Kolumne

Was E-Commerce-Anbieter vom stationären Handel lernen können

Eine starke Kombination aus Online und Offline wird zukünftig den Markt bestimmen. Showrooms und ähnliche Formate lohnen sich für Marken nicht nur als Touchpoint - sie verbessern auch die Online-Experience.

Von Michael Fleck 22.07.2021

© Nils Krüger / Zalando SE

Stationäre Konzepte wie die Beauty Station des Onlinehändlers Zalando verbinden On- und Offlinewelt.

In den vergangenen Jahren haben immer mehr E-Commerce-Unternehmen Offline-Shops eröffnet. Die Gründe: Flagship-Stores bieten Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, die Marke zu erleben, in Showrooms können High-Involvement-Produkte vor dem Kauf getestet und damit das Sicherheitsbedürfnis der Kunden abgedeckt werden. Und häufig sind die Läden schlicht als ein weiterer Marketingkanal zu betrachten.

Was ein weithin unterschätzter Vorteil der Offline-Repräsentanzen ist: Onlinehändler können offline sehr viel für ihr Kerngeschäft im Internet lernen. Der Onlinehandel sollte dann bestenfalls seine Erfahrungen aus den Bricks in Clicks überführen. Kunden denken nicht in Kanälen. Sie schätzen bei Serviceleistungen an erster Stelle Schnelligkeit und Flexibilität. Beides kann vor allem dann erfüllt werden, wenn Unternehmen wissen, was für ihre Kunden relevant ist.

Die Online-Plattform für Gebrauchtwagen mobile.de wagte bereits im Jahr 2018 erste Schritte ins Analoge. Für den Ankauf von Gebrauchtwagen wurde eine Test- und Lernstation eröffnet. Ziel war es, die Wünsche der Kunden beim Verkaufsprozess herauszufiltern und den Prozess auf Händlerseite zu optimieren. Auf dieser Basis wurden Händler-Schulungen standardisiert und Ankaufstationen in ganz Deutschland eröffnet. Mittels der Test- und Lernstation sollte erforscht werden, wie eine starke, aber rein digitale Marke offline stattfinden kann. Unterschiedliche Modelle und Vorgehensweisen konnten erprobt und die Kundenzufriedenheit und -bindung gesteigert werden.

Wissenstransfer zwischen Stationär- und Onlinehandel

Im Fall der Ankaufstationen von mobile.de bekamen die Kunden vor allem ein Gefühl von Empathie und Sicherheit vermittelt. Schließlich handelt es sich beim Verkauf eines Autos um einen sensiblen Moment. Dies gilt für alle High-Involvement-Produkte, sowohl beim Verkaufen als auch beim Erwerben. Ein gutes Kauferlebnis senkt die Skepsis vor teuren Anschaffungen.

Ein großer Vorteil der analogen Erweiterung von mobile.de war der Wissensaustausch zwischen stationären Autohändlern und Onlinehandel. Das Zusammenbringen von Erkenntnissen aus beiden Netzwerken führte dann zu einem verbesserten Kundenservice.

Damit diese Synergieeffekte langfristig für alle erhalten bleiben, etablierte mobile.de ein deutschlandweites Händlernetzwerk. Regelmäßige Treffen und digitale Tools erleichtern nun den direkten Austausch. Das gegenseitige Vernetzen hat außerdem den Verkauf von Gebrauchtwagen zwischen den Ankaufstationen stark vereinfacht, weil je nach Bedarfslage und Nachfrage untereinander gehandelt werden kann.

Stationäres Kauferlebnis für Onlinekunden

Ein anderes Beispiel: Onlinehändler Zalando zeigt mit seinem stationären Beauty-Konzept in Berlin Mitte, wie sich Offline und Online gut ergänzen und voneinander profitieren können. Ein Teil der Ladenfläche ist mit Stationen ausgestattet, an denen sich Beauty-Tutorials produzieren und Masterclasses live streamen lassen. In diesen Lernvideos kommen Produkte aus dem Laden zum Einsatz, die über Verlinkungen für die Kunden online erwerblich sind. Zudem können die Tutorials auf den Tablets im Laden jederzeit aufgerufen und abgespielt werden.

Beim Dreh der Tutorials im Zalando Beauty Store geht es nicht nur um den Verkauf allein. Vielmehr möchte man den Onlinekunden ein Kauferlebnis wie beim Offline-Shopping bieten. Und zwar standortunabhängig, so dass auch Menschen im ländlichen Raum die Marke und den Einkauf digital erleben können.

Markenbotschafter und Influencer sorgen dafür, dass sich der digitale Einkaufsbummel anfühlt, als wäre man mit guten Freunden unterwegs. Formate wie Live-Shopping-Streams von Orsay oder Kooperationen über Instagram, wie zum Beispiel Filippa K mit Blogger Bazaar, nutzen die direkte und persönliche Ebene. Beratungsgespräche wie im stationären Handel können so digital stattfinden und gleichzeitig skaliert werden.

Prognosen zum Handel nach Corona zeigen: Eine starke Kombination aus Online und Offline wird auch zukünftig den Markt bestimmen. Showrooms lohnen sich für Marken nicht nur als Touchpoint, sondern auch zur Verbesserung der Online-Experience. Durch das Testen von Konzepten im Laden und die iterative Anpassung vor Ort können Lehren für das Digitale gezogen und die optimale Customer Journey gefunden werden.

Hier geht es zum Autoren-Profil von Michael Fleck.

Schlagworte: Multichannel, Stationärhandel, Onlinehandel, Zalando

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