Ihre Geschäftsidee illustriert Clara Becker mit einer persönlichen Story: Im kleinsten Schuhladen Hamburgs findet sie ein Paar aus Kalbsleder, das ihr gefällt. Die Händlerin kann ihr die Schuhe nicht direkt in der passenden Größe verkaufen, weiß aber Anekdoten über den exklusiven Hersteller in Spanien zu berichten, über den individualisierten Fertigungsprozess und das malerisch schöne Setting der Produktion. Die Wartezeit beträgt zwar zehn Wochen, doch Becker kauft ihr die Geschichte und die Schuhe ab.
„Wir haben uns gefragt, wie man Storytelling in größere Handelsstrukturen übertragen kann“, erzählt Becker, Mitgründerin des Start-ups Humino. Die Beziehungsbildung zwischen Verkäufer und Produkt ist eine Herausforderung für das Management, insbesondere in Branchen mit schnell wechselnden Sortimenten verschiedener Marken. Die Verkäufer brauchen überzeugende Verkaufsargumente zur Gestaltung ihrer Beratungsgespräche sowie ein leicht zugängliches Medium, das ihnen den Content vermittelt.
Verkäufer werden zu Geschichtenerzählern
Hier kommt Humino ins Spiel. Im Rahmen von Coaching-Programmen bringen Becker und Co-Geschäftsführerin Sina Sperlich Teamleitern oder Einkäufern bei, Storyboards zu entwickeln und kurze Videos zu drehen, die etwa Hintergrundinformationen zu neuen Kollektionen oder Trend-Updates vermitteln. „Bei unserem Kunden Butlers haben wir es erreicht, dass Verkäufer in 82 Filialen der Wohnmarke zu Geschichtenerzählern wurden“, sagt Becker.
Überdies führt das erst vor rund einem halben Jahr gegründete Start-up bei der Wohnmarke die Kommunikationsapp Beekeeper ein, die auf den privaten Smartphones der Mitarbeiter läuft. Etwa 70 Prozent der 800 Butlers-Mitarbeiter nutzen die App und können die Erklärvideos abrufen oder sich in Chatrooms austauschen, wann es ihnen passt. Auch Führungskräfte nutzen das soziale Intranet, was Transparenz und Teamgefühl fördert. „Die ganze Zentrale fühlt sich wieder mehr verantwortlich für unsere Filialen“, lobt Butlers-CFO Jörg Funke das Projekt, das die klassische Top-down-Kommunikation per E-Mail ersetze.
Stärkere Identifikation mit dem Unternehmen
Hinter Humino steht der Mode-Unternehmer Marc Ramelow. Das gleichnamige Familienunternehmen betreibt in Norddeutschland acht Filialen. Becker, Absolventin eines Textile- and-Clothing-Management-Studiums, kommt im Jahr 2016 dazu. Als Marketingleiterin treibt sie die Entwicklung der mit einem Inkometa-Award für erfolgreiche interne Kommunikation ausgezeichneten Mitarbeiterplattform voran. Seitdem sind die 350 mit ihren privaten Smartphones angeschlossenen Ramelow-Verkäufer um Storys am PoS nicht verlegen. „Jede Innovation ist nur dann hilfreich, wenn die Mitarbeiter sie auch verstehen und annehmen“, betont die 31-Jährige.
Marken wie Tom Tailor und Esprit buchen Humino für Innovationsworkshops. Kleinere Händler lassen sich von den Digitalisierungspädagoginnen kostensparend interne Netzwerke über kostenfreie Plattformen wie WhatsApp einrichten oder in der Nutzung von Endlosregal-Apps wie „Clara“ von Fashion Clouds zur Onlinebestellung auf der Fläche schulen. „Es ist nicht leicht, Verkäufer davon zu überzeugen, berufliche Apps auf ihre privaten Handys zu laden“, erzählt Becker. „Doch es spart Kosten, erhöht die Identifikation mit dem Unternehmen und eröffnet neue Möglichkeiten des E-Learnings.“
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