„Denkverbote sind nicht angebracht“

Der Beautymarkt stößt an Wachstumsgrenzen. Während der Stationärhandel noch dominiert, umwerben Pure Player jüngere Zielgruppen. Elmar Keldenich, Geschäftsführer des Bundesverbands Parfümerien, über eine Branche, die die Nähe zum Kunden sucht.

Von Ralf Kalscheur 18.12.2018

© Getty Images/Lee Pei Ling

Herr Keldenich, das Weihnachtsgeschäft hat für Ihre Branche große Bedeutung. Was sind in diesem Jahr die Verkaufsrenner?
Das stimmt, das Weihnachtsgeschäft ist für die Parfümerien natürlich wichtig. Es steht für rund ein Fünftel des Jahresumsatzes. Damit ist Weihnachten ganz klar der wichtigste Geschenkanlass des Jahres. Für die Parfümerie gilt das doppelt, da unsere Produkte, besonders die Düfte, zusammen mit Büchern, Spielzeug und Kleidung zu den beliebtesten Geschenken zählen. In den letzten Jahren verkaufen sich auch Beauty-Adventskalender sehr gut; deren Umsatz ist geradezu explodiert.

Die Binnenkonjunktur entwickelt sich stabil, die äußerliche Selbstoptimierung ist vielen Verbrauchern lieb und teuer, dennoch stagniert der Beauty- und Kosmetikmarkt. Woran liegt das?
Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe. Der heiße Sommer war schlecht für die Kosmetik. Er war auch einer der Auslöser für die deutlich rückläufige Kundenfrequenz in den Innenstädten. Darüber hinaus ist der Markt in den vergangenen Jahren, besonders in den Bereichen Konsumkosmetik und dekorative Kosmetik, stark gewachsen. Irgendwann ist eine Sättigung erreicht. Hier stoßen wir zum Teil wohl schon an Wachstumsgrenzen. Auch fehlen echte Innovationen vonseiten der Lieferanten.

Ganze 94 Prozent der Erlöse im Beautybereich landen laut einer neuen Studie, die die Analysten von M-Science im Auftrag von Herstellern kosmetischer Erzeugnisse (VKE) angefertigt haben, in den Kassen des stationären Handels. Warum sollten Parfümerien trotzdem ihre Digitalisierung pflegen?
Ganz einfache Antwort: Unsere Kunden digitalisieren ihr Leben. Das betrifft auch uns. Der Handel muss dahin gehen, wo die Kunden sind. Damit wir uns richtig verstehen: Das heißt nicht, dass jeder einen Onlineshop haben muss. Aber eine Webseite mit Informationen zu Öffnungszeiten, Kontaktdaten, Anfahrt, Parkmöglichkeiten, Marken darf inzwischen jeder Kunde zu Recht erwarten. Das eröffnet tolle Chancen, zum Beispiel für Standorte, die in B-Lagen vielleicht ein wenig versteckt liegen.

Auch im Netz hat ein Traditionshändler, Douglas, die Nase bei Düften, Cremes und Kosmetik vorn – und konnte seine Position durch die Übernahme von Parfumdreams.de untermauern. Wie schätzen Sie die künftige Rolle von Online-Wettbewerbern wie Flaconi, Notino, neuerdings Zalando und natürlich Amazon ein?
Das ist schwer zu sagen. Die Übernahme von Parfumdreams durch Douglas war sicherlich ein sinnvoller Schritt. Auch Flaconi und Notino werden ihre Chance bekommen. Bei Zalando wird sich zeigen, ob die Idee, neben Mode auch Kosmetik zu verkaufen, funktioniert. Für die Parfümerie, insbesondere im Zusammenhang mit Neuheiten, gilt jedoch nach wie vor: All business is local! Außerdem erleben wir aktuell eine Konsolidierungswelle im Onlinehandel. Nur die Größten oder die Spezialisten werden dauerhaft eine Chance haben …

Die Unternehmensberatung A.T. Kearney prognostiziert, dass die E-Commerce-Umsätze mit Beautyprodukten in Europa jährlich um gut acht Prozent steigen werden – getrieben von den Vorlieben der Millennials. Was muss Ihre Branche dieser Zielgruppe anbieten?
Das ist eine strategische Frage. Ich persönlich sehe die Parfümeriekunden in erster Linie im Altersbereich 40 plus. Bis die Millennials in dieses Alter kommen, dauert es noch etwas. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass sich die Kundenbedürfnisse auf breiter Front ändern. Gefragt sind individuelle Produkte, einfache Lösungen für Beauty-Probleme. Durch die sozialen Medien gewinnt zudem der persönliche Aspekt an Bedeutung, sei es im Kontakt mit Freunden, Infuencern oder meinem Beauty-Berater in der Parfümerie. Das gilt auch für die Marken: Kleine, schnelle Start-ups schlagen zunehmend die großen Flaggschiffe der Branche.

Wie entwickelt sich der Drogeriemarkt?
Da gilt das Gleiche, aber mit viel höherer Schlagzahl. Auch aufgrund der Preispositionierung ist der Drogeriemarkt für junge Kunden, also auch die Millennials, der Einkaufsort Nummer eins. Jedes zweite Produkt im Bereich der dekorativen Kosmetik wird schon heute von dm Drogeriemarkt verkauft. Der Einstieg von dm ins Geschäft mit Influencer-Messen wie der Glow belegt, welchen Stellenwert diese inzwischen haben. Das zeigt sich auch an den Marken: Der Trend geht ganz klar weg von der Masse, hin zu kleinen, innovativen Marken und Produkten, Exklusiv- und Eigenmarken.

Die Parfümerien haben seit Jahren mit dem Prestigeverlust und Preisverfall hochwertiger Marken zu kämpfen. Was muss sich ändern, um den Abwärtstrend zu stoppen?
Der Preisverfall bei hochwertigen Marken ist nur ein Symptom, aber nicht die Ursache. Statt mit Rabatten um sich zu werfen, muss sich die Branche wieder auf ihre Kernkompetenz fokussieren. Und die heißt ganz klar: Beratung. Daneben braucht sie den Mut, sich von unrentablen und schlecht geführten Marken zu trennen. Dabei sind Denkverbote nicht angebracht. Darüber hinaus müssen wir auf unsere Kunden hören. Wir sollten die Kunden dabei unterstützen, einfach und bequem genau die Lösung für ihr individuelles Beau­ty-Problem zu finden. Mit spannenden Sortimenten und kompetenten Mitarbeitern. Genau das ist übrigens Thema unserer Parfümerietagung im April in Düsseldorf.

Voice Commerce, Augmented Reality, Nachhaltigkeit: Welche Megatrends müssen die Parfümerien in den nächsten Jahren besonders im Blick behalten? 
Alle! Kurzfristig spielt dabei sicherlich der Trend zu individuelleren Produkten und Lösungen eine Rolle, auch Nachhaltigkeit ist nach wie vor ein Thema. Videotutorials auf Youtube oder in den sozialen Medien beantworten schon heute Beautyfragen und sind ein beliebter Kommunikationskanal. Beratung über Chats oder Messenger bietet neue Möglichkeiten. Augmented Reality wird schon heute für virtuelles Schminken eingesetzt. Der wichtigste Trend ist aber die zunehmende Bedeutung persönlicher Kommunikation, und zwar on- wie offline. Der Megatrend heißt also Mensch. Kommunikation, Vertrauen und Kompetenz sind die Schlagworte der Zukunft!

Schlagworte: Interview, Beautymarkt, Parfümeriemarkt, Bundesverband Parfümerien, Drogeriemarkt, Kosmetikmarkt

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