E-Commerce: Kür ist Pflicht

Auf dem Kongress Online Handel in Düsseldorf diskutierten Experten die Erfolgsfaktoren für den E-Commerce. Die Bezahlverfahren der Zukunft standen im Fokus der parallel veranstalteten Payment World. Ein Ergebnis: Unternehmen, die hinterherhinken, straft der Kunde ab.

Von Ralf Kalscheur 23.02.2016

© Norbert Ittermann

Während auf der Bühne die großen Themen der Digitalisierung beleuchtet wurden, tauschten sich die Besucher im Rahmen der Kongressmesse aus.

In einigen deutschen Internetkaufhäusern ist das E-Commerce-Know-how durchaus ausbaufähig, so die Erfahrung von Freya Oehle. Auf der Bühne der 12. Online Handel, erstmals in Düsseldorf, nahm die junge Mitgründerin des Start-ups Spottster kein Blatt vor den Mund. Selbst mit Vertretern großer Onlineshops habe sie Gespräche „im Erklärbär-Ton“ geführt, sagte Oehle: „Ich musste dann oft erst mal erklären, was ein Datenfeed ist.“ Spottster ist eine digitale Einkaufsliste, auf der User Artikel aus angeschlossenen Onlineshops vormerken und mit einem Preisalarm verbinden können. Das Portal bündelt Produktdaten aus 1 600 Shops. Viel Gesprächsstoff für den Erklärbär.

Die Messe Online Handel im Van der Valk Airporthotel, veranstaltet vom Management Forum der Verlagsgruppe Handelsblatt in Kooperation mit dem HDE, war nicht arm an Erkenntnissen und klaren Worten. „Innovation ist durch CEOs getrieben, die offen sind“, sagte Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung Köln (IFH). Ein gutes Beispiel für den digitalisierungsaffinen Chef gab Olaf Koch ab. Der Vorstandsvorsitzende der Metro Group schilderte in seinem Beitrag die späte, doch „fundamentale Transformation“ eines Riesen, der nicht mehr einfach Waren und Dienstleistungen anbietet, sondern danach fragt, was der vernetzte Kunde braucht. „Er ist der Superhero“, sagte Koch, „darum haben wir den Kundenmehrwert in den Mittelpunkt gestellt.“

Kundenbindung fusst auf Service

Stichwort Customer Value: „Im hart umkämpften Onlinemarkt wird die Kür schnell zur Pflicht. Shops, die hinterherhängen, werden von den Kunden schnell abgestraft“, sagte Hudetz, der auf der Messe die Studie „Erfolgsfaktoren im E-Commerce Vol. 5“ präsentierte. Für die in Zusammenarbeit von ECC Köln mit den Beratern von Dot Source erstellte Publikation befragten die Forscher rund 8 000 Kunden von 77 Onlineshops.

Zum Pflichtprogramm zählen laut Studie etwa zielgruppenorientierte Sortimentsumfänge, Rabatte sowie eine kostenlose Lieferung ab Mindestbestellwert. Kriterien, wie Webdesign oder regelmäßige Informationen zum Bestellstatus, zählten noch zu den Begeisterungsanforderungen. Doch: „Begeisterungsanforderungen von heute sind Basisanforderungen von morgen“, so die Studienautoren. 62 Prozent der Befragten fordern einen umfassenden Servicebereich im Onlineshop. Servicekriterien nehmen in puncto Kundenbindung immer weiter an Bedeutung zu.

Überraschungsgast in Düsseldorf war Ex-Karstadt.de-Chef Terry von Bibra. Der neue Deutschlandchef der chinesischen Händlerplattform Alibaba beschrieb das Geschäftsmodell eines Giganten, der bekannte Dimensionen sprengt. Beim Single’s Day 2015, einer chinesischen Black-Friday- Variante, „gingen bis zu 140 000 Bestellungen pro Sekunde ein“, referierte Bibra. In zehn Jahren gehört eine halbe Milliarde Chinesen der Mittelschicht an, frohlockte der Manager, die aktuellen Konjunktursorgen in Fernost relativierend. Alibaba konnte den Umsatz im abgelaufenen Quartal um 32 Prozent auf umgerechnet 4,8 Milliarden Euro steigern. Was vom neuen Münchner Alibaba-Standort zu erwarten ist? „Wir werden alles Mögliche ausprobieren“, sagte der Manager.

Ausprobieren, so lautete auch das Stichwort für Ebay in Mönchengladbach. Nach 100 Tagen zog Stephan Zoll, Vice President Ebay Deutschland, ein überaus positives Zwischenfazit des Pilotprojekts. 70 Händler beteiligen sich an der lokalen Plattform und erwirtschafteten bereits mehr als eine Million Euro Umsatz. „Eine sehr stattliche Zahl“, sagte Zoll. Bemerkenswert: Die Kundschaft ist nicht niederrheinisch, sondern international. Die Händler – 30 von ihnen waren zuvor gar nicht online – können im Schnitt mit einem zusätzlichen Jahresumsatz von 90 000 Euro rechnen, prognostizierte Zoll.


Die Top-Shops des Jahres
Auf Basis der Erfolgsfaktorenstudie E-Commerce haben die Veranstalter die Online-Handels-Awards 2016 verliehen. Das ECC Köln, Management Forum und der HDE zeichneten die besten Shops aus Sicht von 8 000 befragten Kunden in insgesamt sieben unterschiedlichen Branchen aus. Bereits zum fünften Mal in Folge konnte Musikhaus Thomann die Kategorie Sport & Freizeit für sich entscheiden. Das Familienunternehmen aus Treppendorf ist ein wahres Internetphänomen. Die weiteren Sieger: Hornbach (Heimwerken und Garten), Notebooksbilliger.de (CE und Elektro), Gerry Weber (Fashion und Accessoires), Douglas (Fast Moving Consumer Goods), Amazon (Generalisten) und Westwing (Wohnen und Einrichten).


Die Erfolgsmeldung ist Balsam für das gebeutelte Unternehmen. Im vierten Quartal brach der Gewinn von Ebay gegenüber dem Vorjahreswert um die Hälfte ein, der Umsatz stagnierte. Rivale Amazon hingegen, Benchmark der ECC-Erfolgsfaktorenstudie und Maßstab fast aller Messethemen, hat seinen Gewinn verdoppelt. Amazon vereint laut ECC 38 Prozent des Online- Umsatzes in Deutschland auf sich. Es wurde deutlich: Für die Onlineshops hierzulande kann es nur darum gehen, sich abzuheben und ein Auskommen irgendwo neben Amazon zu finden.

Kreditkarte bleibt stecken

Die Vernetzung der Verkaufskanäle ist der Schlüssel zum Erfolg für den stationären Handel. Und die Cross-Channel-Strategie für mobile Endgeräte zu optimieren, ist dabei längst keine Kür mehr. Das schließt mobile Bezahlverfahren ein. „Der Kunde im Einzelhandel lässt die Kreditkarte stecken“, sagte Hugo Godschalk auf dem parallel vom Management Forum ausgerichteten Fachkongress Payment World. Der Kreditkartenumsatz im Handel ging 2014 insgesamt sogar um 1,9 Prozent zurück, es wird immer weniger Umsatz pro neu herausgegebene Karte erzielt. „Wir haben keine Erklärung für dieses Phänomen“, so der Chef von PaySys Consultancy.

Die Deutschen zahlen bar, bei fast 80 Prozent aller Transaktionen. Um den mobilen Kanal am POS zu erschließen, müsse der Bezahlprozess den Kunden Mehrwerte bieten, sagte Sibylle Strack: „Und noch wichtiger, als den Bezahlprozess mit Belohnungen zu verbinden, ist die Einfachheit.“ Alle Girocards sollen künftig neben Girogo auch mit der NFC-Funktion zum kontaktlosen Bezahlen ausgestattet werden, kündigte die Leiterin Zahlungsverkehr beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband an: „Stationäres Bezahlen ist für uns NFC und Tap-and-go.“

Schlagworte: Digitalisierung, E-Commerce, Kongress, Onlinehandel

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