Debatte

Braucht es eine Pflicht, Solarcarports zu errichten?

Nach dem Willen von EU-Präsidentin Ursula von der Leyen soll die Photovoltaikpflicht für Gebäude ein wichtiger Baustein sein, um den ambitionierten Weg zur Klimaneutralität zu schaffen. Im Zuge des Programms REPowerEU wird auch eine Solarcarportpflicht für offene Parkplätze diskutiert.

Von Katrin Uhlig und Jan-Oliver Heidrich 30.08.2023

© StockAdobe.com/freebreath

Freie Fahrt für Solarcarports? Fünf Bundesländer haben dazu bereits gesetzliche Regelungen formuliert, andere sind noch unentschieden.

Pro:

Die Ampelkoalition hat sich darauf verständigt, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll. Die Umsetzung der Energiewende – gerade im Strombereich – ist dafür der zentrale Baustein. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien kommen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien führt nicht nur zu einer anderen Stromversorgung, sondern bietet auch neue Möglichkeiten für die Wirtschaft. Günstigen und klimafreundlichen Strom vor Ort zu produzieren und damit einen Beitrag zur Deckung des eigenen Strombedarfs zu leisten, reduziert Kosten und schützt unser Klima.

Gleichzeitig ist die Fläche in unserem dicht besiedelten Land begrenzt. Es gibt eine Vielzahl von Interessen, die miteinander in Einklang zu bringen sind: Wirtschaft, Wohnraum, Landwirtschaft, Flächen für Natur- und Artenschutz und vieles mehr. Gerade Photovoltaikanlagen bieten die Möglichkeit, mehrere Nutzungen einer Fläche miteinander zu verbinden. Durch Dach-PV-Anlagen beispielsweise kann der benötigte Strom des Gebäudes direkt auf dem Gebäude selbst produziert werden. Agri-PV-Anlagen können in manchen Bereichen der Landwirtschaft dringend benötigten Schutz vor der Sonne bieten und Freiflächen-PV-Anlagen können mit Maßnahmen zur Stärkung der Biodiversität kombiniert werden. So können Flächen mehrere Zwecken gleichzeitig dienen.

Wenn wir clever planen und eine Fläche nicht nur für den einen oder anderen Zweck vorsehen, besteht die Möglichkeit, nicht nur zusätzlichen Strom zu erzeugen, sondern mit dem Strom auch zusätzliche Einnahmen zu generieren. Gerade bei Parkplätzen, Raum also, der bisher lediglich dafür vorgesehen ist, dass man sein Auto abstellen kann, besteht noch viel Potenzial. Durch eine Überdachung mit PV-Anlagen entsteht eine Vielzahl von neuen Geschäftsmodellen: So kann der vor Ort produzierte Strom beispielsweise zum Auftanken von Elektroautos genutzt werden, während gleichzeitig die Fahrerin respektive der Fahrer in den benachbarten Geschäften einkaufen geht, was den Standort attraktiver macht. Der Strom kann aber auch genutzt werden, um ein Geschäft am Parkplatz mit zusätzlichem Strom zu versorgen, oder man kann den Strom einfach in das lokale Stromnetz einspeisen und sich dies vergüten lassen, wie es bereits bei Dach-PV-Anlagen möglich ist. Wer sich nicht selbst um die Errichtung von Photovoltaikanlagen kümmern möchte, kann die Flächen verpachten und so zusätzliche Einnahmen generieren. Die Möglichkeiten zur Nutzung der Fläche und des Stroms sind vielfältig!

Deshalb begrüße ich Entwicklungen wie in Baden-Württemberg, das mit dem Klimaschutz- und Klimaanpassungsgesetz eine Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen beim Neubau von Wohnund Nichtwohngebäuden und größeren offenen Parkplätzen vorsieht. Auch Nordrhein-Westfalen hat im Rahmen der Reform der Landesbauordnung das Potenzial von bereits versiegelten Flächen für den Photovoltaikausbau erkannt und sich für eine PVPflicht für neue offene Parkplätze ausgesprochen. Dieser Trend stellt einen entscheidenden Schritt zur Verwirklichung der Ausbauziele dar, berücksichtigt die Tatsache, dass Fläche gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ein knappes Gut ist und schafft neue und zusätzliche Geschäftsfelder für die Wirtschaft und den Handel.

Contra:

Parkflächen für die Energiewende nutzbar zu machen, erscheint auf den ersten Blick als attraktiver Gedanke. Bei realistischer Betrachtung erweist sich der Einsatz von Parkplatz-Photovoltaikanlagen (Carports) jedoch als wenig sinnvoll. Ein entscheidendes Argument des Handels gegen eine Carportpflicht ist, dass die Solarports nicht annähernd wirtschaftlich sind. Die Kosten für die Errichtung einer Parkplatz-Photovoltaikanlage liegen um das Zwei- bis Dreifache höher als bei Photovoltaikdachanlagen.

Der Eigenbedarf unserer Immobilien ist durch verpflichtende PV-Dachanlagen bereits gedeckt. Wir können den auf dem Carport produzierten Strom daher selbst nicht verwenden, sondern sind gezwungen, den Strom zu vermarkten, was nicht unserem originären Geschäftsmodell als Einzelhändler entspricht. Wir werden in das Geschäftsmodell „Energieversorger“ gezwungen.

Dabei leistet der Einzelhandel in anderen Bereichen bereits sehr viel für die Energiewende: Ausbau der Ladeinfrastruktur, Umstieg aufs Heizen mit Erneuerbaren Energien und Photovoltaikausbau auf Dachanlagen. In den vergangenen fünf Jahren hat der Einzelhandel sukzessiv in zahlreiche Energieeffizienzmaßnahmen wie energiesparende Beleuchtung, Kältetechnik und vieles Weitere mehr investiert. Die Investitionsmöglichkeiten der Branche sind endlich und das Geld in Carports nicht gut angelegt, weil die Erträge aufgrund der eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten (Neigung, Ausrichtung, Verschattung) deutlich niedriger liegen als bei auf Dächern installierten Photovoltaikanlagen.

Hinzu kommen weitere Schwierigkeiten wie zusätzliche regulatorische Verfahren, die bei Carports greifen: Baugenehmigung gemäß Landesbauordnung, Nachweise in Verbindung mit Überkopfzulassung für Photovoltaikmodule, Brandschutz, Statik, Bodengutachten, Entwässerun etc. Carports sind mit gesetzlichen Anforderungen, wie zum Beispiel einer versickerungsfähigen Parkplatzgestaltung zur Entlastung der Kanalisation insbesondere bei Starkregen, Grünanlagen und großkronigen Bäumen nicht vereinbar. Weitere Herausforderungen praktischer Natur ergeben sich im Betrieb, da sich Parkplatz-PV-Anlagen auf die folgenden Aspekte auswirken können: Rangierbereich von Lkws (mögliche Anfahrschäden), Sicherstellung einer freien Sicht an Zu- und Abfahrten und damit Gewährleistung der Verkehrssicherheit aller Teilnehmer, Herausforderungen beim Winterdienst.

Auch den ökologischen Aspekt sollte man bei den Carports deutlich differenzierter betrachten: Durch die erforderliche Unterkonstruktion erhöht sich insbesondere bei Verwendung von Stahl der CO2-Fußabdruck signifikant, was bei PV-Dachanlagen nicht notwendig ist.

Schließlich ist das Stromnetz durch die vielen dezentralen Einspeiseanlagen im Photovoltaikbereich sowie durch Wärmepumpen, Ladesäulen etc. stark beansprucht. Daher sind Carports auch aus dieser Perspektive nicht sinnvoll, da sie die Stromnetze unnötig belasten und demnächst von Verteilnetzbetreibern heruntergeregelt werden, wenn die Netze ausgelastet sind. Aus allen genannten Gründen sollte die Errichtung von Photovoltaikcarports nicht zur Pflicht werden, sondern freiwillig erfolgen.

Schlagworte: Umweltpolitik, Verkehrspolitik, Nachhaltigkeit

Kommentare

Ihr Kommentar