Auch in der Onlinewelt der Preisvergleiche zählt nicht billig allein. Zwei entscheidende Fragen treiben Händler und Markenhersteller um: Welche Produkte möchte der Konsument kaufen? Und welchen Preis ist er bereit dafür zu zahlen? Im Onlinegeschäft sind Antworten auf diese Fragen nur über eine Auswertung des Kaufverhaltens und der Kundenbewertungen zu bekommen.
Um Optimierungspotenziale zu erkennen, ist dabei der Blick über den Tellerrand unerlässlich: Das Portfolio der Konkurrenz lässt zusammen mit Kundenbewertungen viele Rückschlüsse auf Käuferpräferenzen und erzielbare Preise zu. Diese Informationen sind zwar jedem öffentlich zugänglich, aber es sind zu viele, als dass Händler diese selbst systematisch erfassen und analysieren könnten.
Genau darauf sind Anbieter wie Webdata Solutions spezialisiert. „Wir zeigen unseren Kunden, dass es auch eine Strategie fernab der Niedrigpreise gibt, die Erfolg versprechend und vor allem wettbewerbsfähig ist“, betont Carina Röllig, Geschäftsführerin und eine der drei Gründerinnen des Start-ups.
Am Anfang stand die Technologie
Als sie im Jahr 2006 in einem Forschungslabor an der Universität Leipzig arbeiteten, dachten die Informatikerinnen Hanna Köpcke und Sabine Maßmann, die später mit Carina Röllig Webdata Solutions gründen sollten, noch gar nicht an das Thema Marktanalyse. Sie waren auf Datamining und -matching spezialisiert, also auf das Sammeln und den Abgleich großer Datenmengen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen wollten sie eine Software entwickeln, die Big Data auf vielen Seiten im Internet sammeln und vergleichen konnte. Im Jahr 2010, als die Technik schon weit entwickelt war, stieg Kauffrau Röllig in das Projekt ein.
Die Frauen entschieden sich dafür, ihre Software auf den Vergleich von Produktdaten in Webshops auszurichten und sie marktfähig zu machen. Im Januar 2012 schließlich gründeten die drei Webdata Solutions und entwickelten ihr Produkt weiter, um es zu vermarkten. Im gleichen Jahr hatten sie auch schon die ersten zwei Kunden. Einer davon war das Unternehmen „windeln.de“, das bis heute zum Kundenstamm gehört. Ihr Produkt nannten die Unternehmerinnen „Blackbee“ und spielten damit auf eine Biene an, die fleißig Daten sammelt. Der Honig dieser Biene ist „Retail Intelligence“: Marktinformationen, die es Herstellern und Händlern ermöglichen, Markttrends zu erkennen, Preise und Portfolio an die Nachfragestruktur anzupassen und ihre Produktpalette optimal in Onlineshops zu positionieren.
Nackte Daten über Jeansmode
Die Kunst besteht dabei darin, aus den riesigen, unstrukturierten Datenmengen zu Produkten, die in vielen Onlineshops und auf Portalen weltweit in verschiedenen Sprachen angeboten werden, genau die Informationen herauszufiltern, die der Kunde für die Optimierung seiner Positionierung nutzen kann. Um an einem typischen Beispiel seine Arbeit darzustellen, hat das Start-up im Frühjahr 2015 den „Blackbee Jeans Report 2015“ präsentiert. Der Bericht gibt einen Einblick in die Informationen, die sonst der zahlende Kunde erhält. Webdata Solutions verglich in der Studie das Jeans-Portfolio der drei Onlineriesen Amazon, Otto und Zalando.
Die Analyse zeigte zunächst, dass Amazon mit etwa 11 000 verschiedenen Artikeln mit Abstand die meisten Jeans im Angebot hatte, gefolgt von Otto mit 7 000 und Zalando mit 4 400 unterschiedlichen Produkten. Von den insgesamt rund 22 400 Paar Jeans waren 12 000 Damenjeans, etwas über 8 300 waren Modelle für Herren und knapp 1 900 der Beinkleider waren für Kinder. 470 unterschiedliche Marken standen zum Verkauf; wie viele Produkte pro Marke angeboten wurden, war ebenfalls Teil der Untersuchung.
Beim Preis schnitt Otto am günstigsten ab: Der Durchschnittspreis für eine Jeans betrug 61,38 Euro, bei Amazon lag er mit 72,06 Euro mehr als zehn Euro darüber. Zalando positionierte sich mit durchschnittlich 91,09 Euro preislich klar höher als die Konkurrenten, der Anbieter hat aber auch eine Preisspanne von 417 Euro. Zum Zeitpunkt der Erhebung verkaufte Zalando die teuerste Jeans für 429,95 Euro. Die Informationstiefe der Analyse umfasste auch den für den E-Commerce wichtigen Faktor Bewertungen: Der Anteil der Produkte mit Bewertungen ist bei Otto mit 67 Prozent besonders hoch, bei Zalando wird noch gut jeder zweite Kauf bewertet (55 Prozent), während es bei Amazon nur noch jeder dritte Artikel ist (34 Prozent).
Eine vergleichbare Zusammenfassung frei zugänglicher Daten von konkurrierenden Webshops und deren Nutzern stellt Blackbee seinen Kunden regelmäßig und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten zur Verfügung. Auch kleinere Händler können mit der Software ihre Preise optimieren und das Sortiment anpassen. Die Analyse kann je nach Firmengröße und Bedarf skaliert werden und als Software-as-a-Service, als Data-as-a-Service oder als Enterprise-Version genutzt werden. Bei der Auswahl des passenden Service und bei seiner Implementierung helfen Berater den Kunden.
Senkrechtstart der Biene
Aus ihren Beobachtungen leitet Carina Röllig ab, dass viele E-Commerce-Händler, die Markenartikel anbieten, sich auf Dauer nicht allein auf Webshops beschränken, sondern zumindest einige davon stationäre PoS eröffnen werden. „Es wird sich letztlich nicht auf ein ‚Entweder-oder‘ einspielen“, betont Röllig. Zwar werde das Onlinegeschäft weiter wachsen, aber es entwickle sich künftig in Kombination mit stationären Läden. Gleichzeitig geht sie davon aus, dass immer mehr rein stationäre Händler und Hersteller den Multichannel-Ansatz verfolgen werden, um weitere Vertriebskanäle zu erschließen.
Wie groß der Bedarf an ihrer Dienstleistung ist, merkten Köpcke, Maßmann und Röllig schon auf der Dmexco 2012. Auf der Messe für die digitale Wirtschaft sammelten sie in zwei Tagen 130 Kontakte von Interessenten. Nachdem im Februar 2013 der Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) 500.000 Euro in ihr Unternehmen investierte, konnten die Frauen ihre Mitarbeiterzahl auf 15 steigern und im Folgejahr noch einmal verdoppeln. Eine zweite Finanzierungsrunde mit den Investoren Seventure Partners, Senovo, b-to-v Partners und dem Alt-Investor TGFS brachte dem Unternehmen 4,1 Millionen Euro ein.
Das Gründerinnengespann holte zwei neue Kollegen ins Führungsteam und beschäftigt heute 36 Mitarbeiter, die über 50 Kunden bedienen. Zu den namhaften Kunden zählen Douglas, Jack Wolfskin und My-Toys. Carina Röllig ist davon überzeugt, dass ihr Unternehmen weiterhin stramm wachsen wird. Natürlich gibt es auch für Blackbee Konkurrenz, aber die Gründerinnen meinen, dass der Matching-Algorithmus ihrer Software eine höhere Datenqualität liefere als die Programme der Mitbewerber. Die Qualität überzeugte auch die Jury des Eco Internet Award 2015. Die formulierte es so: „Mit Blackbee werden aus Daten Informationen.“ Die Lösung habe das Potenzial, global viele Märkte zu beeinflussen, hieß es bei der Preisübergabe an die Gewinnerin Blackbee aus Leipzig in der Kategorie E-Commerce.
Carina Röllig schätzt, dass Angebote wie Blackbee in fünf Jahren Standardlösungen sind, die Webshops und Markenhersteller einfach haben müssen, um mit der Konkurrenz auf Augenhöhe zu bleiben. Mit dieser Entwicklung werde Webdata Solutions nicht nur weiter wachsen, sondern auch verstärkt internationales Parkett betreten, so Röllig. Schon jetzt hat das Unternehmen auf dem europäischen Markt Fuß gefasst, zum Beispiel in Italien und Großbritannien. Die Internationalisierung hat begonnen, der amerikanische Markt wäre der nächste Schritt.
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