Spielwarenhandel

Homo ludens trotzt der Krise

Das Weihnachtsgeschäft ist vorbei, die Branche blickt zurück: Im Jahr der Coronapandemie ist der Umsatz gewachsen. Der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS) sieht die Fachhändler jedoch im Wettbewerb stark benachteiligt, vor allem durch den Weihnachts-Lockdown.

Von Jens Gräber 15.01.2021

© Toynamics Europe GmbH

Kreativer Kopf: Experimentierkästen wie dieses magnetwissenschaftliche Labor kommen bei Kindern gut an.

Die durch die Coronakrise eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten haben der Spielwarenbranche im abgelaufenen Jahr über weite Strecken zusätzlichen Aufwind gebracht. So jedenfalls erklärt Steffen Kahnt, Geschäftsführer des BVS, die Umsatzsteigerung von 3,4 im Vorjahr auf nun 3,7 Milliarden Euro: „Die Menschen verbrachten mehr Zeit zu Hause und mussten sich beschäftigen, Erwachsene wie Kinder. Demzufolge gaben sie mehr Geld für Spiele und Spielzeug aus.“

Besonders gefragt: Spiele und Puzzles, kreative Spielzeuge zum Basteln und Malen, Experimentierkästen und Bausets sowie Actionfiguren. Vor allem in den wärmeren Monaten beliebt waren Outdoor-Spielzeuge. Kahnt: „Kein Wunder, da sich die Menschen angesichts von Reisebeschränkungen gezwungen sahen, ihren Urlaub im Garten oder auf dem Balkon zu verbringen.“

Nachteile im Festtagsgeschäft

Eine Sonderkonjunktur, dank derer stationäre Spielwarenhändler noch zu Beginn der Vorweihnachtszeit – solange die Läden noch öffnen durften – weniger stark unter der Krise litten als Vertreter anderer Handelsbranchen. „Es kamen zwar weniger Kunden, aber die kauften für höhere Summen ein“, fasst Kahnt die Berichte der Händler zusammen.

Diese relativ komfortable Situation jedoch hat kurz vor Weihnachten ein jähes Ende gefunden. „Der zweite Lockdown mitten im Weihnachtsgeschäft ist für die Fachhändler eine schwere Hypothek“, erklärt Kahnt. Der stationäre Fachhandel habe eine unfaire Wettbewerbsverzerrung hinnehmen müssen, da Drogerie- und Verbrauchermärkte ebenso wie Discounter Spielzeug im Sortiment haben und weiter öffnen durften, kritisiert der BVS-Vorsitzende Wieland Sulzer. Schon das Ostergeschäft sei den stationären Fachhändlern entgangen, nun auch große Teile des wichtigen Weihnachtsgeschäfts.

Immerhin: „Per Telefon, E-Mail, Webshop, WhatsApp oder Facebook konnten Kunden bei den Händlern weiterhin Spielzeug für Weihnachten einkaufen“, so Sulzer. Eine Mehrheit der Bundesländer sei auch der Forderung des Handels nachgekommen und habe die Abholung von im Netz bestellter Ware in den Läden erlaubt – das sogenannte Click-and-Collect-Verfahren. In Ländern wie Österreich allerdings sei der stationäre Verkauf von Spielzeug im Lockdown generell stärker begrenzt worden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Eine solche Lösung hätten sich viele Spielwaren-Einzelhändler auch hierzulande gewünscht.

Zahlen belegen, dass sich viele Deutsche beim Spielzeugkauf während der Pandemie vom stationären Fachhandel abgewandt haben: Waren im Vorjahr 26 Prozent des insgesamt erzielten Umsatzes über diesen Kanal abgewickelt worden, sind es 2020 nur noch 18 Prozent gewesen. Profitiert haben dagegen Verbrauchermärkte, Discounter und der Onlinehandel (siehe Grafik).

Zwar sind während der Pandemie auch viele ursprünglich stationäre Fachhändler in den E-Commerce eingestiegen, doch auch hier sieht der BVS keinen fairen Wettbewerb sichergestellt. So könnten asiatische Anbieter ihre Ware hierzulande verkaufen, ohne sich dabei an geltende Standards der Produktsicherheit zu halten oder Verantwortung für die Entsorgung der Altgeräte übernehmen zu müssen. Wer die Regeln einhalte, sei daher im Nachteil, führt Kahnt aus.

Vollzugslücke bei Marktüberwachung

Es gebe eine wachsende Zahl von Spielwaren, die hierzulande in Verkehr gebracht würden, obwohl sie nicht europäischen Sicherheitsstandards entsprechen. Im kommenden Sommer tritt zwar die europäische Marktüberwachungsverordnung in Kraft, die diesen Zustand beenden soll. Kahnt warnt jedoch, es gebe weiterhin eine Vollzugslücke: „Die Frage lautet: Wie können diese im außereuropäischen Ausland sitzenden Betreiber überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden?“

Eine Möglichkeit könnte sein, bestimmte Anbieter und Plattformen für in Europa lebende Internetnutzer zu blockieren. „Ein schwieriges Thema, weil man damit Zensur ausüben müsste“, so Kahnt. Der Frage nach der Durchsetzung geltenden Rechts aber werde sich die Politik stellen müssen – und das am besten nicht erst dann, wenn das erste aus China stammende Plüschtier Feuer gefangen habe.

Angesichts solcher Herausforderungen rückt die Branche enger zusammen. Seit Jahren schon bietet der BVS gemeinsam mit großen Fachhändlern wie MyToys.de und Vedes im Network Toys Germany (NTG) eine IT-Lösung an, um den elektronischen Austausch von Stamm- und Bewegungsdaten in der Spielwarenbranche zu vereinfachen. Ein Service, der im Jahr der Coronakrise stärker nachgefragt war, wie Kahnt berichtet. Neu im Kreis der Nutzer ist etwa Rofu Kinderland, ein großer, im Süden und Westen Deutschlands verbreiteter Spielwarenhändler.

Per Dropshipping E-Commerce starten

Seit Kurzem bietet das NTG auch eine Dropshipping-Lösung an, die den beteiligten Unternehmen zur Verfügung steht. Das Angebot kommt zur rechten Zeit: Dropshipping bedeutet, dass die Ware nicht beim Händler lagert, sondern der Lieferant sie nach Verkauf direkt an den Endkunden schickt –​ eine Möglichkeit zum niedrigschwelligen Einstieg in den E-Commerce also, die während der Coronapandemie gefragt sein dürfte.

Schlagworte: Spielwarenhandel, Coronakrise, Coronavirus, Lockdown

Kommentare

Ihr Kommentar