Sie sagt, er sagt

„Der Handel wird bezahlen müssen“

Die EPI ist gestartet, um die Kreditwirtschaft Europas mit einem eigenen Bezahl­system unabhän­giger zu ­machen. Martina Weimert, CEO von EPI, und Oliver Hommel, Geschäfts­führer Euro Kartensysteme, diskutieren über die Entwicklungen.

Von Mirko Hackmann 03.05.2022

© Unsplash/Mika Baumeister

Die Dominanz großer US-Kreditkartenanbieter ist nur eine der Herausforderungen, denen sich eine europäische Payment-Initiative stellen muss.

Frau Weimert, EPI sollte ein europäischer ­Payment-Champion werden. Wie betrübt sind Sie über die tatsächliche Entwicklung?
Martina Weimert: Es ist enttäuschend, zu sehen, dass anfangs nur Einzelne abgesprungen sind – es dann aber zu einem negativen Dominoeffekt kam. Auch wenn die Gründe unterschiedlich waren, bleibt festzuhalten, dass nicht alle Partner die strategische Bedeutung der Initiative gleich bewertet haben. Trotzdem möchte ich nicht klagen. Denn die elf Institute und zwei Zahlungsdienstleister, die nach wie vor eine gemeinsame Lösung wollen, decken 50 Prozent der Transaktionen in Europa ab. Gleichwohl können wir nicht am ursprünglichen Konzept festhalten. Deshalb fokussiert sich die Initiative nun auf die Themen Wallet und Instant Payment – basierend auf einem alternativen Businessmodell – sowie die Integration von Zusatzdienstleistungen. Eine europaweit nutzbare Zahlkarte ist nicht länger vorgesehen. Ob existierende nationale Karten in die Wallet aufgenommen werden können, bleibt abzuwarten.

Rund zwei Drittel der europäischen Kartentransaktionen laufen über die Netze von Mastercard und Visa. Selbst wenn sich die verbliebenen ­EPI-Partner einigen sollten, hat die Initiative noch die Macht, das ursprüngliche Ziel zu erreichen: die Abhängigkeit von den nicht europäischen Anbietern zu durchbrechen?
Weimert: Sicherlich nicht umgehend. Das ist ein ­Prozess, bei dem es darum geht, schrittweise Volumen zu gewinnen und Player am Markt zu überzeugen. Das gilt unabhängig vom Set-up. Aber natürlich ist es auch eine Frage, mit welchem Angebot man in den Markt geht. Insofern wäre die europaweit nutzbare Karte in der Tat wichtig gewesen.

Herr Hommel, angesichts des boomenden ­Onlinehandels entdecken Geldhäuser das lange geschmähte Geschäft der Zahlungsabwicklungen wieder. Warum erhoffen sich die Institute nun plötzlich so viel davon, obwohl ihnen das Geschäft bislang als zu margenschwach galt?
Oliver Hommel: Es gab in den vergangenen Jahren bereits Initiativen verschiedener Häuser, um bei Zahlungsabwicklungen wieder stärker Fuß zu fassen. Heute ist ein Großteil des Marktes von Spezialisten und Tech-Unternehmen mit tieferer Expertise besetzt. Trotzdem sollten die Institute partizipieren, durch Kooperationen oder indem sie zumindest die Zahlungsverkehrsabwicklung auf ihre Systeme ziehen. Dem Girocard-System ist das durch die Trennung von Acquiring-Funktion des technischen Terminalbetriebs und Zahlungsverkehrsabwicklung bereits gelungen. Letztere liegt immer noch bei den Geldhäusern. Wir sind in Deutschland in einer sehr guten Position, die wir nun nutzen müssen.

Frau Weimert, eine der drei Säulen der ursprünglichen EPI-Idee war neben der Etablierung von Instant Payment und einer Bezahl-Wallet die bereits angesprochene europaweit nutzbare Zahlkarte, die ja nun hintangestellt wird. War dies eine strategische Entscheidung, beruhend auf der Annahme, dass eine Karte im Vergleich zu den anderen beiden Säulen mit Blick auf die Zukunft am ehesten verzichtbar ist?
Weimert: Ich sehe keinerlei Tendenzen, dass Karten in den nächsten Jahren weniger stark wachsen werden. Die Entscheidung, das Kartenprojekt nicht weiterzuverfolgen, liegt allein darin begründet, dass die 13 verbleibenden Partner aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien und den Niederlanden ihre nationalen Märkte nicht mehr ausreichend abdecken. Das heißt, dass der Markt, den wir mit einer einheitlichen Karte hätten bedienen können, nicht flächendeckend genug gewesen wäre, um sich zu etablieren.

Mit dem Projekt #DK verfolgen deutsche ­Institute eine zweite Zahlungsinitiative, in der hiesige Banken und ­Sparkassen ihre Angebote bündeln wollen. Herr Hommel, wie beurteilen Sie nach dem nicht zuletzt mit den­ ­hohen Kosten begründeten Ausscheiden von DZ Bank und ­Commerzbank aus EPI die Erfolgsaussichten?
Hommel: Die beiden Initiativen standen nie im Wettbewerb. Bei #DK geht es darum, das Silodenken zu überwinden und die Zahlungsverkehrsstrukturen für den kartengestützten und für den digitalen Bereich stärker zu bündeln. Weil es auch mit Blick auf EPI vorteilhaft wäre, die deutsche Kreditwirtschaft besser aufzustellen, haben wir parallel auf diese europäische Initiative hingearbeitet und beides eng miteinander verzahnt. Dass nicht mehr alle Partner aus Deutschland EPI verfolgen, ändert nichts an der Notwendigkeit, die Zahlungsverkehrssysteme im Inland näher aneinanderzuführen und gemeinschaftlich kanalübergreifend zu agieren. Das trifft auf breite ­Zustimmung im deutschen Kreditgewerbe.

In welcher Form auch immer EPI kommt, der Erfolg hängt von der Akzeptanz auf der Händlerseite ab. Wie ist das von Ihnen erwähnte alternative Businessmodel für Instant Payments konzipiert?
Weimert: Unser Businessmodel für Instant Payments baut nicht auf einem Interchange auf, sondern beruht auf einem Händlerentgelt, das jeder Acquirer individuell mit seinen Händlern aushandelt. Es ist klar, dass dieses Geschäftsmodell konkurrenzfähig sein muss im Vergleich zur Karte und zu den dort anfallenden Gebühren. Dies haben wir entsprechend berücksichtigt. Wenn Sie anschauen, was Händler in Europa im Durchschnitt für Transaktionen entrichten, halte ich das durchaus für konkurrenzfähig.

Bei der Girocard beispielsweise betrug das ­Händlerentgelt im Mittelwert des Jahres 2021­ lediglich sehr günstige 0,178 Prozent und ist zudem auf maximal 0,2 Prozent begrenzt …
Weimert: Das ist richtig, aber am Ende geht es darum, was eine Transaktion alles abdeckt und welche Zusatzleistungen damit verbunden sind. Ich glaube nicht, dass man das über einen Kamm scheren kann. Im Übrigen ­hatten wir ursprünglich zwei Businessmodelle vor­gesehen: eines mit Interchange Fee für die Karte, ein anderes für Instant Payment.

Herr Hommel, sollte EPI nicht kommen, muss die Girocard einen eigenen Innovationspfad finden, haben Sie im Februar gesagt. Wohin soll die Reise gehen?
Hommel: 
Auch wenn das neue Zielbild für den Karten­bereich wohl nicht von EPI definiert wird, ist es wichtig, die Girocard zukunftsgerecht und nachhaltig aufzustellen. Weil es europäisch im Moment nicht gelingt, stärkere Unabhängigkeit von nicht europäischen Firmen zu erlangen, ist es umso wichtiger, national die Souveränität im Zahlungsverkehr auszubauen. Davon profitieren nicht nur Kreditwirtschaft und Handel, sondern die gesamte Gesellschaft. Die Girocard der ­Sparkassen findet bereits im E-Commerce Anwendung, zwar auf niedrigem Niveau, aber stark wachsend. Aktuell sind wir dabei, Girocard und Giropay enger zu verzahnen, auch indem wir digitale Girocards nutzen, um ­online Giropay-Transaktionen auszulösen. Zudem arbeiten wir an zusätzlichen Features, die über das Bezahlen hinausgehen, beispielsweise eine in die digitale Karte integrierte Altersverifikation auch für den Onlinebereich.

Mastercard hat jüngst angekündigt, Herr Hommel, dass es nach 30 Jahren künftig keine Maestro-Funktion für Girokarten mehr geben soll. Was ­bedeutet das für die deutschen Verbraucher?
Hommel:
 Ich sehe keine nennenswerten Aus­wirkungen auf den deutschen Markt. Für Karteninhaber und –inhaberinnen bleibt die Girocard die Hauptfunktion ihrer Karte. Für grenzüberschreitende Transaktionen wird man in der Breite am Prinzip Co-Badging festhalten, eben mit einem anderen Debitbrand von Mastercard oder Visa. Unter Umständen werden die Nutzer von einem größeren Funktionsumfang profitieren, beispielsweise für den Onlinehandel. Das kann für Institute und Kunden sogar sinnvoll sein.

Frau Weimert, gegenüber der Börsen-Zeitung hat Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz gesagt: „Am Ende muss EPI gelingen. Denn für mich ist es die letzte Chance für den Markt, europaweit ein eigenes System zu etablieren.“ Teilen Sie diese ­Auffassung?
Weimert:
 Die Sanktionen im Kontext des ­Ukrainekrieges zeigen gerade eindrucksvoll, wie groß im internationalen Zahlungsverkehr die Abhängigkeiten von den amerikanischen Playern sind. Entsprechend zentral ist die Frage der Souveränität. Ich halte es nicht für normal, dass im Zweifel der gesamte europäische Handel weitgehend lahmgelegt werden kann. Und schauen Sie sich die enorme Finanzkraft der amerikanischen Anbieter an, die aus ihren hohen Margen resultiert: Mit welchen nationalen Innovationsbudgets will man demgegenüber in Europa konkurrenzfähig werden? Selbst die erfolgreichsten ­hiesigen Systeme können nicht mithalten, weil sie mit ihren kostengünstigen Angeboten nicht die notwendigen Gewinne erzielen. Am Ende aber laufen die Kunden zu den innovativeren Anbietern über – und ­letztlich wird es der Handel sein, der dafür bezahlen muss. Nur gemeinsam hat Europa noch eine Chance! 

Martina Weimert 

wurde im Dezember 2020 zum CEO der EPI Interim ­Company ernannt. Sie unterstützte zuvor die euro­päischen Banken seit Beginn der European Payments­ ­Initiative (EPI) als Partnerin in der Financial Services ­Practice des Beratungsunternehmens Oliver Wyman in Paris. Sie war dort vier Jahre lang für die europäische Zahlungsverkehrspraxis verantwortlich. Sie hat sich in 17 Jahren Unternehmensberatung auf die Bereiche­­ Zahlungsverkehr, Fintech und Blockchain spezialisiert.

Oliver Hommel 

ist seit Dezember 2021 Geschäftsführer der Euro Kartensysteme GmbH. Als ausgewiesener Payment- und Open-Banking-Experte verfügt Hommel über mehr als 20 Jahre Erfahrung in diversen Bereichen des Zahlungsverkehrs. So war er unter anderem beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V., beim Deutschen ­Sparkassen- und Giroverband e. V. sowie zuletzt als Direktor Payments bei der Accenture GmbH tätig.

Schlagworte: Europa, Payment

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