Der 57-Jährige, der in Hamburg lebt, wäre in der elitären Welt teurer Galerien wohl ein krasser Außenseiter: Elektrotechnik studiert, bei einer großen Versicherung angefangen, Karriere gemacht, nach Australien gezogen, dort einen Onlineshop für Friseurprodukte gegründet, dann als Manager nach China gewechselt. 2016 besuchte er eine Ausstellung von Kunststudenten in Shanghai. „Da sah ich, welche Probleme junge Künstler haben, ein Publikum zu erreichen.“ Es war die Geburtsstunde von Artmo.
Tatsächlich ist Kunst seit jeher ein wenig transparenter Markt, geprägt durch persönliche Beziehungen zwischen jenen, die sammeln, und denen, die anbieten, sowie hohen Provisionen, die bis zu 50 Prozent des Kaufpreises ausmachen können. Newcomer haben es schwer, auch in der digitalen Welt: Wer bei etablierten Onlinegalerien reüssieren will, muss meist ein gewisses Renommee mitbringen.
Artmo hingegen ermöglicht Kunstschaffenden den Direktvertrieb und verzichtet auf Provision. Das erschließt neue Zielgruppen und geht einher mit der Annahme, dass Kunst ohnehin nicht bewertbar sei. „Artmo ist eine Plattform für jeden Künstler“, sagt Rasche. Erlaubt ist, was gefällt. „Wer wollte den Konsumenten Vorschriften machen?“
Harshita Motiramani zum Beispiel verkaufte gleich das erste Gemälde, das sie bei Artmo eingestellt hatte: „Lord Buddha“, ein leuchtend buntes Antlitz der Gottheit, zum Preis von 60 Euro. Die Käuferin war ein Indien-Fan aus Deutschland. „Das war ein sehr unerwarteter Erfolg“, sagt Motiramani, die Betriebswirtschaft studiert und in Vadodara, der drittgrößten Stadt Indiens, lebt. Malerei ist ihr Hobby. Doch auch mancher Profi präsentiert sich auf der Plattform, in der Hoffnung auf höhere Erlöse.
Echtheitszertifikat ist Pflicht
Das ist insofern risikolos, als der Basis-Account – bis zu fünf Kunstwerke – nichts kostet. Wer mehr einstellen will, zahlt monatlich 1,50 Euro (bis zu 20 Kunstwerke) oder drei Euro (unlimitiert). Das ist selbst für Künstler in der Dritten Welt erschwinglich, die sich Zugang zum westlichen Markt erhoffen. „Wir haben bezahlte Accounts in Pakistan, Libanon, Ecuador und Nigeria“, sagt Rasche. Die Plattform wird in die erstaunlichsten Sprachen übersetzt, darunter das afroasiatische Harshen Hausa oder Basa Jawa, das in Indonesien gesprochen wird.
Weitere Einnahmequellen für Artmo sind Werbung auf der Website und eine „Gateway Fee“ in Höhe von 2,5 Prozent des Kaufpreises, wenn es zu einem Abschluss kommt. Dafür flankiert die Plattform die Transaktion und gibt Käuferschutz.
Artmo schreibt vor, dass es sich bei den Kunstwerken um Originale oder Limited Editions handeln und ein Echtheitszertifikat geliefert werden muss. Eine Qualitätsgarantie freilich ist das nicht. Eine gewisse Orientierung bieten früher verkaufte Kunstwerke und die Zahl der Follower eines Künstlers. Außerdem können sich Kunden austauschen, denn Artmo ist nicht nur Marktplatz, sondern auch Blog und Netzwerk. Um Kunstliebhaber zu binden, generiert das Team Content rund ums Kunstgeschehen.
Viele Kunden kaufen aber einfach, weil sie sich in ein Bild verguckt haben. So wie die 26-jährige Nayeli Gast Zepeda, Wirtschaftsingenieur-Studentin aus Karlsruhe, die für 300 Euro ein Bild mit einer Fantasielandschaft erwarb, Titel „The Ecornure“ (Die Scharte). „Jetzt hängt es bei mir im Wohnzimmer“, sagt sie.
Zweitmarkt für Privatverkäufer
Für den weiteren Ausbau von Artmo haben Rasche und sein Team auf dem Berliner Crowdfunding-Portal Companisto rund 900.000 Euro eingeworben. „Wir wachsen brutal schnell“, sagt Rasche. Er gibt die Zahl der Nutzer mit über 60 000 an, täglich kämen „300 bis 500“ neue Profile hinzu. Mit der Folge, dass der Datenserver zurzeit häufig überlastet ist und das Laden der Website mitunter minutenlang dauern kann. „Ein Großteil des Investmentkapitals wird für die Serverumstellung und Neuprogrammierung, Artmo 2.0, eingesetzt“, versichert Rasche.
Künftig will die Plattform sich zudem stärker als Zweitmarkt für Private etablieren – der röhrende Hirsch aus Omas Erbe müsste dann nicht mehr zwangsläufig auf dem Dachboden verstauben. Eine natürliche Feindschaft zu Galerien bestreitet Rasche indes, schließlich betreibe Artmo kein Künstlermanagement. Sogar eine gegenseitige Ergänzung hält er für denkbar und verweist auf LinkedIn: „Anfangs hatten die Rekrutierer Angst davor, heute ist es für sie das wichtigste Tool.“
Klasse statt Masse
Marktführer im Onlinekunstmarkt ist nach eigenen Angaben das börsennotierte Artnet, bereits seit 1996 im Internet vertreten. Kernprodukt ist eine Preisdatenbank, zudem lassen sich über Galerien oder Online-Auktionen Werke etablierter Künstler erwerben. Seit 2015 online ist Fineartmultiple, gegründet von Kunsthändler Roman Maria Koidl, mit einer kuratierten Auswahl von rund 6 000 zeitgenössischen Kunstwerken, darunter Baselitz, Warhol oder Kounellis. Auf „anerkannte und aufstrebende“ Kreative spezialisiert ist die Onlinegalerie Singulart aus Montreuil; die Künstler müssen sich für die Aufnahme bewerben. In Vorbereitung: das Berliner Start-up Culture Key, das Kunst digital erklären will.
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