New Work

„Wir müssen experimentierfreudiger werden”

Irene Oksinoglu, Head of Project FutureWork bei der Otto Group, modernisiert den Berufsalltag im Konzern. Im Interview spricht sie über neue Raumkonzepte, lebenslanges Lernen und hybride, aktivitätsbasierte Arbeitsmodelle.

Von Josefine Köhn 21.10.2020

© Otto Group

Die Raumgestaltung ist ein Element von New-Work-Konzepten.

Seit Corona verbinden viele Menschen New Work vor allem mit Homeoffice und Videokonferenzen. Hinter diesem Begriff steckt aber mehr …

Mit New Work hat das aktuelle Erleben tatsächlich nicht viel zu tun. Wir befinden uns noch immer in einer Ausnahmesituation, ausgelöst durch die Coronapandemie, und erleben eine auf diese Krise hin neuorganisierte Arbeitswelt. In Fachkreisen wird New Work jedoch deutlich weiter aufgefasst: als Oberbegriff für innovative Ansätze im Berufsalltag, um mit den Herausforderungen des ständigen Wandels umzugehen. Grundvoraussetzung ist vor allem eine neue Haltung, die beispielsweise ganzheitliches Denken, lebenslanges Lernen und Empathie fördert. Alternative Arbeitsweisen, wie dezentrales Arbeiten, eine Neugestaltung der Arbeitsplätze oder individuelle Arbeitsmodelle können diese Veränderungen unterstützen und helfen, New-Work-Konzepte zu etablieren.

Welche neuen Arbeitsweisen und -welten hat die Otto Group bereits implementiert und welche wollen sie künftig noch etablieren?

Wir haben schon vor Corona auf das Prinzip Activity-Based-Working gesetzt. Das heißt, unsere Kolleginnen und Kollegen wählen ihren Arbeitsort so, wie er bestmöglich zur jeweiligen Aufgabe passt. Dies kann neben den vielen Möglichkeiten auf dem Otto-Campus auch das Zuhause oder ein anderer Ort sein. Am Campus wurden die Raum- und Technologiekonzepte entsprechend gestaltet. Für alle Aufgaben findet sich die optimale Arbeitsumgebung, zum Beispiel Projektflächen für vernetzte Zusammenarbeit, Bibliotheken für konzentrierte Stillarbeit oder Telefonzellen für vertrauliche Gespräche. Technisch versetzt Microsoft 365 seit einigen Jahren unsere 4.900 Kolleginnen und Kollegen in die Lage, von überall aus zu arbeiten. Die letzten Monate hat sich auch bei uns den Trend hin zu mehr mobilem Arbeiten spürbar beschleunigt. Dem müssen wir baulich, kulturell und technologisch Rechnung tragen. Langfristiges Ziel von Otto ist ein hybrides, aktivitätsbasiertes Arbeitsmodell, das die Vorteile von Campus- und mobiler Arbeit miteinander verbindet. Der Campus soll zukünftig vornehmlich für kollaboratives und kreatives Arbeiten sowie für die soziale Vernetzung genutzt werden.

Aus Ihrer Erfahrung: Worauf sollten Unternehmen achten, wenn sie bestimmte New-Work-Modelle einführen wollen?

Bei New Work gibt es keinen pauschalen Ansatz, der als Best Practice eins zu eins auf gesamte Organisationen übertragen werden kann. Mein Tipp: Zunächst genau hinschauen, woher man kommt und welche Identifikationswerte und kulturellen Rahmen bereits vorhanden sind, um anschließend zu prüfen, ob man diese wirklich verändern möchte. Darüber hinaus ist es wichtig, das Thema ganzheitlich zu betrachten und dabei den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Raumkonzepte, Technologie, Kultur und die Menschen – als Sozial- und Kulturwesen – können nicht getrennt voneinander gedacht werden. Zudem ist es essenziell, transparent und praxisnah über Ideen und Wirkzusammenhänge innerhalb der Organisation zu informieren, im engen Schulterschluss mit der internen Kommunikation.

Glauben Sie denn, dass New Work nur für Bürojobs funktioniert?

In meinen Überlegungen bewege ich mich in der Bürowelt. Ich bin überzeugt davon, dass diese Form des mobilen, flexiblen Arbeitens für bestimmte Arbeitskontexte und Menschen sehr sinnvoll ist und zu einer besseren Leistungsfähigkeit im Sinne der Gesundheit, der Zufriedenheit und den Unternehmenszielen führt. Sicherlich kann der Grundgedanke von New Work auch auf andere Arbeitsbereiche übertragen werden.

Könnte es nicht auch New-Work-Modelle für Menschen geben, die auf der Fläche arbeiten? Eine Kaffee-Ecke für Austausch und Meetings, Du-Kultur, die Möglichkeit für digitale Fortbildungen …

Grundsätzlich: Ja. Warum auch nicht, wenn sich der Trend weiter so rasant entwickelt? An dieser Stelle ein kleines Gedankenexperiment: Warum kann die Buchhaltung nicht zu Hause gemacht werden, es eine untertägige Schließung der Ladengeschäfte geben, weil die Beratung von Kunden und Kundinnen virtuell stattfinden oder geschäftliche Meetings und Dienstreisen via Videokonferenz vom Ort der Wahl durchgeführt werden? Natürlich könnten auch Raumkonzepte architektonisch angepasst werden. Persönlich wünsche ich mir, dass wir experimentierfreudiger werden und mehr neue Ansätze ausprobieren.

Irene Oksinoglu verantwortet als Leiterin der Initiative FutureWork seit 2017 die strategische Implementierung neuer Arbeitsweisen und -welten bei Otto. Zuvor arbeitete die Managerin, die seit dem Jahr 2006 im Unternehmen ist, als Leiterin der Produktberatung für Möbel und Heimtextilien sowie als Leiterin Customers Solutions und Customer Excellence.

Schlagworte: Digitalisierung, Interview, Otto-Group

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