Herr Schlutius, wie weit werden wir mit der E-Mobilität in drei Jahren sein?
Ich glaube, sehr viel weiter, als wir uns heute vorstellen können. Die Initialzündung haben wir jetzt hinter uns und es setzt ein Bewusstseinswandel ein, dass Elektromobilität Teil des Alltags ist. Die Menschen werden ihr Verhalten entsprechend ändern und in ein paar Jahren ganz automatisch, wann immer sie das Auto irgendwo abstellen, zum Ladestecker greifen.
Dafür wollen Sie mit Reev und Ihrer Software für den Betrieb von Ladestationen sorgen. Ihre Zielgruppe sind vor allem Unternehmen ...
Genau. Denn dort bestehen ein großer Bedarf und noch viel mehr Potenzial. Bisher lag der Fokus beim Ausbau der Ladeinfrastruktur auf öffentlichen Stationen – oft von Energieversorgern aufgestellt und betrieben. Ich bin überzeugt, dass Firmenfuhrparks ein Schlüssel zum Erfolg der E-Mobilität sind. Denn wenn man ehrlich ist: Wo parken denn die meisten Autos für eine längere Zeit? Entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz. Und wenn immer mehr Elektro-Autos zugelassen werden, können die nicht alle an den öffentlichen Ladesäulen Schlange stehen.
Und was genau bekommen Firmenfuhrparks von Reev?
Bei Ladestationen in Firmenfuhrparks gibt es ganz eigene Prozesse. Es müssen Poolfahrzeuge und Dienstwagen laden, hinzu kommen Gäste oder Mitarbeiter, die ihre privaten Fahrzeuge laden – möglicherweise jeder zu einem anderen Tarif. Das können sie mit einer Lösung, die ein Energieversorger zum Laden im öffentlichen Raum nutzt, nicht abbilden. Reev gibt Unternehmen eine Software an die Hand, mit der sie Ladestationen steuern und Ladevorgänge trennscharf abrechnen können.
Sie haben bisher rund 1 500 Kunden. Wie sieht das Setup bei den meisten dieser Unternehmen aus?
Viele haben an ihrem Standort eigene Elektriker, die die Installation vornehmen. Die kennen die Gebäude viel besser als wir. Alles, was die Elektriker brauchen, sind Wallboxen mit unserer Software. Diese bekommen sie im Elektrogroßhandel. Die Installation ist recht einfach – im Lieferumfang ist auch eine Anleitung enthalten. Uns ist es wichtig, Barrieren bei der Inbetriebnahme aller Komponenten zu senken. Anschließend scannen sie einen QR-Code auf der Wallbox, um die Software in Betrieb zu nehmen. Auch in der Folge bleiben wir meist im Hintergrund. Das heißt, das Unternehmen definiert die Tarife, zu denen etwa Gäste, Mitarbeiter, Dienstwagen und Poolfahrzeuge laden. Die Fahrer identifizieren sich oder die Fahrzeuge vor dem Laden mit einer Chipkarte. So können wir den Stromverbrauch zuordnen und im Namen des Unternehmens abrechnen. Einmal pro Monat erhält das Unternehmen eine Gutschrift für den verbrauchten Strom sowie eine Übersicht, um alles in seinem ERP-System einbuchen zu können.
Gibt es technische Besonderheiten zu beachten?
Nichts, was eine Elektrofachkraft nicht auch wüsste. Normalerweise schließen wir eine Ladestation an eine Leitung mit 32 Ampere an, um dann mit maximal 22 kW zu laden. Wenn es zwei Ladestationen an einer Leitung sind, wird das aufgeteilt auf zweimal elf kW. Damit haben sie auf jeden Fall genug Leistung. Wir erleben es oft, dass die Unternehmen einen geringeren Strombedarf haben, als sie annehmen. Das liegt daran, dass so gut wie nie alle Autos gleichzeitig laden. Ein typisches Szenario ist: Morgens zwischen sechs und neun Uhr kommen die Dienstwagenfahrer und Mitarbeiter und stecken ein. Ihre Autos sind seit dem Vortag vielleicht 30, 40 Kilometer weit gefahren und längst wieder voll geladen, wenn dann ab mittags die ersten Poolautos zurück sind und laden müssen.
Damit decken Sie das Laden im Unternehmen ab. Wie steht es um das „Tanken“ von Dienstwagen an der heimischen Steckdose?
Eine intelligente Ladestation für zu Hause ist Teil unserer Lösung. Sie erkennt, wenn der Dienstwagen lädt, und das verrechnen wir dann monatlich mit den Nutzern zu deren geltendem Stromtarif. Die Mitarbeiter können die Ladestation per App steuern. Das heißt, es können auch private Fahrzeuge oder das Auto der Nachbarn – dann natürlich ohne Erstattung durch den Arbeitgeber – geladen werden. Wir empfehlen, dass die Mitarbeiter die Wallbox selbst zahlen, in der Regel mit einem Zuschuss des Arbeitgebers. Danach gehört sie ihnen und die Unternehmen haben sie nicht in ihren Büchern. Die KfW förderte bis vor Kurzem noch die Installation privater Ladestationen mit bis zu 900 Euro. Der Fördertopf ist jetzt leider ausgeschöpft; über eine Aufstockung muss die neue Bundesregierung entscheiden.
Da Sie die öffentliche Förderung ansprechen: Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen?
Das ist je nach Bundesland unterschiedlich. Allerdings fördert derzeit auch der Bund sehr stark. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nimmt 300 Millionen Euro in die Hand, um speziell kleine und mittelgroße Unternehmen zu unterstützen – mit Zuschüssen, die bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten für die Installation von Ladestationen abdecken. Das macht Investitionen auch wirtschaftlich sehr attraktiv: Sagen wir, ein Unternehmen kauft seinen Strom für 22 Cent pro Kilowattstunde ein und bietet Mitarbeitern und Gästen einen Ladetarif für 26 Cent pro Kilowattstunde an, dann haben alle Seiten etwas davon. Das Unternehmen refinanziert die Investition – und die Mitarbeiter laden auf dem Firmenparkplatz immer noch günstiger als zu Hause.
Eduard Schlutius ist Gründer und CEO von Reev. Das Start-up gründete der Wirtschaftsingenieur 2018 gemeinsam mit dem Physiker Patrick Fleischer. Ihr Ziel: mit einer E-Mobility-Software für den unkomplizierten und wirtschaftlichen Betrieb von Ladestationen die Mobilitätswende voran treiben. Ihr Produkt ist speziell für die Anforderungen von komplexen Fuhrparksituationen konzipiert – wie in Unternehmen oder der Wohnungswirtschaft, aber auch auf Parkplätzen von Hotels, Supermärkten und Restaurants. In knapp drei Jahren ist das Unternehmen auf fast 40 Beschäftigte gewachsen, hat ein Patent angemeldet und agiert mittlerweile international in drei Ländern. Seit März 2021 bildet Pierdomenico Staglieno mit Schlutius zusammen die Doppelspitze in der Geschäftsführung von Reev.
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