felder IT und Digitales.

Wichtig ist grundsätzlich die Basis. Schließlich sind wir ein moderner Arbeitgeber mit spannenden, internationalen Berufsfeldern, die man bei einem Schuhhändler gar nicht vermutet. Hinzu kommt unsere soziale Ausprägung als Familienunternehmen. So sind Faktoren wie ein übertarifliches Gehalt, eine betriebliche Altersvorsorge, Personalrabatte oder Möglichkeiten des mobilen Arbeitens für viele Menschen zunehmend attraktiv.

Als Unternehmen finden wir auch in schwierigen Zeiten immer wieder kreative Lösungen und initiieren aktiv zahlreiche Maßnahmen, um genau die für uns interessanten Zielgruppen zu erreichen. Neben der Präsentation der Firma in Schulen, auf Career Days, an Universitäten und auf Job- und Ausbildungsmessen sprechen wir gezielt potenzielle Auszubildende über unsere eigenen Employer-Branding-Accounts auf den Karriereportalen Linkedin und Xing an und schreiben aktiv Stellen aus (Active Sourcing). Darüber hinaus nutzen wir Facebook und Instagram, um auf uns als Arbeitgeber aufmerksam zu machen. In Podcasts geben wir Einblicke in den Arbeitsalltag zum Beispiel unserer IT oder die Förderung von Stipendien und Lehrstühlen.

Zudem haben wir unsere Deichmann-Karriere­seite kürzlich einem Relaunch unterzogen. Neben verschiedenen Features, die es Bewerberinnen und Bewerbern einfacher machen, sich über aktuelle Stellenangebote zu informieren und mit uns in Kontakt zu treten, lässt sich der immer digitaler werdende Recruitingprozess darüber schnell und flexibel um weitere Maßnahmen erweitern.“ 

Christina Böhme, Personalleiterin, Deichmann SE

2. Fehlende Kräfte auf allen Qualifizierungsniveaus

„50 000 Stellen gilt es bei der Rewe Group jährlich neu zu besetzen. Doch wird dieses Vorhaben zunehmend herausfordernder und aufwendiger. Es fehlt mittlerweile an Kräften auf allen Qualifizierungsniveaus. Wir sprechen längst nicht mehr von einem Fachkräfte-, sondern von einem Arbeitskräftemangel. Der allgemeine Trend der Akademisierung verschärft diese Situation punktuell zusätzlich. Und die Zeit drängt! Dies gilt auch für die in der Fachkräftestrategie der Bundesregierung skizzierten Maßnahmen, die wir grundsätzlich begrüßen. Es ist entscheidend, dass wir gemeinsam aktiv werden und mit neuen Ansätzen wie der Chancenkarte Erfahrungen sammeln. Jedoch sollten derlei Maßnahmen stärker auch auf nichtakademische Berufe abzielen. Diese wurden viel zu lange und unberechtigterweise stiefmütterlich behandelt.

Als Unternehmen, das allein in Deutschland 281 000 Kollegen und Kolleginnen aus 140 Nationen zählt, sind wir uns unserer Verantwortung für diese bewusst. Das gilt auch für die Ausbildung junger Menschen, die Weiterbildung und -qualifizierung unserer Mitarbeiter sowie die bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. So konnten wir als Rewe Group die Anzahl der Auszubildenden zuletzt leicht auf mehr als 10 300 steigern. Doch kommen diese Maßnahmen an ihre Grenzen, wenn es schlicht nicht genug Menschen gibt, die freie Stellen besetzen können. Deshalb sind wir überzeugt, dass Deutschland eine Einwanderungsinitiative braucht.“ 

Petra Steffens, Head of CoE Talent Acquisition, Rewe

3. Gemeinsamen Kraftakt vollziehen

„Die Marke Ikea ist nach wie vor sehr attraktiv auf dem Arbeitsmarkt. Wir sind ein wertebasiertes Unternehmen und rekrutieren auch dementsprechend, also nicht nach Lebensläufen. Wir haben hohe Nachhaltigkeitsambitionen, eine große digitale Agenda und neue spannende Formate in den Innenstädten. Dabei sind es immer unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die unser Geschäft unterstützen und ausmachen. Dies alles sind große Pluspunkte für uns als Arbeitgeber. Darüber hinaus helfen uns die vielen tariflichen und außertariflichen Leistungen, wie beispielsweise Sonderzahlungen oder eine zusätzliche Altersversorgung.

Auch wir bekommen die Auswirkungen des Fachkräftemangels, ja des Arbeitskräftemangels, natürlich zu spüren. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich immer mehr zu einem Arbeitnehmermarkt und gerade der Einzelhandel hat angesichts der vielen Herausforderungen Talente an andere Branchen verloren. Wir spüren dies an allen Standorten und verstärkt in Bereichen wie Logistik oder Gastronomie. Ein Patentrezept zur schnellen Lösung gibt es hier nicht. Es braucht viele kleine Schritte und eine große Strategie. Flache Hierarchien, flexible Stundenmodelle, Karriere ohne Studium und eine große Offenheit für Quereinsteiger zeichnen uns aus. Auch setzen wir auf die Integration von geflüchteten Menschen und haben damit sehr gute Erfahrungen sammeln können.

Nur mit einem gemeinsamen Kraftakt aller Akteure aus Politik und Wirtschaft kann es uns gelingen, dem Fachkräftemangel über alle Branchen hinweg zu begegnen.“ 

Nicole Peper, People & Culture Managerin, Ikea

4. Krise als Ansporn nehmen

„Vor allem während des zweiten Lockdowns hatten wir infolge der temporären Schließung des Handels eine erhöhte Fluktuation zu verzeichnen und haben einige gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verloren. Doch uns war schnell klar, dass wir die Coronakrise dazu nutzen wollen, unser Recruiting zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Inzwischen sind wir besser aufgestellt als jemals zuvor: Wir haben unsere Personalentwicklung reformiert, eigene Personaltrainer ausgebildet und ein neues Recruitingteam aufgebaut.

Außerdem sind wir sehr aktiv auf Ausbildungsmessen, nutzen Kontakte zu Verbänden und treten in den Schulklassen in direkten Kontakt mit Schülern. Wir wollen in der Region als Arbeit- und Ausbildungsgeber so präsent wie möglich sein. Diese Arbeit hat sich gelohnt: Wir konnten in diesem Jahr 18 neue Auszubildende einstellen – ein Rekordwert, der höchste seit mehr als 20 Jahren. Zudem sind wir sehr froh, dass wir beinahe wieder unsere alte Personalstärke von über 450 Mitarbeitern erreicht haben, darunter viele Rückkehrer.“ 

Johannes Huber, Geschäftsführer, Modehaus Garhammer

5. Aktives Handeln gefragt

„Wie schaffe ich es als Unternehmen, erfolgreich neue Bewerber anzuziehen und zugleich bestehende Mitarbeiter an mich zu binden? Wir müssen uns intensiver als je zuvor mit Themen wie Sinnstiftung, Nachhaltigkeit und ­Diversität beschäftigen. Dafür reichen Lippenbekenntnisse nicht aus, es geht um aktives Handeln. Wir haben einen Arbeitnehmermarkt. Gerade um stark spezialisierte Fachkräfte herrscht ein großer Wettbewerb. Hinzu kommt, dass der Einzelhandel im Zuge von Corona an Attraktivität verloren hat.

Dem begegnen wir bei Douglas mit starken Initiativen für unsere Zielgruppen, transparenten HR-Prozessen und zielgerichteter Kommunikation. Ein besonderes Augenmerk richten wir auch auf das Thema Ausbildung: Wie etwa mit unserer Mitarbeiterkampagne „Next Gen Behind Beauty“, die direkt von der Zielgruppe für die Zielgruppe gestaltet wurde. Wenn wir diesen Weg fortführen und Arbeitsbedingungen sowie Konditionen stets anpassen, werden wir wettbewerbsfähig sein – und Talente finden und an uns binden.“ 

Mareike Mende-Ratnam, CHRO, Douglas Group

Schlagworte: Personal, Fachkräfte, Fachkräftemangel

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