Die Chefin steht in der Teeküche ihrer Buchhandlung und muss etwas schmunzeln, als der Energieberater wieder unter einem Tisch hervorkommt. „Hätte ich gewusst, wo überall geschaut wird, hätten wir das noch etwas umgeräumt“, sagt Esch. Im Rahmen des Pilotprojekts „Klimaneutral wirtschaften im Buchhandel“ der HDE-Klimaschutzoffensive ist das Beraterteam etaKonzept Güldner vor Ort und analysiert die Energieverbräuche in der Lesumer Lesezeit.
In die Analyse des Beraterduos fließen Messwerte von Beleuchtung, elektronischen Geräten und Heizung sowie der Mobilität aller Mitarbeitenden ein. Die Beleuchtung ist in der Lesumer Lesezeit bereits fast komplett auf LED umgerüstet. Energieexperte Güldner schätzt, dass dadurch eine Ersparnis von 2,2 Tonnen CO2 pro Jahr erzielt wird. Er empfiehlt aber, zusätzlich Präsenzmesser und Tageslichtsensoren zu installieren, damit in weniger genutzten Räumen wie Keller und Lager eine weitere Reduktion von bis zu 70 Prozent erreicht wird. Bei den elektronischen Geräten lässt sich viel Energie einsparen, wenn diese nicht ständig im Stand-by-Modus „warten“ und an intelligente Steckdosenleisten angeschlossen werden.
Die Heizung des Gebäudes ist bereits optimal eingestellt und gewartet. Eine Wärmebild der Fassade offenbart jedoch, dass die Schaufenster und Türen Wärme abgeben. Hier könnten Thermorollos über Nacht die Wärme im Gebäude halten. Auch die Heizkörper im Verkaufsraum könnten effizienter arbeiten. Momentan sind sie verdeckt durch ein Schaufensterpodest und ein Sofa. So kann die Wärme nicht optimal in den Raum gelangen. Würden die Heizkörper frei stehen, ließen sich 20 bis 30 Prozent Energie einsparen. „Um die Einsparmöglichkeiten aufzuspüren, bedarf es eines gründlichen Blicks“, erläutert Jelena Nikolic, Projektleiterin der HDE Klimaschutzoffensive. „Genau deshalb initiieren wir Pilotprojekte mit Handelsunternehmen, um praxisnah aufzuzeigen, dass an vielen Stellen Einsparpotenziale schlummern.“
Zusammenspiel aller Akteure
Die Lesumer Lesezeit kommt insgesamt auf einen CO2-Ausstoß von 15 Tonnen pro Jahr – ein klassischer Wert für ein Handelsunternehmen dieser Größe. Mit den genannten Maßnahmen kann Svenja Esch circa neun Tonnen einsparen. Um klimaneutral zu werden, sind jedoch Maßnahmen mit Investitionsbeteiligung des Vermieters nötig, zum Beispiel durch den Einbau einer Brennstoffzelle und einer Fotovoltaikanlage. Die Buchhändlerin kann daher trotz zahlreicher Maßnahmen nicht alle CO2-Emissionen vermeiden. Um die verbleibenden Emissionen auszugleichen, hat sie sich entschieden, den
Ausgleich über Spenden an Klimaschutzinitiativen vorzunehmen. So wird die Buchhandlung de facto klimaneutral.
Mit Blick auf die gesamte Buchbranche sagt Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins: „Der Weg der Lesumer Lesezeit motiviert hoffentlich viele weitere Buchhandlungen, selbst Maßnahmen zu ergreifen.“ Auch andere Bereiche der Buchbranche seien bereits aktiv – beispielsweise Logistikunternehmen. Wichtig ist das Zusammenspiel aller Akteure, denn eines ist klar: Klimaschutz geht nur gemeinsam.
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