Künstliche Intelligenz

Der Mensch bleibt in Verantwortung

KI ist heute Thema einer breiten öffentlichen Diskussion und existenzkritische Technologie für immer mehr Unternehmen. Grund, einen genauen Blick auf die Hintergründe zu werfen und die aktuellen Entwicklungen einzuordnen.

Von Florian Walter und Alois Knoll 20.06.2023

© Andriy Onufriyenko / Getty Images

Mensch trifft Maschine: Noch vor wenigen Jahren wurde KI oft als unausgereifte technische Spielerei abgetan, doch ihre Weiterentwicklung verläuft schneller als gedacht.

Deep Fakes, ChatGPT oder die Generierung von Bildern, Videos und Musik – in der KI-Entwicklung scheint es aktuell Schlag auf Schlag zu gehen. Zwischen neuen Veröffentlichungen liegen nicht mehr Jahre, sondern nur noch Monate oder gar Wochen. Steht die KI also tatsächlich kurz vor dem jahrzehntelang versprochenen großen Durchbruch?

Offensichtlich ist, dass KI-Systeme in den vergangenen Jahren einen deutlichen Entwicklungsschub erfahren haben. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Erscheinen von ChatGPT & Co. daher keine allzu große Überraschung. Neu ist jedoch, dass die Systeme immer öfter einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und einfach im Web-Browser laufen.

Dabei wird allerdings oft übersehen, dass die KI nicht erst seit einigen Monaten immer mehr Teil unseres Alltags wird. Von der Routenplanung zum nächstgelegenen Restaurant bis hin zu den Produktempfehlungen im Onlineshop steckt hinter vielen gängigen Anwendungen bereits heute KI in unterschiedlichen Ausprägungen. Dass sich die Dienste nicht (mehr) wie KI „anfühlen“, folgt einem gängigen Muster: Sobald ein Problem gelöst ist, denkt niemand mehr, dass die Lösung etwas mit KI zu tun hat.

Sprach-KIs wie ChatGPT von OpenAI oder Bard von Google scheinen sich jedoch bislang dieser Entzauberung zu entziehen. Das dürfte vor allem daran liegen, dass sie generativ arbeiten, also in der Lage sind, auf Nutzeranfragen hin neue Inhalte zu erzeugen.

Mit ein paar Eingaben lassen sich also immer wieder neue Konversationen führen oder fotorealistische Bilder produzieren. KI wird so mittels natürlicher Sprache erstmals intuitiv erfassbar und nutzbar.

Künftige Wettbewerbsfähgkeit sichern

In der breiten öffentlichen Wahrnehmung wird ChatGPT derzeit vielfach als Spielzeug wahrgenommen, mit Entwicklungspotenzial hin zum universellen Werkzeug oder auch zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung. Die eigentliche Frage ist jedoch, ob und wie die zugrunde liegende Technik zum Nutzen der Menschen und der Wirtschaft eingesetzt werden kann und welche Einschränkungen in Bezug auf Funktionalität und Sicherheit dabei zu berücksichtigen sind. Denn Tatsache ist, dass der aktuelle Nachholbedarf in Deutschland und Europa und die damit verbundene Abwanderung von Kompetenz ins Ausland langfristig ein großes Risiko darstellen. Es ist also für unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit wichtig, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Gerade für die zwei großen Herausforderungen Digitalisierung und Fachkräftemangel stellen KI-Systeme eine große Chance dar. Mittels leistungsfähiger Sprachverarbeitung können beispielsweise beliebige unstrukturierte Texte wie alte Verträge oder Geschäftsberichte direkt ausgewertet werden. Eine vorherige manuelle Aufbereitung der Daten kann damit zukünftig weitgehend oder gar vollständig entfallen. In ähnlicher Weise können umgekehrt auch komplett neue Texte erstellt werden. Teilweise ist das schon seit Längerem für einfache Anwendungsfälle wie Wetterberichte oder Börsenkurse unter dem Stichwort „Robojournalismus“ umgesetzt. Es ist zu erwarten, dass künftig auch komplexere Texte wie Gebrauchsanweisungen, Reports oder personalisierte Werbung automatisch erstellt werden. Nicht zuletzt wird sich die Qualität von „Chatbots“ deutlich verbessern. Ein grundlegender Trend ist insgesamt, dass KI-Systeme immer vielseitiger werden. Es wird daher immer mehr Anwendungen geben, die sich mittels KI modernisieren und beschleunigen lassen.

Sobald KI praktisch zum Einsatz kommen soll, stellt sich die Frage nach dem Know-how für die Realisierung. Obwohl Forschung und Entwicklung derzeit vor allem von US-Konzernen wie Google mit der Tochter DeepMind, Facebook und jüngst auch OpenAI vorangetrieben wird, sind die relevanten Technologien oft frei verfügbar oder können lizenziert werden. ChatGPT wird schon jetzt als Produkt angeboten und lässt für eigene Anwendungen angepassen. Dennoch sind weiterhin KI-Experten erforderlich, die die Umsetzung im Unternehmen vorantreiben. Auch die Formulierung geeigneter Texteingaben, sogenannter „Prompts“, für die Erzeugung eines bestimmten Bildes oder einer bestimmten Antwort könnte sich zu einer neuen Qualifikation entwickeln. Aus- und Weiterbildung werden auch hier zu zentralen Herausforderungen.

Möglichkeiten zum Einstieg besser denn je

Doch auch wenn durch die KI-Entwicklung neue Stellen oder gar neue Berufsbilder entstehen werden, so rückt aktuell dennoch die Diskussion um die Verdrängung von Arbeitsplätzen wieder stärker in den Mittelpunkt. Oft wird dabei die Leistungsfähigkeit der Systeme deutlich überschätzt. Denn auch wenn das Einsatzspektrum stets breiter wird, deckt jede KI immer nur ganz bestimmte Aufgabenfelder ab, etwa die Erkennung von Bildern oder die Abwicklung standardisierter Dialoge. Immer dann, wenn wesentliche Entscheidungen getroffen werden müssen oder individuelle Lösungen erforderlich sind, muss die Verantwortung wieder an Menschen übergeben werden. Die KI verdrängt in diesen Szenarien keine Arbeitsplätze, sondern übernimmt Routineaufgaben und generiert Vorschläge. Durch diese Effizienzsteigerung bleibt beispielsweise mehr Zeit für Kundengespräche und individuelle Beratung – die wertvolle Zeit der Menschen kann produktiver eingesetzt werden.

Menschliche Überwachung und Steuerung ist aktuell ein wesentlicher Faktor beim Einsatz der meisten KI-Systeme. So sind die neuen Sprachmodelle zum Beispiel dafür bekannt, Inhalte frei zu erfinden, aber gleichzeitig sehr überzeugend darzustellen. Die Ursache hierfür ist, dass die meisten modernen KI-Methoden zum maschinellen Lernen auf neuronalen Netzen aufbauen, die das gewünschte Verhalten aus großen Mengen von Beispielen lernen. Die Ausgaben beruhen daher nicht auf „Denkprozessen“, sondern auf statistischen Modellen. Deren Güte hängt stark von den verwendeten Trainingsdatensätzen ab. Diese stammen zu großen Teilen aus dem Internet und enthalten damit Fehler, Widersprüche, veraltete Informationen und Vorurteile.

Trotz der bestehenden Probleme und Unzulänglichkeiten wäre es jedoch falsch, KI als vorübergehenden Hype abzutun. Das Thema nimmt gerade Fahrt auf, und die Möglichkeiten zum Einstieg sind besser denn je. Für erste Gehversuche sind die öffentlich verfügbaren Angebote bestens geeignet – ob für den persönlichen Einsatz als „Taschenrechner 2.0“ für Textvorschläge und Illustrationen oder als Grundlage für das neue KI-Projekt im Unternehmen. Die Entwicklung der KI schreitet schnell voran. Generative Modelle wie OpenAI ChatGPT und Google Bard erschließen neue Anwendungsgebiete. Es lohnt sich daher, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen und eigene Lösungen zu entwickeln. Denn trotz aller aktuell noch vorhandenen Unzulänglichkeiten wird die KI unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig verändern. Nur wer sich aktiv beteiligt, kann mitgestalten und mitbestimmen.

Schlagworte: Digitalisierung, Roboter, Automatisierung, Künstliche Intelligenz

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