Big Data

IT-Ferrari aus Mittelfranken

Datengetriebene Technologien beschleunigen im Handel den Wettlauf um das beste Kundenerlebnis. Auf den Analysedatenbanken des Unternehmens Exasol aus Nürnberg laufen dabei auch für große Konzerne die Fäden zusammen.

Von Ralf Kalscheur 01.02.2022

© stock.adobe.com

Daten sowie die nötige Technik zu ihrer Analyse stellen im modernen Handel wichtige Ressourcen dar.

Otto, Zalando, Adidas und Flaconi, die Verbundgruppe Intersport oder Blue Yonder, Anbieter KI-gestützter Lösungen für den Handel – sie alle gehören zu den Kunden der Exasol AG. Das Nürnberger Unternehmen ist ein „Hidden Champion“, einer jener häufig wenig bekannten deutschen Mittelständler, die in ihrer Branche oder Nische zu den Marktführern gehören. Fußballfans, die während Spielen der Nationalmannschaft auf die Bandenwerbung achten, könnte zumindest der Name des Analysedatenbankspezialisten ein Begriff sein: Seit rund einem Jahr ist Exasol Partner des Deutschen Fußball-Bundes – denn auch beim DFB wachsen die Datenberge in den Bereichen Marketing und Sports-Analytics.

Demokratisierung der Datennutzung

„Viele Unternehmen wissen um das Potenzial von Daten, schöpfen dieses aber noch nicht einmal ansatzweise aus“, erklärt Software-Entwickler Mathias Golombek, Mitglied des Vorstands und CTO bei Exasol. Datenanalyse sei dabei mit einem Motor vergleichbar: Je schneller und je mehr Daten hoher Qualität aus der Unternehmenshistorie analysiert werden könnten, desto stärker der Motor. „Wir bauen gewissermaßen einen extrem leistungsstarken Motor, den Ferrari unter den Datenbanken, den Unternehmen nutzen, um große Datenmengen besonders schnell auswerten zu können.“

Anders gesagt: Exasol bildet das Backend, das Big Data nahezu in Echtzeit abrufbar macht, damit die Tools und Dashboards anderer Hersteller, mit deren Hilfe etwa Reportings vorgenommen und Aufgabenstellungen formuliert werden, am Frontend effizient funktionieren.

Die Themen Data Warehousing und Business Intelligence gewinnen im kanalübergreifenden Wettbewerb nicht erst seit Corona an Bedeutung, die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Es geht darum, Daten über die eigenen Unternehmensabläufe sowie die von Kunden und ihren Customer Journeys, die aus verschiedenen Quellen stammen, zu harmonisieren und in einer zentralen Datenbank zusammenzuführen. Dort gespeichert, lassen sie sich mittels Algorithmen und Künstlicher Intelligenz für die Optimierung der Geschäftsprozesse nutzen.

So laufen auf der Exasol-Datenbankbasis teils automatisierte Prozesse zur Preisoptimierung oder Erfolgsmessung ab, zur Logistikplanung und Absatzvorhersage. Unternehmen können die Software im eigenen Rechenzentrum betreiben und damit Herr über sensible Daten bleiben oder auch in der Cloud nutzen und dort flexibel skalieren.

Außerordentlich schnell ist Exasols Software dank In-Memory-Technologie, bei der regelmäßig benötigte Daten dauerhaft direkt im Hauptspeicher hinterlegt und verarbeitet werden. Bei Bedarf können viele Nutzer gleichzeitig und unkompliziert auf die Daten zugreifen. „Das fördert die unternehmensinterne Datendemokratisierung“, betont Golombek. Die Vernetzung der verschiedenen Ebenen sei dafür unerlässlich, genauso wie die Einbeziehung der Mitarbeiter in die Veränderungsprozesse sowie digitale Weiterbildung. Nicht Geschwindigkeit der Datenabfrage und -verarbeitung allein sei erfolgsentscheidend für eine agile Datennutzung, sondern auch die Unternehmenskultur.

„Seit etwa zwei, drei Jahren setzt sich daher der Ansatz des Data Mesh als nächster Schritt in unserem Markt durch.“ Es sei nicht optimal, wenn sich ein Spezialistenteam um das Data-Warehouse kümmere, um damit weitere Spezialisten für die Erstellung von Reportings zu bedienen. „Wir müssen in der datengetriebenen Organisation dahin kommen, dass die Business-Anwender selbst mit den Daten auf der Plattform arbeiten können.“

Top-Position im Branchenranking

Otto hat Exasol im Rahmen seiner Plattformstrategie als Data Warehouse eingeführt. Adidas schickt seinen Kunden mit dem Motor von Exasol personalisierte E-Mails und Angebote, etwa wenn der Kunde laut datenbasierter Vorhersage neue Laufschuhe brauchen oder vom Fußball zum Golfsport wechseln könnte. Der Anlagenbauer Mangelberger stellt Schaltschränke für den Lebensmitteleinzelhandel her, mit denen er auf Exasol-Basis Sensordaten sammelt, um die Temperatur der Kühlschränke je nach Bedarf und aktuellem Strompreis zu regulieren.

Beim Beauty-Pure-Player Flaconi unterstützt die Exasol-Datenbank das Business Steering, das heißt, sie liefert Daten zum richtigen Zeitpunkt im benötigten Format. Reports, Real Time Alerts und Simulationsmodelle informieren die Verantwortlichen über bestimmte Kennzahlen, sodass sie jederzeit gezielt und agil steuernd eingreifen können. „Exasol ist für uns zum zentralen Tool geworden“, so Martin Nguyen, Director Strategy, Data und Analytics bei Flaconi. „Allem, was wir tun, liegt die Datenbank zugrunde.“

„Wir stehen in Konkurrenz zu den großen Datenbanksystem-Anbietern IBM, Microsoft und Oracle“, sagt Golombek. Zu Beginn sei es nicht einfach gewesen, große Kunden davon zu überzeugen, dass ein kleines deutsches Unternehmen besser ist als die amerikanische Tech-Übermacht. Umso bemerkenswerter, dass große Onlinehändler und selbst Konzerne wie Dell, Vodafone oder zuletzt als Neukunde die Deutsche Bahn ihre digitalen Geschäftsmodelle mithilfe von Highspeed-Technologie aus Franken weitertreiben.

Im Auftrag der Fachzeitschrift Computerwoche hat das Institut für Management und Wirtschaftsforschung mithilfe eines „Social Listenings“ ermittelt, wie Kunden, Mitarbeiter, Partner und sonstige Stakeholder im Markt über IT-Anbieter sprechen. Im Ranking der Anbieter von datennahen Services, die den besten Ruf genießen, belegt Exasol Platz drei.

Internationalisierung mittels Börsengang

Im Jahr 2000 gegründet, erwirtschaftete der Mittelständler an sechs internationalen Standorten 2020 einen ARR (Anual Recurring Revenue/wiederkehrende Umsatzerlöse) in Höhe von 24,1 Millionen Euro. Im Coronajahr ging Exasol erfolgreich an die Börse und erreichte ein Platzierungsvolumen von insgesamt 87,45 Millionen Euro. „Wir sind zuvor auch ohne Kapital von außen immer gewachsen. Der Börsengang verschafft uns die Mittel für die weitere Internationalisierung“, so Golombek. 

Insgesamt sind es nun rund 250 Beschäftigte. Golombek kündigt an: „2025 wollen wir die 100-Millionen-Euro-ARR-Marke knacken.“ 

Schlagworte: Big Data, Datenanalyse, Datenbank, Technologie

Kommentare

Ihr Kommentar