Mobile Payment: Smarter kassieren

Mit Apps und kleinen Kartenlesegeräten rüsten Händler ihre Smartphones und Tablets zu Bezahlterminals auf. So können sie ihre Kunden überall kostengünstig mit EC- und Kreditkarten bezahlen lassen.

Von Iris Quirin 30.09.2015

„Unsere Kunden sind erstaunt, wenn sie mit Karte bezahlen wollen und wir ihnen ein iPad reichen“, erklärt Moritz Biel, Mitgründer und Geschäftsführer des Berliner Unternehmens Stoffbruch. Er hatte mit skeptischen Kommentaren gerechnet, doch die blieben aus. Im Gegenteil: „Die meisten finden, dass die moderne Bezahlmethode gut zu unserem Image als Modelabel passt“, sagt der Unternehmer. In ihrem Laden in Friedrichshain sowie auf Messen verkaufen Biel und sein Kompagnon André Hofmann ihre Kollektion, die Business- und Streetwearelemente kombiniert. Seit mehreren Monaten nutzen sie eine mobile Kassenlösung des Anbieters SumUp. Das lohnt sich. „Die meisten Kunden bezahlen mit Karte“, sagt Biel.

Nach einer aktuellen Studie des EHI Retail Institute werden derzeit 43,7 Prozent des gesamten stationären Einzelhandelsumsatzes in Höhe von 390 Milliarden Euro per Karte abgewickelt. Der kartengestützte Umsatz des Einzelhandels hat sich damit in den vergangenen 20 Jahren mehr als verachtfacht. Händler scheuen jedoch meist die Investitionen in herkömmliche Kartenterminals und deren hohe Gebühren. Zum Verdruss ihrer Kunden akzeptieren sie häufig nur Bargeld. Oftmals entgeht ihnen dadurch ein lukratives Geschäft, weil Kunden nicht genügend Bargeld dabeihaben und auch nicht erst zum nächsten Geldautomaten gehen wollen.

Kundenwohl dank Kartentrick

Die Lösung dieses Problems liegt sprichwörtlich auf der Hand: Die meisten Händler besitzen heute ein Smartphone oder ein Tablet. Was liegt da näher, als die Geräte mit Apps und mobilen Kartenlesegeräten zu vollwertigen Bezahlterminals aufzurüsten? Die Idee stammt vom US-Bezahldienst Square, der hierzulande viele Nachahmer wie Payleven, SumUp, iZettle, Lexware pay oder Orderbird gefunden hat. Das Prozedere ist bei allen ähnlich (siehe Kasten). Der Vorteil der mobilen Kassensysteme: Die Händler können die smarte Bezahlmethode nicht nur im Geschäft, sondern auch unterwegs, auf Messen und Märkten oder direkt beim Kunden anbieten.

Einen Zusatznutzen sieht Ulrich Binnebößel, Experte Zahlungsverkehr beim HDE, auch für diejenigen, die bereits ein herkömmliches Kreditkartenterminal haben: „Ohne laufende Kosten erhalten sie mit den mobilen Kassensystemen ein weiteres Terminal für Spitzenzeiten wie Weihnachten oder Ostern“, sagt er. Dass Kaufwillige die begehrten Schmuckstücke nicht mitnehmen können, nur weil sie nicht genügend Bargeld dabeihaben, ist für Manuela Hartmann-Isleb aus Berlin kein Thema mehr. Die Geschäftspartnerin des Magnetschmuckanbieters Energetix Bingen bietet ihnen die Möglichkeit, den Schmuck bequem mit EC- oder Kreditkarte zu kaufen. Dazu hat sie immer den kleinen Kartenleser des Anbieters Payleven in der Tasche. Diesen verbindet sie über Bluetooth mit ihrem Smartphone und steckt die EC- oder Kreditkarte des Kunden in das Gerät. Wie gewohnt bestätigt der Kunde die Zahlung daraufhin mit seiner PIN.


HDE-Toolbox-Tipp: Händler-App
Neben der Möglichkeit, über das Handy zu bezahlen oder auf Informationen der Händlerwebseite zuzugreifen, entscheiden sich einige Händler auch dafür, eine eigene App zu entwickeln, um damit dauerhaft auf dem Smartphone ihrer Kunden präsent zu sein. Wie eine Händler- App aussehen kann und ob für Sie eine Händler-App infrage kommt, können Sie im neuen Modul „Mobile“ der HDE-Toolbox nachlesen: bit.ly/1t8JIV3


Die Daten werden über das Smartphone so sicher wie bei herkömmlichen Kartenterminals übertragen. Die Abrechnung erhält Hartmann-Isleb automatisch per E-Mail, sieht sie aber auch sofort auf ihrem Smartphone. Das kleine Gerät beschert ihr sogar Umsätze quasi nebenbei: „Neulich hatte ich bei einem Geschäftstermin meine Kollektion auf dem Tisch liegen“, erzählt sie. „Eine Dame vom Nachbartisch kaufte spontan ein Armband und freute sich, dass sie es mit ihrer Karte bezahlen konnte.“

Ein mobiles Kassensystem speziell für die Gastronomie bietet Orderbird an. Das nutzt die Berliner Unternehmerin Ulrike Marschner in ihrem Germknödelladen „Häppies“ am Prenzlauer Berg. „Mein Germknödelkonzept beruht darauf, dass das Essen nicht immer kompliziert und teuer sein muss. Dasselbe erwarte ich von einem Kassensystem“, erklärt sie. Marschners Kasse besteht aus einem iPad, einer App, einer Lade und einer Softwarelizenz für ein Jahr. Im iPad hat sie ihr gesamtes Sortiment mit den dazugehörigen Preisen gespeichert. Wie traditionelle Systeme bietet es alle wichtigen Informationen wie Umsatzstatistiken und Produktverkaufsübersichten. Auch eine DATEV-Anbindung zu ihrem Steuerberater ist vorhanden. Im Laden nimmt die Gastronomin übers iPad die Bestellungen auf und sendet sie über WLAN an das Kassensystem. „Meine Kunden finden es toll, dass ich technisch up to date bin“, sagt Marschner erfreut.


Mobile Kassensysteme im Überblick

Das Prozedere ist bei allen Systemen ähnlich: Die Nutzer registrieren sich beim Anbieter ihrer Wahl mit ihren Daten und ihrer Bankverbindung und laden die entsprechende App des Anbieters hoch. Sie erhalten innerhalb weniger Tage den Kartenleser – ein kleines Einsteckmodul, das in den Kopfhörereingang des Smartphones oder Tablets gestöpselt oder via Bluetooth verbunden wird. Einige Anbieter haben überdies auch sogenannte iPad-Kassensysteme mit dem vollen Funktionsumfang einer herkömmlichen Kasse im Repertoire.

iZettle
Zielgruppe: kleine Händler und Dienstleister
Kosten: Einsteck-Kartenlesegerät Lite mit Chip und PIN: kostenlos; Kartenleser Pro mit Bluetoothverbindung und integriertem Display: 79 Euro; Betriebskosten per Umsatz: 0,95 Prozent pro Transaktion bei EC-Karten, 2,75 Prozent bei Kreditkarten
izettle.com

Payleven
Zielgruppe: kleine Händler und Dienstleister
Kosten: Kartenlesegerät: 79 Euro, mit Bondrucker: 289 Euro; Betriebskosten: 0,95 Prozent pro getätigte Zahlung mit EC-Karten, 2,75 Prozent bei Kreditkarten
payleven.de

Lexware pay
Zielgruppe: Apple-Nutzer, Android-Version ist geplant.
Kosten: Swipe & Sign; Betriebskosten: 0,75 Prozent des Bruttoumsatzes plus 0,15 Euro pro Transaktion; Chip & PIN: ab 1 Euro plus 0,15 Euro pro Transaktion
lexoffice.de/kartenzahlung

SumUp
Zielgruppe: Händler, Dienstleister, Gastronomen
Kosten: 10 Euro für Swipe&Sign-Kartenleser, PIN&Terminal: 79 Euro; iPad-Kassensystem: SumUp Point of Sale Box: 999 Euro, Software und Service monatlich 45 Euro; Betriebskosten: 0,95 Prozent pro getätigter Zahlung mit EC, 2,75 Prozent bei Kreditkarten
sumup.de

Orderbird
Zielgruppe: iPad-Kassensysteme für die Gastronomie
Kosten: kostenloser Download der App im Apple AppStore; monatliche Lizenzgebühr pro Gerät ohne Vertragsbindung: 49 Euro, 490 Euro für ein Jahr; Hardware und Installation: einmalig 599 Euro; Kartenlesegerät: einmalig 99 Euro
orderbird.com

Schlagworte: mobile Payment, mobile Kassen

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