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Im unübersichtlichen Onlinefashionmarkt suchen Konsumenten Orientierung auf Social-Shopping-Plattformen. Diese bündeln nicht nur Sonderangebote, sondern inspirieren auf unterhaltsame Weise zum Kauf.

Von Ralf Kalscheur 28.09.2016

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Der durchgestrichene Preis ist so etwas wie das Logo der Modebranche geworden. Jüngere Zielgruppen wachsen mit den textilen Billigangeboten von Fast-Fashion-Händlern auf und finden auf Preisvergleichsportalen Schnäppchenware im Netz. In der Bilanz der Frühjahrssaison kam die durch Saisons und Trends kaum mehr unterbrochene Rabattschlacht auf einen neuen Rekordwert: So viele Fachhändler setzten frühzeitig den Rotstift an, dass laut GfK zum ersten Mal mehr als ein Drittel der verkauften Artikel zu reduzierten Preisen über die Theke ging.

75 Prozent aller offline getätigten Einkäufe werden per Onlinerecherche vorbereitet. Gefragt sind digitale Geschäftsmodelle, die Konsumenten Auswahl, Orientierung und Inspiration bieten, ohne Kaufentscheidungen allein vom Preis abhängig zu machen. Eine McKinsey-Analyse hat ergeben, dass sich jeder vierte Shopper in Deutschland durch redaktionelle Artikel auf den Webseiten der Onlinemodehändler und in Newslettern zum Kauf verführen lässt. „Reine Preissuchmaschinen benutzen die Leute nur dann, wenn sie schon eine ungefähre Vorstellung davon haben, was sie wollen“, sagt Maximilian Müller, Managing Director der Empfehlungsplattform Stylight. „Wir wollen aber keine kurzlebige Schnäppchenjagd. Darum haben wir uns gefragt, wie wir den E-Commerce mit einem unterhaltsamen Content verbinden können, der für unsere Zielgruppe täglich interessant ist.

E-COMMERCE MIT MEHRWERT

Gegründet 2008 von vier Münchener Studenten, entwickelt sich das Unternehmen seit rund drei Jahren von einer Metasuchmaschine zu einem der führenden Modeaggregatoren Europas. Die weit überwiegend weibliche Zielgruppe von Stylight soll sich als Teil von Deutschlands größter Fashion-Community verstehen. Den relevanten Klatsch und Tratsch rund um Modetrends, Reiche und Schöne – einst Monopol der bunten Blätter – produziert eine 16-köpfige Inhouseredaktion in München. „Als Onlinepublisher können wir uns auch mit etablierten Verlagen messen“, sagt Müller, „aber wir produzieren eben kein Magazin, sondern einen unterhaltsamen Shopping-Guide.“ Wie relevanter Content als Frequenzverstärker wirkt, zeigt Müller anhand der Nutzung der Stylight-App auf: Seit Beginn der Contentoffensive ruft die Durchschnittsnutzerin die App zwölfmal im Monat auf – dreimal öfter als früher.

Das Unternehmen bündelt auf seiner deutschen Seite das Angebot von 350 Onlineshops, in 15 Ländern sind es insgesamt 800 Shops. Zu den Partnern gehören große Player, wie Zalando oder die Otto-Tochter About you, aber auch kleinere Retailer, die Performance-Marketing betreiben. Das Geschäftsmodell: Stylight hat selbst keinen Warenkorb, sondern leitet seine Besucher zum Kaufabschluss auf die Seiten der Partnershops weiter. Diese bezahlen den zusätzlichen, vom Aggregator generierten und vorqualifizierten Traffic auf ihrer Webseite im Cost-per-Click-Verfahren. Überdies dient Stylight als Werbeträger für die Storys der Shops (Native Advertising).

KONZENTRATION AUF KUNDENNUTZEN

Die deutsche Stylight-Seite wird monatlich von 2,5 Millionen einzelnen Nutzern aufgerufen. Zum Vergleich: Der Online-Auftritt des Fashionmagazins Instyle (Burda) kommt auf 0,27 Millionen Unique User im Monat. Das Unternehmen beschäftigt 200 Mitarbeiter und betreibt neben dem Stammsitz in München zwei Büros in London und New York. Umsätze kommuniziert Stylight nicht, doch so viel: Der Außenumsatz der Partnershops habe 2015 bei 630 Millionen Euro gelegen, was einem Plus von 94 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspreche.

Die vier Gründer – die sich dem Vernehmen nach immer noch wundern, warum die Verlage das lukrative Geschäftsmodell verschliefen – haben sich jüngst mit einem goldenen Handschlag verabschiedet: ProSiebenSat.1, schon seit 2012 an Stylight beteiligt, hat das mit 78 Millionen Euro bewertete Unternehmen übernommen. Die Expansionsstrategie verfolgt eine synergetische Sortimentserweiterung, zunächst um Livingprodukte, denn der Sendergruppe gehört auch das Portal moebel.de.

Als Social-Shopping-Plattform versteht sich auch Stylights stärker auf M-Commerce fokussierter Konkurrent Stylefruits, nach eigenen Angaben mit zehn Millionen monatlichen Visits, acht Millionen Facebook Fans und über drei Millionen App-Downloads die führende Empfehlungsplattform für Mode und Wohnen in Europa. Marketingriese Ströer, der auf die Synergieeffekte von Werbevermarktung und Publishing setzt, übernimmt den Aggregator laut Halbjahresfinanzbericht für bis zu 29 Millionen Euro. Das wachsende Wettbewerberfeld der digitalen Einkaufsführer reicht von Shopstyle, dem Marktführer aus den USA, bis zu My Fashionary aus Frankfurt, einem Modemarktplatz mit freischaffender Bloggerredaktion für inhabergeführte Boutiquen.

Während Metasuchmaschinen wie Ladenzeile des Medienhauses Springer die Produkte Tausender Onlineshops aus den Bereichen Mode, Möbel und Lifestyle „unter einem Dach“ zusammenstellen, hat das Hamburger Start-up Stylelounge Erfolg mit der Konzentration auf Fashion. „Wir möchten uns nicht in Richtung anderer Branchen entwickeln, lieber expandieren wir international“, erzählt Gründer und Geschäftsführer Johannes Heinen. Seit die Plattform Anfang 2015 in Deutschland online ging, ist Stylelounge in sechs weitere Länder expandiert und bis Jahresende sollen drei weitere hinzukommen. Das Besondere an Stylelounge: Nutzer können dort über 300 Onlineshops hinweg direkt die Preise für jedes der insgesamt drei Millionen Produkte vergleichen und sich gleichzeitig auch die Verfügbarkeit über die vorhandenen Ausführungen, Größen und Farben anzeigen lassen.

Das Angebot ist so aktuell wie die Produktfeeds der Partner und wird nicht kuratiert. Der erste Artikel, der dem User angezeigt wird, soll der sein, den er am wahrscheinlichsten sucht. Rund 40 Mitarbeiter arbeiten in Hamburg daran, dass auf StyleLounge nahezu in Echtzeit Millionen Modeartikel mit ihren Bildern und Produktinformationen aus den präsentierten Webshops angezeigt und kontinuierlich mit den Feeds abgeglichen werden. Abgerechnet wird auf Cost-per-Click-Basis, abhängig von der Traffic-Performance, die Stylelounge zu den angeschlossenen Warenkörben leitet.

„Unsere Vision ist es, die Metasuchmaschine für die Modebranche zu werden, wie es Swoodoo oder Trivago für die Reisebranche sind“, sagt Heinen, der früher als Head of New Markets die Internationalisierung der Kreuzfahrt-Suchmaschine Dreamlines vorantrieb. In einer Series-A-Finanzierungsrunde sammelte das Start-up vor einem Jahr 2,3 Millionen Euro ein. In einer neuen Finanzierungsrunde im Sommer 2016 erhielt Stylelounge einen weiteren siebenstelligen Betrag. Neuer Investor ist Rocket Internet.

„Der Umsatz wird in diesem Jahr im mittleren siebenstelligen Bereich liegen. Wir planen, im Herbst den Break-even zu erreichen“, kündigt der 31-jährige Wirtschaftsingenieur an. Im gesättigten, kleinteiligen Onlinemodemarkt zieht das Geschäft mit der Übersicht an.

MAGIC FOX
Influencer-Marketing wird immer wichtiger, um jüngere Zielgruppen zu erreichen. Youtube-Stars geben auf millionenfach abonnierten Kanälen Lifestyletipps jeglicher Art. Sponsored Posts sind in diesem Milieu fast so wertvoll wie Empfehlungen von Freunden. Deutschlands wichtigster männlicher Mode-Influencer ist übrigens Daniel „Magic Fox“ Fuchs. Dem gebräunten Muskelmann folgen bei Instagram schon 900  000 Geschlechtsgenossen, Tendenz steigend. Nach eigener Angabe veröffentlicht das 28-jährige Model 200 bezahlte Werbebotschaften für jeweils bis zu 5.000 Euro im Jahr. Der studierte Maschinenbauer weiß offenbar, was Männer modisch anzieht.

Schlagworte: E-Commerce, Influencer, Mode, Aggregator

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