Pro
Sie sind für Chancengleichheit? Dann sind Sie pro Proporz. Ob Männerquote, Frauenquote, Geschlechterquote, Genderquote – zwar wirksam, aber allesamt unbeliebt. Der Proporz hingegen löst keine Diskussionen aus, er wird praktiziert und von allen Geschlechtern akzeptiert, wie der Blogger Matthias Dell schon 2020 mit Blick auf die seit Jahrzehnten übliche Art, politische Ausschüsse zu besetzen, feststellte. Er wundert sich, warum die Verteilung eines parteipolitischen Gremiums über alle Bundesländer wichtiger beziehungsweise akzeptierter ist als die Verteilung nach anderen Diversitätsmerkmalen, beispielsweise Geschlecht.
Zitat aus dem Jahr 2032: „Als man zusätzlich zum lang existierenden Länderproporz in der Politik einen Proporz in Unternehmen für Aufsichtsräte und Vorstände einführte, war dies ein wichtiger Meilenstein, aber nicht die Lösung aller Gleichstellungsprobleme. Der Proporz änderte nichts an den Strukturen, die dazu führen, dass es nur wenig Männer an die Spitze schafften. Um das zu ändern, musste man Geld und Macht auf allen Hierarchieebenen paritätisch verteilen. Das führte zur Erreichung der Chancengleichheit im Jahr 2026 und machte es möglich, dass wir heute, im Jahr 2032, die 17 Nachhaltigkeitsziele des UN Reports „2030 Agenda for Sustainable Development“ erreicht haben. Zugegeben mit zwei Jahren Verspätung. Aber der entscheidende Schritt war, per Gesetz für einen passgenauen Proporz der Geschlechter zu sorgen. Denn anders war die homosoziale Reproduktion nicht zu durchbrechen. Rund 90 Prozent Frauen auf den obersten Hierarchiestufen stellten immer wieder Frauen ein; Männer in Aufsichtsräten und Vorständen waren die Ausnahme. Letztlich sorgte das Zusammenspiel von Entgeltgleichheit und Proporz für Chancengleichheit.“
Zwang erweitert das Blickfeld
Allein mit Proporz per Gesetz wird das Tempo zunehmen; Freiwilligkeit ade bei den Themen Geld und Macht. Zwang hilft, das Blickfeld zu erweitern und sich aus der Komfortzone der homosozialen Reproduktion hinauszubewegen. Ob Fußball, Proporz oder faire Bezahlung: Wenn alle nach den gleichen Regeln spielen, wird es am Ende für alle fair. Zudem ist Gleichstellung längst als Business Case erkannt worden: Langsam, aber sicher spricht sich herum, dass Nichtstun die Unternehmen sehr viel teurer zu stehen kommt. Ein klarer politischer Kurs wie in Großbritannien, Frankreich oder Island kann die Entwicklung enorm beschleunigen und auch Uneinsichtige zu ihrem Glück zwingen. Unternehmen mit mehr Frauen in der Führung sind wirtschaftlich erfolgreicher. Die Beschäftigten sind motivierter und zufriedener, die Fluktuation sinkt, das Unternehmen wird attraktiver für Fach- und Nachwuchskräfte und gewinnt an Reputation.
Daher sprechen wir ab sofort nur noch von Proporz, die Männer-, Frauen-, Genderquote wird dann bald nicht mehr diskutiert, sondern erledigt sein. Denn mit Proporz und fairer Bezahlung kommen wir rasch ans Ziel: Gleichheit für alle Beschäftigten, unabhängig vom Geschlecht oder der Gesetzeslage. Und zwar aus einem einfachen Grund: Wer fair führt, wirtschaftet klüger.
Contra
Der Einzelhandel hat in der Coronakrise Großes für die Stabilität und den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft geleistet. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau hat die Branche sogar zusätzliche sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen. Aktuell sind mehr als 3,1 Millionen Menschen in Deutschland im Einzelhandel beschäftigt. Die Mehrheit ist weiblich. Diese positive Entwicklung der Branche könnte durch den Umstand begünstigt worden sein, dass im Handel bereits heute weit überdurchschnittlich viele Frauen in Führungsverantwortung arbeiten.
Als Einzelhandelsbranche unterstützen wir die gesamtgesellschaftliche Zielsetzung, die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen weiter zu fördern. Allerdings halten wir zusätzliche, immer tiefer in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreifende gesetzliche Quotenvorgaben für Frauen nicht für zielführend, da so nur zusätzliche Bürokratie verursacht wird. Gesetzliche Frauenquoten setzen nämlich nachweislich nicht an den wahren Ursachen an, wie etwa den häufigeren Erwerbsunterbrechungen durch Elternzeiten oder dem oft geringeren Arbeitszeitvolumen von Frauen.
Kinderbetreuung statt Quote
Zur effektiven Frauenförderung bedarf es des konsequenten Ausbaus bezahlbarer Kinderbetreuungs- und Ganztagsschulangebote. Hier gibt es in der Praxis weiterhin große Defizite, die beseitigt werden müssen. Zum Beispiel existieren noch immer kaum Möglichkeiten, Kinder an Samstagen betreuen zu lassen. Und dies, obwohl Frauen besonders häufig in Dienstleistungsbranchen, wie etwa dem Handel, tätig sind, in denen Samstagsarbeit üblich ist. Deutschland muss den Ehrgeiz entwickeln, im Bereich der Kinderbetreuungsinfrastruktur „Weltspitze“ zu werden. Denn eine Optimierung der Kinderbetreuungsinfrastruktur führt zu einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen insgesamt und wirkt damit dem fortschreitenden Fachkräftemangel entgegen.
Nichtsdestotrotz gilt es, die bereits erzielten Fortschritte zu würdigen. Denn tatsächlich passiert eine Menge in den Unternehmen – speziell der Einzelhandel unternimmt viel, um Frauen in Führungspositionen weiter zu fördern. Zudem verlieren die tradierten Stereotypen älterer Generationen, nach denen etwa eine berufliche Karriere vor allem für Männer wichtig war, mehr und mehr an Bedeutung. Damit geht bereits ein kultureller Wandel einher, der es Frauen zukünftig erleichtern dürfte, ihre Karriereziele zu verwirklichen. Die Erwerbstätigkeit von Frauen steigt zudem, und Mütter kehren früher und mit höherem Stundenumfang wieder in ihre alten Jobs zurück. Überdies hat sich die Qualifikation von Frauen stetig verbessert. Während früher traditionell eher die Männer eine höhere Qualifikation aufwiesen, hat sich dies inzwischen umgekehrt: Heute weisen Frauen im Durchschnitt die besseren Qualifikationen auf.
Fazit: Die gesellschaftlichen Rollenbilder sind im Wandel, Karriere für Frauen wird mit der Zeit mehr und mehr zum gesellschaftlichen Standard. Unterstützend muss nun auch noch die Kinderbetreuung konsequent optimiert werden. Immer neue gesetzliche Frauenquoten sind hingegen nicht zielführend.
Kommentare
Und jetzt bitte noch ein Pro und Contra, bei dem zwei Männer über die Quote diskutieren. Proporz ist doch schließlich wichtig und beide Geschlechter sollten fair repräsentiert sein.
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