Nachhaltige Kooperation

Auf Verpackungsmission

Eine nachhaltigere Zukunft im Lebensmitteleinzelhandel? Kristina Bell, Group Buying Director bei Aldi Süd, und Nora Verfürth, Director Corporate Responsibility Quality Assurance International bei Aldi Nord, über die Transformation im kooperativen Austausch und mithilfe innovativer Start-ups.

Von Nadine Filko 06.07.2020

© Aldi Süd

Aldi Nord und Aldi Süd zeigen durch ihre Zusammenarbeit sowie die mit Start-ups und einem externen Accelerator, wie das Manöver gelingt, den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu meistern.

Aldi ist derzeit gemeinsam mit Start-ups auf Nachhaltigkeitsmission. Warum? 
Nora Verfürth: 2017 haben Aldi Nord und Süd die „Aldi Verpackungsmission“ ins Leben gerufen. Das übergeordnete Ziel ist es, Plastik-Einwegtüten abzuschaffen. Durch die Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen und Partnerschaften mit Start-ups können wir Nachhaltigkeitstrends identifizieren und Potenziale, die sich für das eigene Geschäftsmodell ergeben, schnell ausschöpfen. So konnten wir bereits nach einem Jahr Produkte in unser Sortiment aufnehmen. Das erste, das es aus dem Start-up-Programm in unsere Filialen geschafft hat, war im Dezember 2019 der plastikfreie Superhalm von Wisefood. Er besteht aus einem Nebenprodukt der Apfelsaftproduktion und kann nach dem Trinken gegessen werden. Ein weiteres Produkt, das aus dem Programm hervorgegangen ist, ist eine Einkaufstasche für den Rücken. Entwickelt wurde es vom Start-up Ogata. Die Tasche wurde bei Aldi Süd bereits im April angeboten und kommt jetzt auch bei Aldi Nord in die Filialen. Um sich mittels solcher Produkte zu transformieren, braucht es eine grundsätzliche Offenheit und Neugier gegenüber den Ideen und Impulsen der Gründer aber zudem eine „Hands-On-Mentalität“. Nur so lassen sich die Ideen konsequent weiterzuentwickeln und zur Produktreife führen. Dabei steht für uns weniger die Differenzierung zum Wettbewerb im Vordergrund als vielmehr die Entwicklung von Lösungen, die uns der Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele näherbringen.

Bei der Entwicklung der Ideen hat euch der Accelerator TechFounders unterstützt …
Kristina Bell: Genau, Anfang 2019 kam die Kooperation mit TechFounders zustande. Für uns war der Accelerator ein erster Schritt, um uns Kooperationen mit Start-ups zu eröffnen. Der Kreis der Bewerber reicht hierbei vom etablierten Start-up bis hin zu jungen Gründern, die gerade ihre ersten Schritte wagen. Nach einer internen Vorauswahl bekommen einige Start-ups die Möglichkeit, ihre Ideen im Rahmen eines Pitchs vor einer Aldi Jury zu präsentieren. Die Start-ups, die uns überzeugen, erhalten anschließend die Möglichkeit, im 20-wöchigen TechFounders Accelerator ihre Ideen sowie ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Das Programm bietet neben dem Kooperationsprojekt mit den Industriepartnern umfassendes Coaching zu verschiedensten Themen wie Pitching, Business Case, HR, Sales, Marketing, Venture Capital und rechtlichen Themen sowie Kontakte zu hochkarätigen Mentoren. Start-ups können die mietfreien Büroräume oder eine Hightech-Werkstatt mit mehr als hundert Maschinen nutzen, um ihre Ideen zu verfeinern oder Prototypen anzufertigen. 

Welche Rolle spielt Aldi hier?
Verfürth: Aldi vermittelt Kontakt zu Lieferanten und Experten im Haus, die dabei unterstützen aus der Idee ein marktfähiges Produkt zu machen, das den Ansprüchen der Kunden gerecht wird. Mit unserem Vertriebsnetz bieten wir Start-ups eine einzigartige Möglichkeit, ihre Produkte einer breiten Käuferschaft anzubieten. Wir streben dabei eine langfristige enge Zusammenarbeit und einen kontinuierlichen Austausch mit den Start-ups an. Ziel einer Kooperation ist es immer, die Produkte so weiterzuentwickeln, dass sie am Ende in unseren Filialen stehen oder unser Handeln noch nachhaltiger machen. Deshalb geht unser Engagement auch über das 20-wöchige TechFounders-Programm hinaus. In der Regel schließen wir individuelle Kooperationsverträge. Cyclic Design, ein Start-up aus unserem ersten Durchlauf, haben wir beispielsweise so lange unterstützt, bis sie den Prototypen ihrer wiederverwendbaren Kosmetikflasche zur Marktreife gebracht hatten.

Wieso hat Aldi keinen eigenen Accelerator aufgebaut? 
Bell: Als Unternehmen, für das die Kooperation mit Start-ups relativ neu ist, war es uns wichtig auf die Expertise eines externen Partners zurückzugreifen. Das Programm besteht bereits seit 2014 und bringt Start-ups mit etablierten Unternehmen zusammen. Insofern verfügt TechFounders über exzellente Netzwerke und Zugänge zur Start-up-Szene. Die jungen Gründer erhalten in dem fünfmonatigen Programm wertvolles Wissen durch die TechFounder-Experten, mit dem sie ihr Geschäftsmodell und ihre Ideen weiterentwickeln können. Dabei ist uns wichtig, dass beide Seiten profitieren: Die Start-ups von einem hochkarätigen Förderprogramm und Zugang zu unserem Vertriebsnetz und Aldi durch die innovativen Impulse, die wir durch die Zusammenarbeit erhalten. 

Beschränkt sich Aldi dabei auf die Kooperationen, die durch TechFounders entstehen?
Bell: Nein. Wir prüfen kontinuierlich, inwieweit wir durch Kooperationen unser Produktportfolio sinnvoll erweitern können und unterstützen generell zukunftsorientierte Lösungen. Dabei geht unser Engagement über das Thema nachhaltige Verpackungslösungen hinaus. In dieses Vorgehen fügt sich beispielsweise die Aldi Süd-Kooperation mit Infarm sehr gut ein. Die Kunden können frische Kräuter direkt dort kaufen, wo sie auch wachsen. Das spart Transportwege und damit auch CO2-Emissionen. Darüber hinaus arbeitet Aldi Süd in der IT kontinuierlich mit Start-ups zusammen. Im vergangenen Jahr haben wir uns an dem Accelerator „Beyond Conventions“ beteiligt, um innovative technologische Lösungen für den Einsatz in unseren Filialen zu testen. Junge Gründer können sich auch über unsere Start-up-Lieferantenseite bewerben oder über Messen mit uns in Kontakt treten. Unsere Einkaufs- und Qualitätsmanager helfen den Start-ups anschließend ihre Produkte in die Filialen zu bringen. Um die Kunden auf Produktinnovationen aufmerksam zu machen, nutzt Aldi Süd zudem die Dachmarke „What´s Next“, unter der in den vergangenen Monaten bereits einige Produkte als Aktionsartikel angeboten wurden. Wir profitieren bei Aldi insgesamt von einer hohen „Anpacker-Mentalität“– auch in der Zusammenarbeit mit neuen Partnern wie Start-ups. Die bisherigen Ergebnisse bestärken uns darin, dass unser Weg und Ansatz richtig sind.  

Schlagworte: Lebensmitteleinzelhandel, Aldi Nord, Aldi Süd, Nachhaltigkeit

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