Beim Blick auf den hiesigen Markt der Lieferdienste entsteht bei aufmerksamen Konsumenten aktuell der Eindruck, dass viele Anbieter vorrangig damit beschäftigt sind, ihre Marke auszubauen und sich durch Werbung gegen ihre Konkurrenten zu behaupten. Sicherlich helfen auffällige Plakate und gutes Branding nach innen und außen. Das Problem: Marketing kostet eine Menge Geld, hält aber nur so lange, bis die Konkurrenz nachzieht.
Der Blick nach draußen trübt zugleich oftmals den nach innen. In der Folge kommt die Mitarbeiterbefähigung zu kurz. Das ist insofern schädlich, als dass die Mitarbeiter den Kern einer Dienstleistung abbilden. Sie sind elementar wichtig und unverzichtbar, um als Unternehmen zu überleben. Nur wer im Kundenkontakt – bei der Lieferung oder im Kundenservice im Pre- oder After-Sales-Bereich – mit freundlichen, fähigen und frei agierenden Mitarbeitern überzeugt, wird sich Bestandskunden sichern und damit auch den langfristigen Erfolg des Unternehmens.
Ultrafast Delivery und die Auswirkungen
Lieferungen innerhalb weniger Minuten sind im Lebensmittelbereich zum neuen Standard geworden. Die Messlatte schraubt sich immer weiter in die Höhe. Schnelligkeit und Effizienz wurden zum Differenzierungsmerkmal. Vor allem, weil das bei den Kunden gut ankommt – besonders bei der jungen und finanzstarken Klientel, wie eine Statista-Erhebung aus dem vergangenen Jahr zeigt.
Guter Service schafft Kundenbindung
Echte Differenzierung in der Kundenbeziehung schafft man in Ausnahmesituationen. Sollte es Probleme bei Bestellungen über die App oder Mängel bei der Lieferung geben, braucht es ein starkes und kompetentes Team im Kundenservice. Gerade wenn die Ausgangssituation für die Nutzer ärgerlich ist, hat guter Kundenservice das Potenzial, besonders positiv in Erinnerung zu bleiben. Abhilfe schafft da zum Beispiel schon eine kleine Geste: Ein Extra-Goodie oder eine Gutschrift.
Was die Lieferdienste vom klassischen Handel lernen können
Unabhängig von problematischen Situationen können sich die Lieferdienste noch einiges vom stationären und vom Online-Handel abschauen, um die Kundenzufriedenheit zu steigern. Treueprogramme und die Personalisierung von Angeboten lassen sich in die Apps und Online-Portale einfach integrieren. Auch Überraschungen oder Kostproben kommen bei Kunden gut an. Zu Lieferungen ab einem bestimmten Einkaufswert kann man zum Beispiel Produkte aus dem Sortiment in Probiergröße beilegen. Oder man fügt der Bestellung umsonst Produkte und Lebensmittel bei, die nur noch ein geringes Haltbarkeitsdatum haben und schafft so gleichzeitig einen Mehrwert für den Planeten. Anstatt Lebensmittel wegzuwerfen, erfreuen sich die Kunden daran.
Interaktion auf Augenhöhe
Das Ziel der Lieferdienste sollte also nicht mehr nur schnellste Lieferung und schickes Marketing fokussieren, sondern exzellenten Service durch zufriedene Mitarbeiter und Kunden. Der Lieferdienst Khora in Berlin macht es vor und zeigt, dass es auch anders geht. Bei Khora handelt sich um ein solidarisches Kurierkollektiv. Anstatt in gebrandeten, immer gleichen Outfits zu liefern, tragen die selbstbestimmt organisierten Kuriere ihre Alltagskleidung. Sie bleiben dadurch sich selbst, ihrem Stil und Charakter treu. Kunden nehmen sie ganz selbstverständlich als Individuen wahr und nicht als Corporate Werbefläche. Die Interaktion beim Liefern findet auf Augenhöhe statt.
Kuriere des Lieferkollektivs entscheiden sich dabei bewusst für eine Zugehörigkeit zum selbigen. Sie übernehmen Verantwortung für die Unternehmenspolitik, kümmern sich auch um Verwaltung, Orga und Marketing. Sie entwickeln die Marke Khora also selbstbestimmt mit. Diese Haltung kommt auch bei den Kunden an.
Damit der aktuelle Hype nicht nach der übernächsten Lieferung endet, braucht es nachhaltige Geschäftsstrategien – zusätzlich zu Marketing und Branding. Guter Service, der nicht auf Kosten der eigenen Mitarbeiter geht, wird das neue Differenzierungsmerkmal im Lieferdienste-Segment. Gelingt es einem Anbieter, diesen kurzen Moment an der Haustür des Kunden mit engagierten Mitarbeitern anders zu gestalten als die Konkurrenz, hat man in Richtung Kundenbindung eine Menge erreicht. Und dies zahlt sich aus – nicht zuletzt beim Umsatz.
Hier geht es zum Autoren-Profil von Michael Fleck.
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