Wolle und Leder sind die Trends, die in der nächsten Herbst- und Wintersaison in Mode kommen. Der im Lockdown vielen Menschen zur Gewohnheit gewordene lässige Casual Look ist im Zuge des New-Work-Konzepts nun auch im Büro tragbar. Vor allem aber beschäftigt sich die Branche mit Kombinationen, denn sie muss große Mengen unverkaufter Winterware aus dem Vorjahr zusammen mit Teilen aus neuen Kollektionen stimmig inszenieren.
„Es gilt, die Kommunikation zwischen Einkauf und Verkauf zu verbessern, damit die Mitarbeiter auf der Fläche den Kundinnen erklären können, dass die Mode aus dem vergangenen Jahr immer noch topaktuell ist und zur Neuware dieser Wintersaison passt“, sagt Jens Seipel, Geschäftsführer der Textilunternehmensberatung TUB, in seinem Vortrag im Rahmen der Digital Fashion Week. Die B2B-Plattform Fashion Cloud, auf der Brands Marketingmaterialien und Produktdaten teilen und Händler Artikel ordern, hat das dreitägige Event aufgelegt, um den coronabedingten Ausfall der Modemessen zu kompensieren. Ihre neuen Kollektionen stellten die Marken in viertelstündigen Videos vor, die sich nach Angabe des Veranstalters rund 7 000 internationale Branchenteilnehmer ansahen.
Die Pandemie schiebt eine notwendige Entwicklung an. Denn die textile Supply Chain zwischen Industrie und Fachhandel mit Messen, Musterkollektionen und Vertriebsstrukturen ist im Vergleich zu den hocheffizienten Online-Pure-Playern und Vertikalisten zu teuer, zu langsam und zu unflexibel. Doch die Branche tut sich noch schwer mit der digitalen Vororder im Rahmen virtueller Showrooms.
Option zur Nachorder verabreden
„Mode ist ein emotionales Geschäft“, sagt Andreas Weitkamp, Geschäftsführer des Unternehmens Modehaus Schnitzler mit drei Standorten in Münster. „Wir brauchen inspirierende Sortimente, um den Kunden einen triftigen Grund zu geben, den stationären Fachhandel aufzusuchen. Die können wir nur zusammenstellen, wenn wir die Ware sehen und anfassen und uns persönlich mit Branchenteilnehmern austauschen können.“ Sein Haus, das im gehobenen Preissegment handelt, ordere etwa 20 Prozent der Ware digital.
„Unser Geschäftsmodell orientiert sich im Vergleich stärker am Mainstream, wir ordern bereits 80 Prozent unserer Artikel digital“, berichtet Marc Ramelow. Der Geschäftsführer der gleichnamigen Modehauskette mit neun Standorten ist gleichwohl noch nicht zufrieden mit den der Branche dafür zur Verfügung stehenden Tools. Zuweilen führten Vertreter ihn per Videoanruf durch den Showroom. Die zielgruppengerechte Auswahl der Kollektionen sei unter diesen Umständen schwierig.
Dabei ist es in unsicheren Zeiten, in denen selbst vorpandemisch gesunde Modeunternehmen finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen, wichtiger denn je, dass die Orderrunde den Geschmack der Kundschaft trifft. Nahezu alle Modehäuser gestalten ihre Sortimente mit gekürzten Budgets und getreu den strategischen Geboten: weniger Ware, weniger Kollektionen, Bestände berücksichtigen und individuelle Vereinbarungen mit Lieferanten über Umsatzziele und Nachordermöglichkeiten treffen. Doch bei aller kaufmännischen Vorsicht: „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Lebensfreude der Menschen zurückkehrt, wenn von Lockdown keine Rede mehr ist“, gibt Thomas Ganter, Geschäftsführer des Sport- und Modehauses Lengermann & Trieschmann, zu bedenken. „Die damit verbundene Einkaufslust lässt sich stationär besser aufnehmen als online.“
Stationäre Flächen reduzieren
Das Dilemma ist jedoch, dass die Liebe der Kundschaft zum Modegeschäft wohl nichts daran ändert, dass der Fashion-Onlinehandel nach Marktanteilen bereits in zehn Jahren mit dem Fachhandel gleichziehen wird. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie „Fashion 2030“, die die Unternehmensberatung KPMG in Kooperation mit dem EHI Retail Institute verfasst hat. „Für den Handel bedeutet der Umsatzrückgang im stationären Bereich, dass er seine stationären Flächen reduzieren muss“, so Marco Atzberger, Mitglied der EHI-Geschäftsleitung. Die Branche sei gut beraten, sich den veränderten Ansprüchen an ein personalisiertes, kanalunabhängiges Einkaufserlebnis sowie an den Trend zu mehr Nachhaltigkeit anzupassen.
Die Verbundgruppe EK Servicegroup etwa will ein Lieferantenportfolio aufbauen und Flächenkonzepte entwickeln, um zur führenden Plattform für Nachhaltigkeit zu werden. Einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Splendid Research zufolge besitzen allerdings weniger als zehn Prozent der Verbraucher in Deutschland mehrere nachhaltig produzierte Kleidungsstücke. Dem gegenüber stehen 79 Prozent wohlwollend eingestellte, jedoch oftmals noch tatenlose Verbraucher, für die häufig ein günstiger Preis das entscheidende Kaufargument darstellt.
Carsten Keller, Vice-President Direct-to-Consumer bei Zalando, stellt das Connected-Retail-Konzept der Plattform vor: Der Kunde bestellt und bezahlt bei Zalando, doch die Order geht nicht an das Zalando-Lager, sondern an den kooperierenden Händler. Dieser pickt die Ware im Geschäft, kann das Paket mit seinem Logo branden und übergibt es dem DHL-Boten. „In Zukunft werden wir auch Click and Collect ermöglichen“, kündigt Keller an. Rund 2 900 Händler hätten ihre Warenwirtschaftssysteme bereits mit der Plattform verknüpft.
Mehr Umschlag mittels Plattform
Die Gebühr liege im Schnitt bei elf bis 13 Prozent des Produktpreises, Zalandos Retourenquote betrage etwa 50 Prozent. Die Retouren muss der Händler verarbeiten. „Wir hatten anfangs mehr Retouren als Neubestellungen, das dämpfte die Euphorie“, berichtet Wöhrl-Vorstandschef Thomas Weckerlein. Nach einer Lernkurve manage die Kette das Sortiment für Connected Retail mittlerweile profitabel und habe alle Filialen an die Plattform angeschlossen. „Wir platzieren Eigenmarken bei Zalando und erreichen damit Kunden, die üblicherweise nicht in unsere Läden kommen“, sagt Weckerlein. „Durch den erhöhten Warenumschlag können wir es uns leisten, unsere Ware häufiger zu erneuern und im Sortiment wieder etwas mutiger zu werden.“
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