Krisenszenarien

Kreislaufstörungen im Geldverkehr trotzen

Streiks, Naturkatastrophen, Krisen- und Kriegssituationen: Wie sicher ist in Ausnahmesituationen die Versorgung mit Bargeld und wie vulnerabel ist der elektronische Zahlungsverkehr? Das Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit hat Krisenkonzepte entwickelt.

Von Tim Stuchtey und Esther Kern 11.10.2023

© iStock.com/Vejaa

Wenn der Strom ausfällt, zählt nur Bargeld - auch für den Handel, der die Güterversorgung der Bevölkerung sicherstellt.

Wenn in Not- und Krisensituationen der elektronische Zahlungsverkehr ausfällt, erfolgt im Handel ein Rückgriff auf das gute alte Bargeld. Dann ist Cash wieder King – zumindest, solange es in hinreichendem Maß vorhanden ist und auch wieder im Handel eingelöst wird. Zwar ist Bargeld selbst beim Zahlungsvorgang auf keine weitere Infrastruktur angewiesen, aber damit der Bargeldkreislauf funktioniert, müssen Zentralbank, Finanzinstitute, Geld- und Wertdienstleister sowie Handel Maßnahmen zur Vorkehrung treffen.

Dank zahlreicher Innovationen im Zahlungsverkehr wandelt sich das Zahlungsverhalten der Konsumenten. Nach Kredit- und Debitkarte und ihrer Integration in das Smartphone wird als Nächstes der digitale Euro das Zahlungsverhalten verändern. Durch das kontaktlose Zahlen wird die Abwicklung des Zahlvorgangs an der Kasse zeitlich verkürzt und Transaktionskosten können potenziell geringer ausfallen.

Naturkatastrophen ein Risiko

Gleichwohl sind Handel und Konsumenten dabei auf eine gesicherte Stromversorgung und einen stabilen und sicheren Zugang zum Internet angewiesen. Dass dies nicht immer gewährleistet sein muss, können wir in der Ukraine seit eineinhalb Jahren beobachten. Es braucht aber keinen Krieg, um die Stromversorgung zu unterbrechen oder den Internetzugang zu stören. Ein Cyberangriff oder auch ein Softwarefehler können schon zu einem Ausfall führen, ganz zu schweigen von Naturkatastrophen, wie die Überschwemmung im Ahrtal gezeigt hat.

In einem Forschungsprojekt zur Bargeldversorgung in Not- und Krisensituationen, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, hat sich das Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS) in einem Konsortium, das alle wesentlichen Akteure des Bargeldkreislaufs berücksichtigte, mit zahlreichen Szenarien aus dem Bereich des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes beschäftigt. Mit Ausnahme der Coronapandemie hatten alle Szenarien das Potenzial, den elektronischen Zahlungsverkehr über längere Zeit zu stören. Das hocheffiziente digitale Zahlungssystem ist auf eine Vielzahl ineinandergreifender Infrastrukturen angewiesen. Gerade im Not- und Krisenfall kann es zu Einschränkungen kommen, die dazu führen, dass das bargeldlose Bezahlen nicht mehr funktioniert.

Güterversorgung der Bevölkerung sichern

In einem solchen Fall kommt dem Bargeld eine wichtige Funktion zu. Denn Bargeld ist als einziges Zahlungsmittel so geartet, dass es ganz ohne weitere Voraussetzung für den Kauf eingesetzt werden kann. Studien zeigen, dass in Not- und Krisensituationen der Bargeldbedarf regelmäßig ansteigt – sei es, weil andere Bezahlmethoden nicht mehr funktionieren oder weil es einen psychologisch beruhigenden Effekt auf Menschen in Krisensituationen hat.

Die Rolle des Handels ist in Not- und Krisenfällen von erheblicher Bedeutung. Es ist illusorisch, dass der Staat über seine Rettungsorganisationen über längere Zeit größere Teile der Bevölkerung mit notwendigen Gütern versorgt. Es ist daher wichtig,
dass der Bürger auch in der Krise von seinem Händler versorgt wird. Damit dies geschieht, braucht der Händler einen marktwirtschaftlichen Anreiz. Die Ware muss bezahlt werden. Und wenn nicht elektronisch, dann eben mit Bargeld. Nur mit der Aussicht auf Bezahlung kann die ausgeklügelte Logistik von Herstellern und Handel dafür sorgen, dass die Regale wieder aufgefüllt werden.

Präventive und praktische Maßnahmen

Doch damit die Bargeldversorgung auch im Krisenfall funktioniert, gilt es, darauf vorbereitet zu sein. Zur Steigerung der Resilienz des Bargeldkreislaufs hat das BIGS diesen untersucht und Empfehlungen herausgearbeitet. Grundlage dafür waren nationale und internationale Fallanalysen aus verschiedenen Befragungen und Experteninterviews sowie aus der Betrachtung der Rolle des Bargelds aus sozioökonomischer Sicht.

Dabei wurden auf der einen Seite allgemeine Empfehlungen zur Notfall- und Krisenvorsorge an die Akteure des Bargeldkreislaufs formuliert. Dazu gehören eine klare personelle Zuständigkeit oder Meldekette im Not- und Krisenfall. Weiterhin werden präventive und praktische Maßnahmen skizziert, die insbesondere den Geld- und Wertdienstleistern helfen sollen, ihre Dienstleistung auch in der Krise anbieten zu können. Denn diese sind die zentralen Akteure im Bargeld kreislauf, schließlich gilt es, das Geld von der Zentralbank zu den Filialen der Banken oder den Geldautomaten zu bringen und Letztere zu befüllen.

Schnittstellen in den Fokus nehmen

Auch der Handel will gerade in der Krise nicht auf einer erheblich gestiegenen Menge an Bargeld sitzen müssen. Im Fokus stehen hier Notfallpläne für die Stromversorgung, IT- und Kommunikationssysteme, Personal, aber auch die Priorisierung bei der Bedienung von Kunden. Ganz wichtig ist aber auch, dass nicht jeder für sich allein plant. Viele der Akteure des Bargeldkreislaufs verfügen über eigene Notfall- und Krisenkonzepte, die in den meisten Fällen auch inhaltlich umfassend sind. Defizite hingegen bestehen bei den Schnittstellen, der gegenseitigen Berücksichtigung der anderen Akteure in diesen Konzepten beziehungsweise der Kenntnis darüber, wie sich andere Akteure in der Krise verhalten werden. Daher müssen zukünftig vor allem die Schnittstellen in den Fokus geraten. Aus diesem Grund existiert mittlerweile eine Prüfmatrix für die Notfall- und Krisenkonzepte der Akteure des Bargeldkreislaufs, die die Schnittstellen in den Mittelpunkt stellt.

Koordinationsgremien für den Fall der Fälle

Ein gemeinsames Verständnis für das Handeln in der Krise wird auch durch gemeinsame Übungen entwickelt. Denn relevant ist nicht nur, dass die einzelne Organisation ihre Mitarbeiter schult und die in Krisenkonzepten vorgesehenen Abläufe regelmäßig übt, sondern dies sollte auch in Kooperation mit anderen Akteuren erfolgen. Hilfreich sind dabei Koordinationsgremien, deren Mitglieder sich im besten Fall schon vor der Krise kennengelernt haben. Von daher ist die kürzliche Ankündigung der Deutschen Bundesbank äußerst positiv zu bewerten, ein nationales Bargeldforum einzurichten und den Austausch zwischen den Akteuren zu institutionalisieren. Aus Ländern, die bereits mehr Krisenerfahrung als Deutschland haben, wissen wir, dass gerade solche institutionalisierten Foren hilfreich für das gegenseitige Verständnis und die Krisenbewältigung sein können. Bei der Umsetzung dieser Ideen besteht ein begründeter Anlass zur Hoffnung, dass der Handel nicht nur seinen Warenbestand in der Krise abverkauft, sondern sich auch weiterhin mit notwendigen Gütern beliefern lässt.

Schlagworte: Bargeldlos bezahlen, Sicherheit, Bargeld, Payment

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