Standpunkt

Regulierung mit Augenmaß

Chatbot ChatGPT stößt eine Debatte über die heutige und künftige Bedeutung Künstlicher Intelligenz an. Fest steht, dass Technologien wie diese unsere Zukunft prägen werden, im Einzelhandel – und darüber hinaus.

Von Stefan Genth 01.05.2023

© Andrey Popov / iStock.com

Künstliche Intelligenz im Einzelhandel: KI-Tools kommen bereits verstärkt zum Einsatz, zum Beispiel bei der Kundenbindung und im Einkaufsprozess ebenso wie in den logistischen Prozessen dahinter.

Zu lesen waren zuletzt zahlreiche Erfahrungsberichte über Funktionen und Anwendungsfälle unterschiedlicher KI-Tools, von der Textgenerierung über Informations- und Übersetzungsleistungen bis hin zur Erstellung von Bildmaterial. Vor allem die Veröffentlichung von ChatGPT war für viele Menschen ein Anlass, sich mit Künstlicher Intelligenz sowie all ihren Gesichtern und Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Der Chatbot ist ein Symbol für Zukunftstechnologien geworden, die unsere Arbeits- und Lebenswelten verändern werden. Denn KI kann weit mehr als Fragen beantworten. Sie kann Probleme lösen.

Worin die Potenziale Künstlicher Intelligenz liegen, zeigt ein Blick auf den Einzelhandel. Dort kommen schon heute an vielen Stellen des Einkaufserlebnisses KI-Tools zum Einsatz: bei der Kundenbindung und im Einkaufsprozess ebenso wie in den logistischen Prozessen dahinter. Kundinnen und Kunden werden etwa über personalisiertes Marketing mit individuellen Couponangeboten oder standortbasierten Anzeigen auf mobilen Endgeräten angesprochen, während in Onlineshops eine fotobasierte Produktsuche oder eine optimierte Größenberatung möglich ist. Zudem lässt sich die Technologie für intelligentes und vorausschauendes Bestandsmanagement und die Planung von Lieferfahrten nutzen. Für Handelsunternehmen ist Künstliche Intelligenz eine Chance, das Einkaufen mit effizienten Prozessen und großen Datenmengen zu individualisieren.

Einsatzmöglichkeiten gibt es in der Branche also einige. Und das Interesse vieler Händlerinnen und Händler an der Einbindung Künstlicher Intelligenz in das eigene Unternehmen wächst. Bislang setzen allerdings nur wenige von ihnen KI-Projekte um. Noch schreckt die Mehrheit vor großen Investitionen in entsprechende Technologien zurück. Verbunden ist die Anpassung der Prozesse schließlich zunächst mit hohen Kosten. Auch muss sich die fachliche und technische Kompetenz im Unternehmen häufig erst entwickeln. Daher bleibt es meist bei überschaubaren Anwendungsfällen wie Kamerasystemen zum Diebstahlschutz oder der automatisierten Sortimentsüberarbeitung. Über einzelne Prozesse hinaus ist ein unternehmens- und bereichsübergreifender Einsatz von KI hingegen weniger verbreitet. Dabei sind Investitionen in Künstliche Intelligenz wichtig für die Zukunftsfähigkeit der gesamten Branche.

Damit sich KI im Einzelhandel etablieren kann, wird es zudem auf eine ausgewogene politische Rahmensetzung auf EU-Ebene ankommen. Was es braucht, ist eine Regulierung mit Augenmaß. Etwaige Vorgaben müssen verhältnismäßig bleiben und eindeutige Definitionen von KI und Risikodefinitionen beinhalten. Schon heute wird KI im Handel an vielen Stellen eingesetzt, ohne Persönlichkeitsrechte zu berühren. Hier ist es nicht nötig, regulatorisch einzugreifen. Vielmehr besteht die Gefahr, Innovationen durch erhebliche Rechtsunsicherheiten und zusätzlichen Aufwand zu hemmen. Eine Überregulierung steht der Innovationskraft der KI entgegen. Ein risikobasierter Ansatz hingegen kann dazu beitragen, dass Künstliche Intelligenz im Einzelhandel zur echten Realität mit Mehrwert wird.

Schlagworte: Einzelhandel, Digitalisierung, Handel, Roboter, Automatisierung, Statement

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