Embedded Finance

Die Bank im Haus

Embedded Financial Services ermöglichen es jedem Unternehmen, Finanzdienstleistungen aus der eigenen Hand anzubieten. Für den Handel ist das ein Umsatztreiber und auch die Kunden profitieren von den Extraservices.

Von Miriam Wohlfarth 11.10.2023

© METRO Financial Services/Stephan Schaar

Alles im Griff: Unternehmen wie Metro bieten Finanzprodukte an, die auf die eigene Zielgruppe zugeschnitten sind und Kunden bequem Mehrwerte bieten.

In schöner Regelmäßigkeit ermitteln Umfrageinstitute die Beliebtheit verschiedener Marken in Deutschland. Gefühlt mindestens einmal im Jahr geht ein solches Ranking durch die Medien. Die Ergebnisse sind eigentlich immer sehr ähnlich. Ganz oben stehen in der Regel Brands wie Dm, Lego oder Bosch. Keine Rolle spielen hingegen Finanzunternehmen, mit Ausnahme des US-amerikanischen Bezahldienstes PayPal.

Warum sind ausgerechnet Anbieter aus dieser Branche eher unbeliebt? Einerseits dürfte es am traditionell verklemmten Verhältnis der Deutschen zu Finanzthemen liegen („Über Geld spricht man nicht“). Andererseits haben gerade Banker und Versicherer in den vergangenen Jahren auch selbst viel dafür getan, ihren Ruf zu ruinieren und das Vertrauen in die großen Unternehmen auf dem Markt zu zerstören. So bitter das für sie ist, eröffnet es doch Chancen für andere. Denn wenn die Menschen den klassischen Anbietern von Finanzprodukten nur begrenzt vertrauen, können neue Anbieter einfacher Endkunden akquirieren. Und damit sind nicht die unzähligen Fintechs und Neobanken gemeint, die in den vergangenen Jahren das Geschäft mit dem Geld aufgemischt haben, sondern branchenfremde Unternehmen: Essenslieferdienste, Ride-Hailing- Anbieter, Autobauer, Technologiekonzerne und Onlinemarktplätze.

Das mag erst einmal verrückt klingen. Soll jetzt etwa Dm eine eigene Finanzsparte hochziehen? Natürlich nicht, das wäre kostspielig und zeitaufwendig. Dafür gibt es auch gar keine Notwendigkeit, denn längst haben sich Dienstleister in Stellung gebracht, die Unternehmen dabei helfen, Finanzdienstleistungen nahtlos in ihre bestehenden Angebote zu integrieren. Diese sogenannten Embedded Financial Services sind ein gigantischer Wachstumsmarkt, der nach Schätzung der Unternehmensberatung Accenture bereits 2025 weltweit 230 Milliarden US-Dollar Umsatz generieren wird. Besonders für Plattformen in der Onlinewelt lohnt es sich, sich mit diesem Thema zu befassen, denn sie sind geradezu prädestiniert für den Einsatz dieser eingebetteten Finanzdienstleistungen. Die Branche hat einen hohen Digitalisierungsgrad, viele Berührungspunkte mit Verbrauchern und eine ganze Reihe starker Marken, die Kunden positiv sehen. 

Was Embedded Finance beinhaltet

Zunächst einmal gilt es zu verstehen, was Embedded Financial Services eigentlich sind. Das sind Finanzdienstleistungen wie zum Beispiel Ratenzahlungen für Konsumenten im E-Commerce, Unternehmensfinanzierungen für Marktplatzhändler oder auch Versicherungen für Autos oder Elektrogeräte beim Online-Check-out. So können Plattformen ihren Händlerkunden zum Beispiel gezielt Unternehmenskredite als Zusatz anbieten, und das direkt am Ort mit der höchsten Interaktion, wie zum Beispiel im Reporting Dashboard. Diese Technologie haben Drittanbieter wie zum Beispiel Banxware, Liberis oder Hepster entwickelt. Sie stellen Unternehmen diese Infrastruktur nahtlos eingebettet zur Verfügung. Im Unterschied zu anderen Finanzanbietern, wie PayPal oder der Commerzbank, treten Embedded-Finance-Anbieter aber nicht unter eigener Marke auf. Stattdessen laufen die Produkte unter der Marke der Onlineplattform: der Unternehmenskredit von Amazon, die Kfz-Versicherung von Tesla oder die FS-Karte von Metro.

Embedded Finance ist im Paymentbereich heute bereits recht üblich, große Unternehmen haben eigene Zahlungsdienste im Portfolio. Apple, Google, Samsung und Uber sind einige der prominentesten Beispiele. Das prognostizierte Wachstum im Embedded-Finance-Markt speist sich aber vor allem aus Produkten, die noch nicht so weit verbreitet sind. Das sind Embedded Lending und Embedded Insurance. Dank Embedded Lending können Restaurants zum Beispiel ganz einfach bei Lieferando eine Finanzierung online in Anspruch nehmen, um sich einen zweiten Pizzaofen oder ähnliches zu kaufen. Oder ein Modehändler von Zalando kann vor dem Black Friday noch kurzfristig seine Lager aufstocken oder Hilfspersonal für das Weihnachtsgeschäft finanzieren. Dank dieser neuen Technologie werden Unternehmen selbst zum Kredit- oder Versicherungsvermittler.

Was die Branche davon hat

Wer Kunden Kredite, Ratenzahlungen und Versicherungen anbieten kann, erhöht ihre Bereitschaft, einen Kauf zu tätigen, hilft beim Wachstum, bietet einen Extraservice an und kann somit seine Zielgruppe besser bedienen. Außerdem erschließt man sich neue Einnahmequellen durch Vermittlungsprovision, sowohl im B2B als auch im B2C. Je einfacher man die entsprechenden Finanzprodukte vermitteln kann, desto eher werden diese auch genutzt. Embedded-Finance-Produkte bieten einen großen Mehrwert, da sie viele gewichtige Probleme der Onlinebranche lösen: Inzwischen weiß jeder, dass Kunden vor allem auf Bequemlichkeit aus sind. Jeder zusätzliche Schritt im Checkout oder in einem Antragsprozess senkt die Conversion Rate. Wenn der Kunde dann noch auf die Seite eines Drittanbieters umgeleitet wird, um dort eine Versicherung abzuschließen, sinkt die Wahrscheinlichkeit gegen null. Dadurch, dass Embedded Finance das Produkt am richtigen Ort anbietet, braucht es keine Umleitungen. Der Tech-Publizist Sascha Lobo sagte einmal: „Bequemlichkeit siegt, auch im Banking.“

Ein Beispiel, wie Finanzprodukte die Kundenbindung erhöhen können: Wer ein hauseigenes Bezahlsystem oder eine eigene Kreditkarte mit einem Partner umsetzt, der kann Kunden darüber mit einem Bonus- oder Cashbackprogramm noch enger ans eigene Unternehmen binden. Amazon und Apple bieten solche Programme bereits seit Jahren sehr erfolgreich mit ihren eigenen Kreditkarten an. Bezahlt der Kunde mit diesen – sowohl im hauseigenen Shop als auch bei ausgewählten Partnern –, erhält er Bonuspunkte, die er für neue Einkäufe im Shop nutzen kann. Im Prinzip ist es das Subway-Stempelkartensystem, nur skaliert und in die digitale Welt übertragen.

Was die Kunden wollen

Die Kunden sind für solche Modelle zu haben. Die Solarisbank befragte Verbraucher im Jahr 2021, inwieweit sie bereit wären, Finanzdienstleistungen zu nutzen, wenn diese von Onlineplattformen angeboten würden. So wären zum Beispiel gut 28 Prozent bereit, ein Girokonto bei Amazon zu eröffnen, rund 20 Prozent würden das bereitwillig bei Lidl tun, immerhin noch knapp 19 Prozent bei Dm. Schaut man sich alle abgefragten Finanzdienstleistungen gebündelt an (darunter waren auch Kreditkarten und Ratenzahlungslösungen), wären immerhin 61 Prozent der Deutschen bereit, Embedded-Finance-Lösungen im E-Commerce zu nutzen. Ebenfalls interessant: Laut einer anderen Umfrage im Auftrag von Cornerstone Advisors sind es vor allem jüngere Menschen, die bereit wären, Finanzprodukte von Nicht-Finanzunternehmen zu nutzen. An Chancen mangelt es also nicht.

Embedded Finance ist gerade im Begriff, aus der Nische zu treten und einen immer größeren Teil der Finanzdienstleistungen zu übernehmen. Bereits heute sind Nicht-Banken für 28 Prozent der Marktkapitalisierung in diesem Segment verantwortlich (Accenture). Der Handel hat schon in der Vergangenheit bewiesen, dass er eine der adaptivsten Branchen ist, wenn es um technologische Neuerungen geht. Ich bin mir sicher, dass er auch diese Chance nicht verpassen will.

Schlagworte: Payment, Bezahlen, Banking

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